Aufzeichnungen aus der Wirrnis des Alltags

Monat: Juli 2017

Schall und Rauch

Schall und Rauch

Insgeheim hatte ich meinen Lieblingspaketdienstleister immer bewundert für die erfolgreiche Umsetzung seines Konzepts, stets genauestens darauf zu achten, daß der IQ ihres fahrenden Personals einen gewissen Wert nicht übersteigt. Lästig für viele Kunden, aber beeindruckend in der Konsequenz, in der es durchgezogen wird.
Jetzt wurden diese Woche aber Ergebnisse einer Langzeitstudie veröffentlicht, in der die Autoren zu dem Schluss kommen, dass stundenlanges Autofahren sich negativ auf den IQ auswirke.
Volltreffer! Erkenntnisse sind immer exakt so lange gültig, bis der nächste mit neuen empirischen Tatsachen und deren Interpretationen um die Ecke kommt und alles bis dahin Gelehrte über den Haufen wirft. Dass bei den Lieferexperten eine gewisse geistige Immobilität Einstellungskriterium ist, kann also ab sofort als widerlegt gelten. Die werden nicht dumm eingestellt, die werden erst vom Arbeiten dumm. Ich bin beruhigt und besorgt zugleich. Angesichts solcher Erhebungen erscheint es plötzlich in einem komplett anderen Licht, wenn jemand stolze 25 Jahre Berufserfahrung als Kraftfahrer vorzuweisen hat.
Allerdings scheint der Abwärtstrend der Hirnleistung schon nach sehr kurzer Zeit in Gang zu treten. Die Fahrer jedenfalls, die dort abliefern, wo ich meinen Arbeitsalltag damit bestreite, Güter anzunehmen, zu kontrollieren und sachgerecht zu lagern, wirken noch allesamt recht jung. Gut – vom Elan jetzt nicht direkt, aber vom Aussehen. Man kann eben nicht alles haben.

Dabei kann ich über den ersten, der hier halbwegs regelmäßig vorbeikam, nicht einmal etwas Schlechtes sagen. Klar waren seine Deutschkenntnisse ähnlich hervorragend wie die seiner Nachfolger. Aber er wusste sich zu helfen. Nachdem sehr schnell klar war, dass er meinen Namen nicht unfallfrei in seinen Handscanner wird tippen können, hielt er mir das Ding unter die Nase, und den auf diese Weise von mir höchstselbst eingetragenen Namen hat er die folgenden Wochen problemlos wieder aufrufen können. Problematisch wurde es für ihn nur dann, wenn jemand anderes als ich die Sendungen angenommen hat.

Beim nächsten Kollegen habe ich das dann genauso machen wollen, aber der wusste am darauffolgenden Tag schon nicht mehr, wie er den Eintrag wieder auf den Bildschirm holt. Also habe ich es ihm überlassen. Der Anfang vom Ende: Aus dem nicht ganz richtigen „Ulsliga“ wurde das nicht unbedingt korrektere „Ulslig“. Als ich irgendwann selbst angefangen habe, mit diesem Alias und nicht mehr mit Oelschläger zu unterschreiben, sich also beide Seiten mit den Gegebenheiten irgendwie arrangiert hatten, musste ich mich auch schon bald an den nächsten Fahrer gewöhnen. Wie bei Stille Post wurden die Namen immer abenteuerlicher. Aus „Yshnega“ wurde „Qshnega“ wurde eines Tages einfach „Solu“. Da mein Brötchengeber so heißt, ist das zwar nicht völlig verkehrt, allerdings natürlich auch nicht ganz richtig.

Derweil ich anfing, mich auch am Telefon oder gegenüber Fahrern anderer Paketdienste als Herr Ulslig auszugeben, hat unser Kutscher bereits zum nächsten Schlag ausgeholt. Denn anstatt das mit Solu einfach ´mal stehen zu lassen, quittierte plötzlich immer ein gewisser Denis. Ich nehme an, diesen Move hat er unternommen, nachdem er ein kleines Schildchen am Tor gelesen hat, auf dem unter anderem die Namen der beiden Inhaber zu lesen sind. Sieht man darüber hinweg, dass üblicherweise mit dem Nachnamen unterschrieben wird, ist diese Vorgehensweise zumindest dann nicht verkehrt, wenn tatsächlich einmal im Jahr unser Boss persönlich am Tor steht und den Empfang bestätigt. In allen anderen Fällen bleibt es der gleiche Quark wie das Dummgebabbel mancher Zeitgenossen: Es wird durch ständige Wiederholung nicht richtiger.

Lösung heißt, wenn´s trotzdem funktioniert

Weshalb aus Denis dann aber seit kurzem ohne Not „Denis Bude“ wurde, weiß entweder nicht ´mal der Fahrer selbst oder es soll ein letzter verschlüsselter Hinweis für mich sein, auf mich aufzupassen. Menschen mit Erfahrung in solchen Angelegenheiten mögen mir an dieser Stelle bitte beim Dechiffrieren helfen. Denn falls ich auf irgendwelche Listen geraten sein sollte, würde ich es einfach gern wissen. Geht ja schnell. Man weiß zu viel. Oder man stellt zu viele Fragen. Wobei ich mir die sich eigentlich aufdrängenden Fragen wie „Hast Du Sie eigentlich noch alle“ sogar noch verkneife. Von mir gibt’s eher die Fragen mit tiefer gehendem Erkenntnisinteresse. Etwa: „Was habt Ihr denn da wieder geschafft“, wenn der Inhalt noch auf der Ladefläche aus dem aufgeplatzten Paket fällt.

Sachdienliche Hinweise, ob ich mein Leben dadurch verwirkt habe, werden also gern entgegengenommen. Ich möchte nämlich noch ein paar Jahre weiter hier tätig sein. Zumal seit wir seit kurzem eine neue Software nutzen, die alle Kollegen täglich aufs neue herausfordert. Herausforderungen sind das genaue Gegenteil von Autofahren. Man kann an ihnen wachsen. Wer mit diesem Programm zu arbeiten gezwungen ist, lernt zwangsläufig, eingetretene Pfade zu verlassen. Hier werden die Kollegen aus ihrer Komfortzone unsanft herausgezogen und nie mehr hineingelassen. Wenn beispielsweise bei erfolgreicher Stornierung eines Artikels aus einem Auftrag in dem einen Fall im Lagerbestand die entsprechende Reservierung aufgehoben wird, ein anderes Mal bei exakt derselben Vorgehensweise jedoch nicht, fehlt mir zwar momentan noch das Grundvertrauen in diese Anwendung. Aber man ist gefordert, das hält den IQ weit oben. Gut, den Stresslevel auch, aber lieber ausgebrannt als verblödet.

Es hat sich ja leider inzwischen durchgesetzt, jedes noch so simple Produkt, jede Dienstleistung gleich als Lösung zu bezeichnen, weil irgendwann findige Marketing-Experten darauf gekommen sind, dass Kunden Lösungen erwarten. Doch wenn dieser Lösung im Alltag mit Logik oder von mir aus auch einfach nur gesundem Menschenverstand nicht beizukommen ist, läuft irgendwo etwas gehörig schief. Nach meinem Verständnis sollte eine Leistung erst dann als Lösung verkauft werden dürfen, wenn Dinge wie die beschriebenen nicht mehr vorkommen. Und trotzdem stachelt das alles meinen Ehrgeiz nur weiter an. Denn ich glaube: Wer diese Software durchschaut, begreift am Ende sogar die Frauen. Und das haben – zumindest bei mir – 45 Jahre intensiven Studiums des Lebens nicht zu leisten vermocht. Ich spüre: So nah dran wie jetzt gerade war ich noch nie!

Für den wahrscheinlicheren Fall aber, dass ich doch irgendwann noch einmal in die Verlegenheit gerate, das Prozedere von Bewerbung samt Drumherum auf mich nehmen zu müssen, habe ich trotzdem erst einmal meine Tätigkeiten als Fahrer aus dem Lebenslauf eliminiert und an deren Stelle Auslandsaufenthalte eingefügt. Das bedeutet üblicherweise auch nicht viel mehr, als dass ein paar Monate hauptsächlich nichts gemacht wurde. Aber lieber den Verstand verfeiern als ihn irgendwo zwischen Raunheim und Dietzenbach auf der Strecke liegenlassen.

Text über ein vergleichsweise ernstes Thema

Speziell jetzt im Sommer kann man es wieder bestätigt sehen: Das Gras in Nachbars Garten ist immer grüner als das eigene. Genauso wie die Kirschen dort süßer schmecken. Dass der dümmste Bauer die dicksten Kartoffeln hat, weiß man sowieso. Doch glücklich ist derjenige, der sich von alldem nicht die Petersilie verhageln lässt.

Während der eine Teil der Leserschaft angesichts solch blumiger Formulierungen im ersten Absatz bereits weiterklickt, wissen die Zurechnungsfähigeren an dieser Stelle natürlich diese sublimen Hinweise dahingehend zu deuten, dass es im heutigen Blogeintrag um das Vergleichen gehen wird.

Obschon sich ohne das Vergleichen mit Anderen eine Persönlichkeit überhaupt nur schwierig bilden kann, ist es in der Szene der Ratgeber, Kalendersprüche-Aufsager und Persönlichkeitsentwickler vergleichsweise verpönt. Schließlich verhindert allzu eifriges Vergleichen mit anderen das Gedeihen eines normal ausgeprägten Selbstwertgefühls. Denn es findet sich logischerweise immer irgendwo jemand, der noch besser aussieht, einen wohler geformten Körper oder – für manche Männer ist das offenbar von Belang – stattlichere primäre Geschlechtsmerkmale vorzuweisen hat. Ich kann und will auch gar nicht von der Hand weisen, daß solches Messen an anderen auf Dauer nicht unbedingt glücklich macht. Dennoch ist es bloß die halbe Wahrheit. Ist doch von Kindesbeinen an das Nacheifern und Imitieren von anderen selbstverständlicher Bestandteil von Entwicklung, um Fertigkeiten und Eigenschaften überhaupt erst zu erlangen. Auch Erfahrungen, was normal ist und was außergewöhnlich, besser oder schlechter – das alles muss alles zunächst einmal erlernt werden. Und was für Kinder gut ist, kann für Erwachsene ja so schädlich nicht sein. Vielleicht lässt mit zunehmendem Alter der Ehrgeiz nach, sich wieder und wieder neue Ziele zu setzen. Man weiß ja inzwischen, was investiert werden muss, um sich zu entwickeln: Zeit, die man als Erwachsener nicht mehr hat. Mühen, die man nicht mehr auf sich nimmt, sofern die Sache einem nicht wirklich wichtig ist. Insofern wäre es vordergründig in der Tat schlauer, sich nicht mit anderen zu vergleichen.

Dummerweise bekommt man heutzutage nicht mehr nur den neuen Luxus-Schlitten des Nachbarn vor der Haustür präsentiert, sondern darf dank sozialer Netzwerke am süßen Leben selbst flüchtig Bekannter zuhause am Bildschirm teilhaben. Jeder versucht, sich von seiner besten Seite zu zeigen. Es setzt sich das Bild fest, nur das eigene Leben sei langweilig oder auf andere Weise minderwertig, während alle anderen eigentlich permanent unterwegs sind, feiern, hier fein essen gehen, dort ihren Körper fit halten und weiß der Geier noch alles Erstrebens- wie Nicht-Erstrebens-Werte tun.

Das ist in etwa so das Leben, das ich früher durch die Mattscheibe beobachtete, als ich noch Zeit hatte und daher allabendlich „Verbotene Liebe“ und „Marienhof“ im TV schaute. Die Charaktere dort hatten meistens trotz aufregender Jobs Zeit, sich jeden Nachmittag im „No Limits“ zu begegnen, interessante Gespräche zu führen oder einander aus der Patsche zu helfen, in die sie durch die Intrigen anderer Charaktere mit ebensoviel Zeit hineingeraten waren. Eindeutig spannender als Facebook, aber die hervorzuhebende Gemeinsamkeit ist: Das sieht gut aus. Das wirkt. Das gibt es so nicht. Das ist inszeniert. Dahinter steckt ein stinknormales Leben, von dem 99 Prozent eben nicht präsentiert wird. In sozialen Netzwerken werden nicht wenige zum Darsteller ihrer selbst.

Eine Krone ist nur ein Hut, in den es hineinregnet“ (Friedrich der Große)

Entsprechend lautet die erste Regel: Vergleiche lohnen sich nur, wenn alle Umstände berücksichtigt werden. Wenn ich als Beispiel den gegenwärtigen US-Präsidenten allein nach seinem Geld und seinem Einfluss beurteile, kann ich nur verlieren. Wenn ich dagegen seine soft skills berücksichtige, seinen Charme, seine emotionale Intelligenz oder seinen Intellekt, relativiert sich nicht nur einiges. Eher vieles. Würde man ihm einen Eimer voll Sand gegenüberstellen, würde bezüglich letztgenannter Eigenschaften der Eimer besser abschneiden. Das Ideal ist vor diesem Hintergrund vielleicht doch nicht so erstrebenswert.

Wenn ein Rockstar den Freitod wählt, der oberflächlich betrachtet ein Leben führte, das Generationen von Jugendlichen sich ersehn(t)en und als Gegenentwurf zum oben angeführten „Erfolgs“-Typ durchaus taugt, ist das aktuell ein weiteres eindringliches Beispiel für solcherlei Einsichten. Der andere hat dies. Hat das. Vielleicht hat er aber das andere gerade nicht, was man selbst aber hat.

Die gute Nachricht aus dem Hause Meilensteinbildhauer: Weder dass Vergleich zwangsläufig in Neid ausartet noch dass man sich immer nur aufwärts vergleichen muss, sind in Stein gemeißelte Tatsachen.

Doch was wird mir denn geboten, wenn ich den Blick nach unten richte und mich mit denen vergleiche, die vom Schicksal weniger begünstigt wurden. Richtig angewandt kann auch das den ein oder anderen Kopf gerade rücken, sollte er sich ´mal in einer Schieflage befinden und annehmen, es könne gar nicht mehr schlimmer kommen.

Es war um den Jahreswechsel 2000/2001 herum, dass ich nach einem Klinikaufenthalt zur Alkoholentgiftung mein Leben verhältnismäßig neu sortieren musste. Zu jener Zeit hatte ich eigentlich jederzeit damit zu rechnen, dass irgendeine Kleinigkeit die Skepsis an dem eigentlich als Befreiung empfundenen neu eingeschlagenen Weg beförderte. Etwa weil ein falsches Wort zur falschen Zeit mir beziehungsweise meinem Unterbewussten signalisierte, daß mir nun eben nicht sehr viel mehr Möglichkeiten offen stehen als vorher. Daß es mir unterm Strich mitnichten besser geht als vorher, sondern ich den Rest meines noch damals noch relativ jungen Lebens als spaßbefreiter Trottel lebe. In diversen Selbsthilfegruppen, die ich seinerzeit besuchte, habe ich zum Teil wirklich heruntergerockte Menschen angetroffen, bei denen die Probleme trocken erst richtig angefangen haben. Das war damals nicht das, was ich mir erhofft hatte. Es war auch eher nicht das Ziel, das man in einer Selbsthilfegruppe verfolgen sollte. Andererseits konnte ich mich angesichts der dort vorherrschenden „Schlimmer geht immer“-Mentalität kaum dagegen wehren, mich besser zu fühlen als das Gros der anderen Teilnehmer. So sehr ich mir eventuell auch etwas anderes für diese Leute gewünscht hätte.

Streng genommen ging und geht es allerdings jedem einzelnen dieser Menschen noch deutlich besser als manch anderem. Weil sie zum Beispiel abends ein warmes Bett und eine ebensolche Zudecke haben, dazu ein Dach über dem Kopf. Und das Wasser für den Kaffee, der in diesen Gruppen exzessiv konsumiert wird, kommt aus dem Hahn und muss nicht erst aus einer verunreinigten Quelle an einem mehrere Kilometer entfernten Ort zu Fuß herbeigeschafft werden.

Vielleicht denkt der eine oder die andere daran, wenn es wieder einmal nicht so läuft. Oder an den folgenden Spruch von Jemandem, der für viele Lebenslagen einen Spruch auf Lager hat (nein: nicht Gung): „Hast Du einen Garten und eine Bibliothek, dann hast Du alles, was Du brauchst.“ (Cicero)

Willkommen im Sommerloch

Man kann mir vieles vorwerfen, aber sicher nicht, dass ich einen Megatrend wie das Sommerloch ignoriere. Passend dazu liegt auch hinter mir eine Woche, die als ereignisarm zu bezeichnen wahrscheinlich wieder ´mal die knallharten Fakten arg beschönigen würde. Daß mir meine Samstagnachmittag-Verabredung kurzfristig gecancelt wurde, hat die Stimmung dann auch nicht unbedingt unnötig aufgehellt. Wenigstens hat es auf der Arbeit immerhin bis Mittwoch gedauert, bis ich das erste Mal den Tränen nahe gewesen bin. Sollten die beiden Urlaubswochen überhaupt irgendetwas gehabt haben, das man ohne Tatsachen zu verdrehen als Erholungsfaktor bezeichnen darf, kann man sicher sein, dass er sich an diesem Tag in Staub aufgelöst hat.

Und dann muss ich auch noch im Nachhinein mit Entsetzen feststellen: Nicht nur den Internationalen Tag des Kusses oder drei Tage später den Tag des Rock´n´Roll habe ich in den letzten Wochen einfach verpasst, ohne den jeweiligen Leitgedanken jener Tage ansatzweise gerecht zu werden. Auch der Brate-Eier-auf-dem-Gehweg-Tag ist an mir vorübergegangen.

Und was hatte ich mich auf den gefreut..!

Nehmt es mir bitte nicht übel, aber hier sei dann doch die Frage gestattet: Hat die Welt nichts Wichtigeres zu tun als jeden Sack Reis, der irgendwann einmal umgekippt ist, mit einem eigenen Tag zu ehren? Zugegeben: Vielen der genannten Tage ist der Weg ins allgemeine Bewusstsein bislang verdientermaßen eher versperrt geblieben. Das lässt hoffen. Zumindest für den Teil der Welt, der nicht die USA sind, in denen die meisten dieser sinnbefreiten Tage ihren Ursprung haben. Dennoch: Vom intellektuellen Zentrum des Erdballs möchte ich einfach ein wenig mehr erwarten können als das Erfinden von Ereignissen, die so nützlich sind wie ein Arschloch am Ellenbogen.

Allein heute am Tag der Veröffentlichung dieses Textes feiert man bei unseren Lieblings-Verbündeten den Tag der frittierten Maisplätzchen sowie den Nationalen Eiscreme-Tag. Weltweit gesellt sich der Tag des frischen Spinats dazu. Der Speiseplan für den heutigen Tag steht demnach. Zumindest was das Eis betrifft. Einen kurzen Moment lang habe ich tatsächlich auch überlegt, das vorbereitete Essen zugunsten des Spinats und der Maisplätzchen einzufrieren und am 6. März wieder aufzutauen, wenn der Tag der Tiefkühlkost einen mehr als würdigen Rahmen dafür bietet.

Allerdings ist der Sonntag von allen Tagen der denkbar ungünstigste, um irgendwo frischen Spinat zu erstehen. Außerdem erinnern mich Maisplätzchen an meine gestrige geplatzte Verabredung für das Mais-Labyrinth. Was nun auch wieder nicht sein muss. Außerdem weiß ich nicht einmal genau, was Maisplätzchen sind. Also doch her mit dem guten Essen! Ich möchte damit nicht bis zum 19. 11. warten, wenn der Tag der Suppe mir die Brühe dann fast schon auf den Einkaufszettel diktiert.

Derweil ich die Suppe löffle, freue ich mich auf den Tag des Junk-Foods am kommenden Freitag (21. 7.) Solche wichtigen Termine gehen nämlich unter in der Masse der nebensächlichen Tage.

In letztere Kategorie fällt für mich auch der Wenn-Haustiere-Daumen-hätten-Tag (3. 3.). Auch wenn ein gewisser Reiz nicht zu leugnen wäre, wenn die Viecher sich im Haushalt ein wenig nützlich machen oder gar eigenes Geld verdienen könnten. Aber für solche Gedankenspiele einen kompletten Tag zu reservieren, ist schon eher etwas für Leute, die nicht alle Kekse in der Dose haben.

Es hätte der Bestätigung durch den Kalender nicht unbedingt bedurft, aber es kann den Menschen nicht wirklich schlecht gehen, solange es einen Dirty-Dancing-Tag zu feiern gibt (21. 8.).

Heute ist ein guter Tag zum Leben

Dabei sollten nicht wenige solcher Mottotage von ihrem Ursprungsgedanken her die Erde zu einem besseren Ort machen. Erwähnt seien hier beispielsweise der Weltbummeltag (19. 6.), der Weltlachtag (1. Sonntag im Mai) oder der Ich-liebe-meinen-Zahnarzt-Tag (2. 6.). Weil das indessen nur suboptimal funktioniert, sollen sie wenigstens Kaufanreize schaffen. Auch das ist allerdings teils fragwürdig gelöst, wie ich finde. Bei den Nahrungsmitteln ist es soweit klar, vor allem wenn es darum geht, sich zu besaufen (z. B. Bier 3. 8., Champagner 4. 8.). Bei Toilettenpapier (26. 8.) oder Hängematte (22. 7.) ist ebenso alles noch schlüssig. Ob aber der Internationale Tag der Tuba (4. 5.) wirklich eine messbare Anzahl von Menschen dazu animiert, über den Kauf dieses Instrumentes wenigstens kurz nachzudenken – ich würde es nicht unbedingt unterschreiben.

Was fehlt? Es hätte mich zwar irgendwie gewundert, wenn nicht, aber selbst einen Das-Chaos-nimmt-kein-Ende-Tag gibt es (9. 11.), wirft aber umgehend die nächsten Fragen auf. Denn was bitte genau soll an diesem Tag zelebriert werden? Und wie? Und reicht es nicht aus, einer Arbeit nachzugehen, bei der man exakt solche Tage ohnehin in ausreichender Anzahl hat?

Doch sollte ich eines Tages die Gelegenheit haben, einen solchen Gedächtnistag ins Leben rufen zu dürfen – eine Idee gäbe es, welche ich ohne zu zögern umsetzen würde: Einen Tag des grandiosen Scheiterns. Nicht um sich selbst zu quälen, indem frustrierende und daher oft bereits erfolgreich ins Unterbewusste verbannte Momente erneut in Erinnerung gerufen werden. Sondern um sich zu besinnen, dass unter Umständen das Scheitern die wertvollere Erfahrung ist als etwas gar nicht erst versucht zu haben. Weil man darüber hinaus anschließend immerhin weiß, wie es nicht funktioniert, erspart man sich demnach wenigstens, einer Mücke gleich stur dem Sonnenlicht folgend immer wieder gegen die verschlossene Scheibe zu stoßen.

Nachdem somit auf den letzten Meter doch noch ein Hauch von Tiefsinn in diesen Beitrag integriert wurde, habe ich mir mein heutiges Eis wenigstens verdient. Ansonsten bitte unabhängig davon, was, wer und warum an welchem Tag auch immer gefeiert wird, am besten jeden Tag dem Spruch von Cicero folgen: Wer den Tag mit einem Lachen beginnt, hat ihn bereits gewonnen.

Reif für die Arbeit

Dass zwei Wochen zur Regeneration der Arbeitskraft eine bescheidene Dauer sind, bedarf hoffentlich für niemand mit durchschnittlich klarem Verstand besonderer Erläuterung. Ob ein Zeitabschnitt solcher Größenordnung schneller oder langsamer vorübergeht, wenn der Aufenthalt statt auf dem Berg oder am Strand vor der Haustür stattfindet, vermag ich leider selbst jetzt nach Ablauf dieser Zeit nicht begründbar zu sagen. Angesichts problematischer monetärer Ausgangssituation war das Unternehmen allerdings auch eher Alternativlosigkeit anstelle echter Willensentscheidung.

Wie dem auch sei – jede Medaille hat ihre zwei Seiten. Wer daheim bleibt, umgeht wenigstens die Problematik, dass wo immer man auch hinkommt, die Deutschen schon dort sind. Zumindest aber schon einmal dort waren. Einerlei ob mit der Armee oder mit einem anderen Reiseveranstalter. Viel schlimmer wiegt: Offenbacher sind sowieso überall. Und haben im Allgemeinen mit den anderen Deutschen wenigstens dafür gesorgt, dass man sich am fremden Ort nicht mehr groß benehmen muss, weil der Ruf seitdem ohnehin ruiniert ist. Ein bisschen so wie ältere Geschwister ´mal mehr, ´mal weniger subtil Grenzen überschritten, um die neuen Standards fortan auch für ihre kleinen Brüder und Schwestern durchzusetzen. Schöner ist eigentlich lediglich, auf kulturelle Eigenheiten anderer Länder gar keine Rücksicht nehmen zu müssen, weil man sich zuhause sowieso alles gestattet. In Offenbach selbst hingegen mit inzwischen 158 vertretenen Nationen atmet man den Duft der großen weiten Welt ohnehin mit beinahe jedem Schritt, den man tut. Folgerichtig ist ein Aufenthalt in dieser schönsten aller Städte ein mehr als geeignetes Substitut für Fernweh, das Fest der Vereine entsprechend ein gelungener Auftakt für die darauf folgenden beiden Wochen gewesen.

Wer es kulinarisch nicht exotisch, sondern konventionell mag, schätzt am Zuhausebleiben genau das: Keine Experimente. Auch der Hund muss nicht erst noch irgendwo angebunden werden, sondern bleibt einfach genauso daheim wie man selbst. Baustellenlärm, verregnete Tage und heruntergekommene Unterkünfte hat man vor Ort; sich darüber zu ärgern, muss man also nicht mehrere Tausend Kilometer weit reisen. Verlorenes Gepäck gibt es so gut wie gar nicht, lästige Entscheidungen über das, was mitkommt und das, was hierbleibt entfallen. Ich gebe zu, dass letzterer Aspekt erst dann richtig zur Entfaltung kommt, wenn man mit Partnerin daheim bleibt. Insofern muss man sich auch nicht rechtfertigen, dass man mit dem Buch nur bis Seite 42 gekommen ist. Hat keinem wichtigeren Utensil Platz oder Gewicht weggenommen.

Ein Nachteil: Geheimtipps existieren in der näheren Umgebung so mehr oder weniger nicht mehr.

Das Cocktailglas am Strand

Eine weitere Kehrseite des Urlaubs zuhause ist, dass man nicht einfach am Ende 30 Euro für die Endreinigung bezahlt und danach die Bude wieder auf Vordermann ist. Sondern dass man ja im Gegenteil permanent denkt: Ach, das könnte ich ja jetzt endlich einmal in Angriff nehmen. So muss man sich selbst in den verlängerten Rücken treten, um gerade nicht ständig zwischen Baumarkt, Haushalt und Baumarkt zu rotieren. Habe ich schon erwähnt, wie glücklich ich bin, nicht mehr zusätzlich einen Garten versorgen zu müssen?

Was dafür definitiv entfällt, ist der Stress vor und nach dem Urlaub, um zum Beispiel alles das erledigt zu haben, was eben dringend noch gemacht werden muss, bevor man wegfährt, und wofür man normalerweise mindestens zwei Tage Urlaub vor dem Urlaub veranschlagen muss.

Dank sozialer Netzwerke braucht die Berichterstattung heutzutage nicht mehr bis zur Heimkehr warten, sondern kann man dem Bekanntenkreis sofort Bilder von der Action liefern. Hier, im Konkurrenzkampf mit den echten Urlaubern um das knappe Gut Aufmerksamkeit, offenbart sich dann letzten Endes die größte Schwäche der Ferien im eigenen Nest: Für die Kollegen reichen zwei Fotos eines Cocktails vor der Kulisse eines kilometerlangen Strandes aus, umgehend fünftausend Freunde dazu zu animieren, gute Erholung zu wünschen. Das eigene Posting von der Feldbergwanderung müsste dagegen schon extra fett mit den Worten „Endlich Urlaub“ und mindestens fünfzehn Ausrufezeichen garniert werden, damit die Leute überhaupt wahrnehmen, dass sich da gerade etwas vom Alltag unterscheidet. Das Loop5 ist nun einmal nicht die 5th Avenue, der Kahler See nicht annähernd zu vergleichen mit der Costa Dorada, und Dietzenbach ist so ziemlich alles, nur keine Reise wert. Unterm Strich ist das Beste an dieser Stadt wohl die Nähe zu Offenbach. Das freilich ist kein Alleinstellungsmerkmal. In diesem Sinne: Seid froh, liebe Dietzenbacher, dass das hier kein Reiseblog ist.

Was bleibt festzuhalten, jetzt nachdem ich mich von den Strapazen der Rückreise nicht erholen musste? Ich habe die Gelegenheit, Land und Leute kennenzulernen, nicht in dem Maße wahrgenommen, wie die Menschen hier es eigentlich verdient hätten. Ich denke nämlich, in vielen wesentlichen Punkten sind wir einander nicht unähnlich. Gegen einen kleinen Urlaubsflirt hätte ich deswegen nichts Grundsätzliches einzuwenden gehabt. Das sonst übliche Problem mit solchen Abenteuern, dass die Romanze aufgrund der speziellen Ferienstimmung an diesen einen bestimmten Ort gekoppelt ist, hatte ich ja mit der Auswahl des Urlaubszieles an und für sich geschickt umgangen. Aber am Ende hat mir wahrscheinlich wieder die sogenannte Basis-Entspannung gefehlt, diesbezüglich jemand für mich einnehmen zu können.

Zusammengefasst: War nett, aber ich muss nicht jedes Jahr hin.

Nur nichts dem Zufall überlassen

Man wird es schlecht überprüfen können. Andererseits: Will man es überhaupt wissen? Vor allem wird man schlecht sagen können, daß man es sich dann lieber anders überlege. Konkret: Wenn man es vorher wüsste, was die Leute nach der Verabschiedung in Richtung Ewiger Jagdgründe über einen sagen werden – beraubte man sich damit nicht auch noch der allerletzten Illusionen über das eigene Dasein? Würde durch solches Insider-Wissen das eigene Schicksal nicht nur unausweichlich, sondern darüber hinaus reichlich desillusionierend? Gemeint ist nicht die unmittelbar erste Zeit von Bestürzung, Schock und Trauer, während der in der Regel alle Beteiligten eine gewisse Neigung zu Textbausteinen mit Arbeitszeugnis-Charakteristika pflegen und dies auch sollen und dürfen. Aber nach einer Weile wird diese Phase von einer Erinnerung abgelöst, die ungeschminkter ist. Zu der Problematik also, daß man nicht weiß, was einen „danach“ erwartet, kommt die Unmöglichkeit der Kontrolle, in welcher Erinnerung genau man bleibt.

Den Mensch zeichnet es im Gegensatz zu anderen Tieren ja aus, daß er mehr als nur dieser einen einzigen Bestimmung, nämlich der Reproduktion seiner Art folgt. Wir kennen das unter dem Stichwort Selbstverwirklichung. Oder anderen Begriffen aus integren wissenschaftlichen Disziplinen wie Psychologie, Philosophie oder Astrologie, die dasselbe meinen. Eng verwoben mit der Frage nach dem Sinn des Lebens sind ja auch die Fragen, was und wie viel von meinem Wirken lebt fort? Letzten Endes möchte man neben seinem Kadaver, einem Haufen Schulden sowie jeder Menge überflüssigen Hausrat irgendetwas Nachhaltiges hinterlassen, ausreichend substanziell, ein paar weitere Jahre zu überdauern. Die Frage: Wie komme ich ´rüber? erlangt in diesem Zusammenhang eine neue Bedeutung.

Ich zum Beispiel werde bekanntlich bereits zu Lebzeiten mit Urteilen charakterisiert, die völlig zurecht so getroffen werden und die mir auch ein wenig schmeicheln. Selbstverständlich nicht um damit zu prahlen, sondern zur Veranschaulichung eine kleine Auswahl:

a) „Er hat den Begriff Coolness nicht neu, sondern überhaupt erst definiert.“

b) „Zur Integrationsfigur im besten Sinne macht ihn, daß er Menschen aus seiner Umgebung, die sich neben ihm eigentlich klein und unbedeutend fühlen müssten, mitnimmt und animiert, ähnlich großartig zu werden wie er selbst.“

c) „Mehr als er zuzugeben bereit ist, macht ihm zu schaffen, permanent auf seinen Körper reduziert zu werden.“

d) „Immer bescheiden geblieben.“

Das sind doch Aussagen, die man später gerne über sich hören würde, wenn man sie dann noch hören könnte.

Um den Konjunktiv noch ein wenig auszureizen: Natürlich könnte es einem nach dem Tod auch gerade ´mal egal sein, was über ihn gedacht und geredet wird. Solche Souveränität freilich wäre – und ab hier wird es ernst – überdies nicht die schlechteste Taktik für das Leben vor dem Tod. Wenigstens solange man selbst hinter dem steht, was man tut. Oder unterlässt.

Demgegenüber steht die Ansicht, daß ein jeder irgendwie doch die Bestätigung durch andere sucht. Man streitet zumindest darüber, ob dem so sei.

Gleichgültig, ob man dieser Annahme folgt, muss zugestanden werden, daß die Persönlichkeit zumindest keinen Schaden nimmt, wenn man seine guten Eigenschaften, Fähigkeiten und Fertigkeiten ins Schaufenster stellt. Vorausgesetzt freilich, man macht sich vom Schulterklopfen der Anderen nicht abhängig. Weiterhin vorausgesetzt, man hat auch etwas zu präsentieren. Was ich der Einfachheit halber vorausgesetzt habe. Und das obwohl ich es eigentlich besser weiß. Wie meistens. Weil nämlich bei etlichen Menschen eben mitnichten ein relevanter Beitrag für die Allgemeinheit zu erwarten ist.

Nicht den Tod sollte man fürchten, sondern daß man nie beginnen wird zu leben“

Viele Kinder wurden wahrscheinlich nur aus einer dunklen Ahnung zumindest eines Elternteils heraus gezeugt, daß einer bedeutungslosen Existenz zu Lebzeiten ein nicht minder tristes Dasein nachher folgen wird. Das Motiv, nach dem Tod in einem anderen Wesen weiterzuleben, sollte demnach nicht unterschätzt werden, wenn wir von Wunschkindern sprechen.

Es liegt auf der Hand, daß die unterschiedlichen Rollen, die wir zu Lebzeiten einnehmen, zu unterschiedlichen postmortalen Urteilen führen werden. Mein Sohn wird anderes über mich zu erzählen wissen als ein Kollege, dieser wiederum anderes als ein Vereinskamerad. Zumindest hoffe ich inständig, daß dem so sein wird. Und hoffentlich auch alle respektvoll. Und ich glaube nach wie vor daran, daß das alles sich beeinflussen lässt. Ein kleines Stück weit wenigstens. Wie? Immer noch am besten durch Tun. Vorleben statt Voll-Labern! Sicher mag es im Einzelfall für andere Mitglieder dieser Gesellschaft ein großer Vorteil sein, daß manche über das berühmte „Man müsste ´mal…“ nicht hinaus kommen. Ich bleibe trotzdem bei der Einschätzung, daß hierin nicht der einzige, aber vielleicht ein wichtiger Schlüssel liegt, in guter Erinnerung zu bleiben. Doch überprüfen werde auch ich das nicht können.

Als der Sache förderlich könnten sich auch von Zeit zu Zeit anstehende Selbstvergewisserungen erweisen, ob man noch halbwegs im Einklang mit gesteckten Zielen und anderen Vorhaben ist. Man könnte auch formulieren: Ob man noch lebendig ist. Oder ob man so ziemlich alles, was einem mal wichtig gewesen ist, aus den Augen verloren hat und bloß noch vegetierend auf den Feierabend, das Wochenende, den Urlaub und schließlich das Ende wartet.

Ich will die Leute intelligent unterhalten. Im Alltag sowieso, aber auch hier im Blog. Gute Unterhaltung – das soll zeit meines Lebens der Kern sein, weshalb man gerne Zeit mit mir verbringt. Nicht immer, aber so oft es sich anbietet, möchte ich dabei lachen. Da entdecke ich noch manches Verbesserungswürdige. Auch weil das Leben eben nicht immer zurücklächelt, wenn man selbst dies tut. Es gibt also einiges zu tun bevor ich die Bühne des Lebens verlasse.

Ich hoffe daher, ich habe dafür noch ein bißchen Zeit.

Präsentiert von WordPress & Theme erstellt von Anders Norén