Kaffeeklatsch. Als ich Kind war, bedeutete die Ankündigung eines solchen stets, dass ich mich auf eine relativ spaßbefreite Veranstaltung vorbereiten durfte: Wenn Frauen sich trafen und redeten und dabei Kaffee konsumierten, war man als Kind mehr oder weniger im Abseits. Schließlich konnte ich weder mit Kaffee noch mit quatschenden Frauen besonders viel anfangen. Immerhin: Die düstere Vorahnung, dass sich an beiden Sachverhalten im weiteren Verlauf meines Lebens höchstens graduell noch etwas ändern würde, hatte ich damals schon. Daran konnte auch die regelmäßige Entschädigung in Form von Streuselkuchen nichts Grundsätzliches ändern, sondern die Entwicklung einer gesunden Abneigung gegen dieses Heißgetränk höchstens hinauszögern.

Es kam natürlich zunächst, wie es kommen musste: Als Heranwachsender beginnt man irgendwann, Rituale erwachsener Vorbilder zu imitieren. Also braute ich mir gelegentlich nach der Schule Kaffee, verzichtete jedoch auf die dazugehörigen Elemente Kuchen und Klatsch. Was keine erschütternd negative, gar traumatische Erfahrung gewesen ist und deshalb immer noch keine ausreichende Begründung lieferte, das schwarze Gebräu so abzulehnen, wie ich es heute tue. Es leuchtete mir seinerzeit schlicht und ergreifend irgendwann nicht mehr ein, warum ich nachmittags Kaffee trinken sollte, wenn ich auch Bier trinken kann.

Schmecken tat beides nicht. Anregend wirkte beides. Zwar auf unterschiedliche Weise, aber immerhin. Olfaktorisch hatte Kaffee dem Bier gegenüber einen klaren Punktvorteil, aber letzten Endes gab den Ausschlag, dass Kaffee hinterher nicht schuldmindernd wirkte, wenn man Dummheiten begangen hatte. (Die man überwiegend auch nicht begangen hätte, wenn man nur Kaffee getrunken hätte, aber das ist eine andere Geschichte.)

Nach und nach mehrten sich Erfahrungen, dass Kaffeetrinker im Grunde die Bremser waren, die den Beginn jedweder anstehenden Aufgabe grundlos verzögerten. Weil: „Ohne Kaffee geht gar nichts.“ Dass anschließend die Müdigkeit verschwindet und die Leistungsfähigkeit zunimmt, habe ich in dieser Zeit jedoch auch nur bei den wenigsten Kaffeetrinkern gesehen. Bei den meisten tat sich trotz mehrerer Tassen immer noch nichts. Es war dies die Zeit, in der ich das erste Mal in meinem Leben bewusst Vorurteile pflegte. Da ich mich meinerseits mit verschiedensten Vorurteilen konfrontiert sah ob meines überdurchschnittlichen Konsums von Bier und Apfelwein, empfand ich das als gerecht.

Es darf nicht wirklich verwundern, dass meine nächste Konfrontation mit exzessiven Kaffeetrinkern in Selbsthilfegruppen für Alkoholiker stattfand. Die Forschung bemüht sich ja, herauszufinden, wie viele Tassen täglich noch als gesund oder zumindest als nicht schädlich anzusehen sind. Die Übergänge zwischen normalem und extremem Kaffeekonsum sind ja genauso fließend wie beim Alkohol. Man kann sich allerdings auch beim Schwarzen Gold sicher sein, in weltweit jeder solcher Selbsthilfegruppen mindestens ein Exemplar anzutreffen, das jede Obergrenze an medizinisch ratsamen Mengen sprengt.

Was ich aus dieser Zeit ebenfalls weiß: Selbst wenn Kaffee gesund ist, bewirkt er nicht automatisch, dass jemand auch gesund aussieht. Generell heißt es ja, dass Kaffee schön macht. Auch für diese Behauptung würde ich seitdem nicht mehr meine Hand ins Feuer legen. Und hierbei ist jetzt noch nicht einmal berücksichtigt, dass sich Jahre später in einer Facebook-Gruppe für Singles beide Befunde bestätigt sehen sollten. Wenn mir als Abstinenzler sonst nicht wirklich etwas fehlt – als Single vermisst man irgendwann doch die Möglichkeit, sich fremde Menschen schön zu saufen. Wenn man dazu dann noch feststellt, dass es mit den Möglichkeiten, sich selbst schön zu saufen, auch nicht so weit her ist, ist das natürlich auf spezielle Weise ernüchternd.

Mit der Schönheit ist es natürlich so eine Sache. Als im Glashaus Sitzender bin ich diesbezüglich auch gut beraten, mit Steinen nicht allzu sehr um mich zu schmeißen. Man muss manche Leute außerdem auch nicht unbedingt mehr hassen als notwendig. Was mir aber massivst auf den Zeiger geht, sind diese täglichen gegenseitigen Bestätigungen der ewig gleichen zehn Gruppenmitglieder, dass ein Leben ohne Kaffee streng genommen nicht möglich ist. Da spielt es sogar schon fast keine Rolle mehr, dass auch andere Beiträge in dieser Gruppe den Verdacht aufkeimen lassen, da hätte jemand ordentlich Cognac in seinen Kaffee geschüttet – das ist peinlich, das ist oberflächlich, das ist mitnichten ein Beleg für ein funktionierendes Gruppenleben.

Das Ziel dieser Gruppe sowie ähnlicher Plattformen im world wide web sollte ja bleiben, irgendwo in irgendeiner Ecke dieses schönsten aller Ballungsgebiete irgendjemanden zu finden, der irgendwie mit meinen Macken umzugehen bereit ist, um im Gegenzug von geistreicher, kurzweiliger und humorvoller Unterhaltung und einer zuverlässigen, vertrauenswürdigen und irgendwie aber auch unkonventionellen Persönlichkeit mit einem gewissen Kreativpotential und einem hohen Maß an emotionaler Intelligenz zu profitieren. Davon, dass das mitunter schwieriger ist als es klingt, war schon hin und wieder hier im Blog zu lesen. Dass mich dabei Vorgänge wieder einholen, die 18 Jahre zurück liegen, überrascht dann aber sogar mich. Wenn nach zwei Wochen intensiven Schreibens das Geständnis meiner Säufer-Vergangenheit von jetzt auf gleich zu einem kategorischen Ausschluss meiner Person als potentieller Partner führt, darf man auch ´mal darüber sinnieren, was passiert und eventuell sonst noch alles möglich gewesen wäre, wenn ich mich an irgendeiner Stelle meines Lebens für Kaffee statt Bier entschieden hätte.

Letzten Endes ein Grund mehr, die Plörre zu hassen.