In einer Rangliste der meist überbewerteten Dinge der Welt würde Schwarmintelligenz allein deshalb nicht direkt auf Platz Eins landen, weil Einhörner und Gesellschaftswissenschaften eine letzten Endes doch zu starke Konkurrenz sind. Sollte überhaupt ein Beleg nötig gewesen sein, dass Schwarmintelligenz zwar eine nette Idee, aber kein besonders tragfähiges Konzept ist, habe ich ihn diese Woche gefunden.
Auf der Suche nach dem Grund, wieso alles immer zur gleichen Zeit kaputt geht, hat mir meine selbst gegebene spontane Antwort, dass ich eben alles kaputt kriege und somit bei mir immer irgendwas kaputt geht, wenn ich es in die Hand nehme, ausnahmsweise nicht gereicht.
Wenn mich allerdings die ersten beiden Treffer bei der Suchmaschine meines Vertrauens zum einen auf das Forum einer Partnerbörse, zum anderen auf ein österreichisches Esoterikforum leiten, ist Skepsis angebracht.
Wie erwartet oder genau genommen sogar schneller als erwartet bekomme ich den Beweis geliefert, dass solche Foren im Prinzip wie Schule sind: Die Einfältigsten bestimmen die Art der Auseinandersetzung. Das kann man aus einigermaßen plausiblen Gründen so handhaben, ist aber dann das Gegenteil von Schwarmintelligenz. Im vorliegenden Fall stellt ein Forist seinen Trick vor, wie er die Problematik umgeht: Alle wichtigen Gegenstände, vom Auto über Smartphone bis zum Gefrierschrank habe er doppelt. Im Falle eines Falles sei also Ersatz sofort zur Hand. Lebenserfahrung. Schließlich habe er alle genannten Geräte schon als Ersatz gebraucht.
Jetzt habe ich ja einen Sohn. Daher habe ich zufällig eine ungefähre Ahnung, auf welchem geistigen Entwicklungsstand solcherlei Gedankenspiele stattfinden. Daher weiß ich, dass man auch mit sechs Jahren und ohne nennenswerte Lebenserfahrung auf solche life hacks kommen kann. Daher weiß ich, dass solche Tipps von ähnlicher Güteklasse sind wie das Garen von Spiegeleiern oder gar Würsten auf einem Bügeleisen: Klar funktioniert das. Jedoch bin ich mir einigermaßen sicher, dass es weltweit recht wenig Orte gibt, an denen man keinen Herd zur Verfügung hat, dafür aber ein Bügeleisen. Aber für den Fall, dass der Herd einmal defekt ist, kann man sich den Trick ja merken. Voraussetzung ist dann natürlich, dass das Bügeleisen nicht ebenfalls kaputt ist.
In besagtem Esoterikforum ist das alles dann endgültig in Schwarmdummheit umgeschlagen. Dass die Seele eines Verstorbenen auf sich aufmerksam machen möchte, indem es Geräte zerstört, gehört zum Haarsträubendsten, das ich in letzter Zeit gelesen habe.
Und als aufmerksamer Mitleser in sozialen Netzwerken bin ich diesbezüglich einiges gewohnt.
Wie dem auch sei – Auto, Kombitherme, Smartphone, Zimmerbrunnen, Computer, elektrische Zahnbürste und Brille musste ich im letzten halben Jahr schon ersetzen. Dazu kommt ein eigentlich ebenso austauschwürdiges Knie, und der Hund hat mit seinen nunmehr 14 Jahren seine besten Zeiten ohnehin bereits hinter sich. Das sind zwar alles keine Sachen, die, wenn ich nur noch einen Tag zu leben hätte, auf der To-Do-Liste ganz oben stünden. Andererseits habe ich für den Fall, dass anderntags mein Ableben auf dem Programm stünde, sowieso keinen Masterplan, was ich mit meiner Zeit noch anstellen soll. Auch wenn es wahrscheinlicher ist, dass ich ohne Scheu vor größeren diesseitigen Konsequenzen noch ein paar Idioten über den Haufen schießen würde, kann ich daher nicht einmal völlig ausschließen, dass ich nicht am Ende doch genau solchen Unsinn noch regeln wollen würde. Okay, bestellen würde angesichts der Kürze der Zeit definitiv keinen Sinn mehr machen. Aber schnell noch eine Kleinigkeit einkaufen würde unserer Gesellschaft voll und ganz gerecht. Da mir letzten Endes egal sein könnte, wie lange die Geräte danach noch halten, hätten sogar alle Seiten etwas davon.
Womit freilich die Gesellschaft noch nicht vom Vorwurf entlastet ist, dass vorsätzlich Produkte minderer Qualität produziert werden. Denn dass zumindest in Kauf genommen wird, dass die Zeit eines Gerätes vorzeitig abläuft, ist so offensichtlich wie unvermeidlich, wenn das Zeug hauptsächlich billig sein soll. Vollendet ist das allerdings erst dann, wenn Marketing dafür sorgt, dass bald nicht nur bei Unterhaltungselektronik, sondern in allen Bereichen Güter schon ersetzt werden, bevor sie überhaupt die Gelegenheit bekommen, kaputt zu gehen.
Ob es etwas ändern würde, wenn ich im nächsten Leben nicht Sozialwissenschaftler, sondern Einhorn würde, weiß der Geier.
Vielleicht auch noch der Kuckuck.