Aufzeichnungen aus der Wirrnis des Alltags

Monat: Februar 2019

Deine Mutter

Eigentlich bräuchte ich mich über nichts wundern.

Dieser Satz beschreibt mein gestörtes Verhältnis zum Rest der Gesellschaft nahezu perfekt und stellt in dieser Eigenschaft sozusagen ein Bonmot für jede Lebenslage dar, so universell anwendbar, dass er beinahe jeden meiner Blogeinträge mehrfach schmücken könnte.

Das aber nur am Rande. Ursprünglich sollte die Einleitung anders lauten: Eigentlich nämlich bräuchte ich mich nicht darüber wundern, dass ich als jemand, der in vielerlei Hinsicht als Spätzünder bezeichnet werden kann, erst mit Ende 20 begriffen habe, dass ein Satz, der mit den Worten „Man müsste ´mal“ eingeleitet wird, niemals eine verbindliche Absichtserklärung ist. Eher schon eine Art Gebet, dass sich bitte jemand anderes um das Angesprochene kümmern möge.

Dass ich diese Erkenntnis zeitlich relativ exakt einordnen kann, liegt an meinem Kumpel, mit dem ich seinerzeit das Vergnügen hatte, eine Wohnung zu teilen. In Bezug auf diesen rhetorischen Evergreen war er der oft kopierte, aber nie erreichte Experte. Je länger unser gemeinsames Zusammenleben andauerte, umso klarer wurde mir, dass ich einen von ihm auf diese Weise begonnenen Satz nur als Handlungsaufforderung an mich selbst interpretieren durfte, weil er sich mit Sicherheit nicht darum kümmern würde.

Es kam der Tag, an dem weder ich noch die Anrufung höherer Instanzen wie Götter, Feen oder Flaschengeister helfen konnten: Wollte er nicht riskieren, dass seiner neuen Freundin beim Anblick seines Zimmers plötzlich einfällt, dass sie noch etwas dringendes zu erledigen habe, woraufhin sie sich nie wieder melden würde, musste er es wohl oder übel selbstständig aufräumen.

Um es kurz zu machen: Ich habe unseren Flur, der an sich schon kein Hort der Ordnung gewesen ist, nie so vollgemüllt gesehen wie an diesem Nachmittag. Einfach alles, wofür er in seinem Zimmer auf die Schnelle keinen festen Platz gefunden hat, wurde uninspiriert in die Landschaft zwischen den einzelnen Räumen befördert.

Wie sich irgendwann herausstellte, hat er seiner Freundin erzählt, dass das alles meine Sachen wären. Wie eingangs erwähnt: Eigentlich bräuchte ich mich über nichts wundern. Ich weiß nicht, wem er diese Story sonst noch alles aufgetischt hat. Ebenso wenig weiß ich, wer von denen ihm das geglaubt hat. Was ich aber weiß: Dass er es seiner Mutter erzählt hat und die es ihm natürlich abgekauft hat, weil Mütter eben so sind. Selbst bis an diesen Punkt hatte ich mich noch darüber amüsieren können. Gekippt ist die Stimmung allerdings in dem Moment, als sie mich ansprach, wie ich ihrem Sohn zumuten könne, in so einem Saustall zu leben, und darauf ernsthaft eine Antwort von mir erwartete.

Später an diesem Tag hatten mein Mitbewohner und ich daraufhin Gesprächsbedarf. Ob dieser Abend letzten Endes der erste Schritt in Richtung Auseinanderleben war, ist schwierig zu rekonstruieren. Fakt jedoch ist: Die gemeinsame Zeit, darunter natürlich auch etliche schöne Momente, ist lange Geschichte. Geblieben ist auf meiner Seite

  • die seitdem nie wieder wirklich in die andere Richtung gekippte Stimmung,
  • eine gehörige Portion Misstrauen gegenüber anderen Mitgliedern dieser Gesellschaft, sofern es sich bei ihnen nicht um meine eigene Mutter handelt,
  • die Skepsis gegenüber einem Satzanfang, der ja nicht aus der Welt geschafft ist, bloß weil ich mit meinem damaligen Mitbewohner nichts mehr zu tun haben will.

Auch wenn ich bei manchen Zeitgenossen an und für sich sehr froh bin, dass sie ihrem „Man müsste ´mal“ keine Taten folgen lassen, bleibt es eine Phrase mit konstant hohem Nerv-Faktor. Was kann ich denn schon noch von einer Ankündigung erwarten, in der die möglichen Subjekte des Handelns durch ein unspezifisches „man“ substituiert wurde?! Viel schneller kann man sich von einem Vorhaben im Grunde nicht distanzieren.

Weil man sich – siehe oben – ohnehin über nichts wundern darf, sollte man auch nicht allzu überrascht sein, wenn die Welt nicht so schwarz/weiß ist, wie man sie gern gezeichnet hätte: Viele erfolgreiche Ideen waren ursprünglich auch nicht viel mehr als ein „Man müsste ´mal“ zwischen zwei kräftigen Schlucken Bier. Umgekehrt sind viele mit wehenden Fahnen und der Erkenntnis untergegangen, dass „einfach ´mal machen“ allein noch kein Garant für ein erfolgreiches Projekt ist. Als jemand, der im Leben tatsächlich schon einige Male gescheitert ist, weiß ich, wovon ich rede.

Um dem Pessimisten in mir aber nicht das letzte Wort zu überlassen, habe ich zum Abschluss noch einige Man-müsste-Mals, die immer gehen: Wieder lachen. Wieder Kind sein. Von einer besseren Zukunft nicht nur träumen.

Wobei Träumen für viele ja wenigstens ´mal ein Anfang wäre.

Alt, aber desillusioniert

Eines steht ab der ersten Zeile fest: Wenn man gerade Geburtstag hatte und dann einen Text über das Älterwerden verfasst, wird man keine Preise für besondere Originalität erwarten dürfen.

Was ich allerdings gern erwarten dürfen würde: Dass manch jüngerer Kollege sich wenigstens die paar Sekunden lang, in denen er mir zwecks Gratulierens seine Aufmerksamkeit zukommen lässt, seinen jeweiligen eigenen Beitrag zur Beschleunigung meines Alterungsprozesses bewusst macht.

Würde man beschließen können, ab einem bestimmten Alter einfach über den Dingen zu stehen, könnte ich irgendwann auch ohne einleitende Kollegenschelte befriedigende Texte schreiben. Doch gelangt man, so man sich mit dem Älterwerden befasst, schnell an den Punkt, den ich wie folgt umschreiben würde: Die Welt ist eben, wie sie ist. Leider ist man noch nicht alt genug, dass einem alles komplett egal sein kann. Aber eben doch alt genug, um sich keinen überflüssigen Illusionen mehr hinzugeben. Frieden und Gerechtigkeit auf der Welt ist für ältere Menschen genauso vom Tisch wie die Vorstellung, Eintracht Frankfurt noch einmal als Deutschen Meister erleben zu können.

Genug lamentiert. Schließlich stecken dahinter auch etliche Chancen. Man könnte das Wissen um die Unveränderbarkeit beispielsweise dafür nutzen, sich weniger aufzuregen, wenn es ja sowieso nichts bringt. Keine Erwartungen – keine Enttäuschungen. So geht Altwerden heute! Wurde Zeit, dass man sich auch einmal der Vorteile des Alterns bewusst wird!

Nun ist die Welt mit dieser Sichtweise zwar leichter zu ertragen, wird aber von einem entscheidenden Nachteil getrübt, der sich auf folgende Formel bringen lässt: Man hat keine Visionen, Erwartungen und Hoffnungen mehr.

Genau genommen kann man auf ähnliche Weise fast jeden Vorteil, den man als älterer Mensch hat, relativieren. Weiteres Beispiel: Älteren Personen wird eher nachgesehen, wenn sie ´mal etwas vergessen. Demgegenüber steht als Nachteil zu verbuchen, dass man im Alter vergesslicher wird.

Alles eine Frage der Perspektive also? Zumindest eine Sache kann als Gewinn verbucht werden, ohne dass sich durch die Hintertür ein Nachteil hereinschleicht: Man kann in Bus und Bahn sitzenbleiben, wenn es darum geht, noch älteren Menschen einen Sitzplatz anzubieten. Generell kann man immer öfter sagen: Das sollen jetzt ´mal die Jungen machen. Dieser Satz ist die Zauberformel, mit dem Senioren und solche, die es bald werden wollen, jede noch so harmlose Aufgabe abschmettern können. Vor allem impliziert sie, dass die Betreffenden früher selbstverständlich am lautesten „Hier!“ gerufen haben, wenn Freiwillige für Überstunden und Doppelschichten oder das Wenden von Grillgut auf dem Sommerfest des Sportvereins gesucht wurden, selbst wenn sie sich vor all diesen Dingen regelmäßig erfolgreich gedrückt haben.

Überprüfen kann es eh keiner mehr: Die Jüngeren waren nicht dabei, die Älteren können sich bereits nicht mehr richtig erinnern. Genau jetzt ist die Zeit, in der Helden gemacht werden.

Man kann als alter Mensch mit beeinträchtigtem Sehvermögen ohne Verlust der Glaubwürdigkeit behaupten, man habe jemanden gar nicht gesehen, obwohl man einfach nur überhaupt keinen Bock auf ausgerechnet diese Person und deshalb einfach in eine andere Richtung geschaut hatte, als sie zwei Meter vor einem aufgetaucht war. Auch diese Medaille hat eine Kehrseite: Man sieht nämlich oftmals tatsächlich schlechter. Und selbst für den Fall, dass das Manöver gelingt, weil der andere genauso schlecht sieht oder einfach nur genauso wenig Lust auf genau diese Begegnung hatte, kann man davon ausgehen, dass man sich wenig später ohnehin wieder trifft, weil man nämlich das selbe Ziel hat.

Also hat man anschließend in der Warteschlange der Apotheke, des Augenoptikers oder im Wartezimmer der Arztpraxis ausreichend Zeit, sich ausführlichst auszutauschen. Denn dort begegnet man sich im fortgeschrittenen Alter. Fast so wie man sich früher auf Konzerten oder in Kneipen traf. Nach wie vor hat man zumindest ähnliche, bloß eben wesentlich uncoolere Anliegen. Allein das sollte Ansporn genug für einen gesunden Lebensstil sein, um das Aufsuchen solcher Örtlichkeiten so gut und so lange es geht zu vermeiden.

Dabei sind sich Arztpraxen und Schankwirtschaften ähnlicher als auf den ersten Blick ersichtlich: Beides sind Orte der Begegnung. In dieser Funktion trifft man dort wie beschrieben zwangsläufig auch ´mal auf Menschen, die man streng genommen eher nicht gebraucht hat. Und es gibt einen Tresen. Im direkten Vergleich riecht die Arztpraxis meist etwas seltsamer, aber eigentlich würde es keinen Unterschied machen, wenn beispielsweise beim Proktologen Bier ausgeschenkt würde. Für viele Patienten wären damit mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Die Angst vor einem unangenehmen Termin wäre gelindert; wichtige Vorsorgeuntersuchungen würden regelmäßig wahrgenommen, womöglich sogar häufiger als empfohlen.

Da niedergelassene Ärzte allenthalben darüber klagen, dass man durch eine eigene Praxis schon seit langem nicht mehr seinen Lebensunterhalt bestreiten kann, könnte man den kargen Erlös aus einem solchen Unternehmen zusätzlich steigern, indem man dort Geldspielautomaten aufhängt und den Patienten damit einen sinnvollen Zeitvertreib während ihrer Wartezeit ermöglicht.

Es würde sich endlich wieder lohnen, Arzt zu werden. Und wenn es genug Ärzte gibt, ist letzten Endes auch uns allen geholfen. Wir brauchen Menschen, die die Haltbarkeit anderer Menschen verlängern. Es gibt schon genug Dinge, die nach nur kurzer Zeit der Nutzung wieder entsorgt werden.

Irgendwie beruhigend, dass die Fähigkeit, mit analytischem Sachverstand gesamtgesellschaftliche Probleme zu erfassen und dafür Lösungen zu entwickeln, von denen alle Beteiligten etwas haben, im Alter nicht zwangsläufig nachlässt. Auch wenn diese Lösungen niemand hören will.

Entspannt ausrasten

Früher war nicht alles besser. Technischen Schnickschnack mit fragwürdigem Nutzen beispielsweise gab es auch schon lange bevor unsere Wohnungen smart wurden. Klassisches Beispiel hierfür ist die Schlummertaste des Weckers.

Man tritt der Schlummertaste garantiert nicht zu nahe, wenn man sie mit einem langjährigen Partner vergleicht, den man auch nur noch aus Gewohnheit benutzt, weil er nun halt ´mal da ist, aber nicht mehr, weil man ihn richtig geil findet. Ich jedenfalls gebe mich nicht mehr der Illusion hin, dass diese Funktion den Start in den Tag, der ja nun so oder so stattzufinden hat, in irgendeiner Weise erleichtert. Man ist doch so kurz nach dem Aufwachen gar nicht in der Lage, eine kluge Entscheidung zu treffen: Ob man die dem Tagesablauf entliehenen zehn Minuten jetzt nutzen soll, um tatsächlich nochmal fest einzuschlafen, oder ob man sich lieber freut, einfach noch halbwach eine kurze Runde liegenbleiben zu können, um sich während dieser Zeit mental auf das am Ende ja doch unausweichliche Aufstehen vorzubereiten. Hat man das Glück, in Offenbach aufwachen zu dürfen, kann man sich diesen Zustand je nach Uhrzeit sogar schon von ab- und anfliegenden Flugzeugen untermalen lassen. Das ist eben der Vorteil, wenn man dort wohnt, wo andere in den Urlaub starten.

Auch ohne solche Begleitmusik endet die Frage in einem Kompromiss, der seiner Eigenschaft als Kompromiss auch absolut gerecht wird, indem er beide Bedürfnisse nicht wirklich befriedigt: Man grübelt rund acht Minuten lang, und schon ist man wieder eingeschlafen. Und weil´s so schön war, kann man sich zwei weitere Minuten später auf eine Wiederholung dieses Trauerspiels einstellen. Geübte Menschen können diese Performance locker sechs-/siebenmal wiederholen. Die Grenzen nach oben sind ohnehin offen. Zumindest wenn man das Glück hat, sich die Wohnung nicht mit einem festen Partner teilen zu müssen. Denn einer verliert bei diesem Spiel immer.

Nachdem also mit Aufstehen oder Liegenbleiben die ersten Entscheidungen des Tages mehr oder weniger intuitiv getroffen wurden, geht es früher oder später – zumindest bei den meisten Menschen – um komplexere Gedankengänge. Diese Woche ist mir bei der morgendlichen Hunderunde sogar eingefallen, was mich daran hindert, ein glücklicherer Mensch zu werden. Andere Menschen nämlich. Vorzugsweise in Gestalt von besorgten Bürgern, dogmatischen Fußballfans oder einfach nur schlechten Autofahrern.

Weil dank der segensreichen Erfindung der Schlummertaste etliche Zeitgenossen verspätet in den Tag gestartet sind, muss die verlorene Zeit ja irgendwie wieder ´reingeholt werden. Schnellstmöglich ist hier Programm. Riskante Überholmanöver, die notwendig werden, weil einem Teil der Autofahrer die innerorts geltenden 50 km/h verbindliche Höchstgeschwindigkeit sind, einem anderen Teil aber lediglich als grobe Empfehlung dienen. Ich mache das nicht an Fahrzeugtypen fest. Eher schon daran, dass das amtliche Kennzeichen mit FB beginnt. Und das Feindbild Opa mit Hut tausche ich gern ein gegen junge Männer, die zu cool für diese Welt sind.

Letzte Woche hatte ich wieder so ein Exemplar zunächst hinter, dann vor mir. Der Beifahrer – zumindest hoffe ich, dass es der Beifahrer war und nicht der Pilot selbst – hängte auch noch seinen Schädel zum Fenster ´raus und bildete sich wahrscheinlich auch noch ein, ich könnte oder wollte irgendetwas von dem verstehen, was er da von sich gibt. Wahrscheinlich aber sollte mir dieser Move ebenso wie die vorherige Lichthupe signalisieren, dass sie mit meiner Fahrweise nicht einverstanden sind. An und für sich wirklich nicht mein Problem, wenn die beide an dem Tag die Medikamentenausgabe geschwänzt haben. Ich sehe aber auch ein, dass ich nicht alle diese Leute einfach so erschießen kann, bloß weil niemand so gut Auto fahren kann wie ich.

Zur Versachlichung der Debatte mit mir selbst schlage ich vor, jeden Führerscheinanwärter obligatorisch zum Wesenstest zu schicken. Man müsste nicht jeden, der dort nicht besteht, umgehend einschläfern. Aber die Straßen wären frei, es gäbe überall Parkplätze, und selbst die Umwelt hätte etwas davon, wenn nur noch die Hälfte der Autofahrer unterwegs sein dürfte.

Wenn wir gerade dabei sind: Das alles wirft zumindest die Frage wieder auf, weshalb in einer Welt, in der so vieles bis ins Detail reglementiert ist, nach wie vor keine verbindlichen Eignungsvoraussetzungen existieren, um im world wide web nicht nur Blödsinn abzusondern. Aus meiner Sicht besteht hier akuter Handlungsbedarf. Die nochmalige Lektüre der letzten beiden Absätze dieses Textes unterstreicht die Dringlichkeit dieses Ansinnens.

An einem durchschnittlichen Tag kann man also davon ausgehen, dass mindestens ein Idiot dafür sorgt, dass ich bereits um 9 Uhr auf 180 bin.

Und da hat die Arbeit noch nicht ´mal angefangen.

Vielleicht ist die Arbeit auch eigentlich ein wundervoller Ort und die Kollegen dort allesamt spannende Menschen. Was ich einfach nur regelmäßig versäume zu registrieren, weil ich schon zu genervt bin von all den anderen Einzellern, die mir auf dem Weg dorthin schon begegnet sind.

„Absurder Gedanke zum Schluss eben, da hat mir mein Unterbewusstes wohl einen Streich spielen wollen“, denke ich so bei mir, während ich zum garantiert letzten Mal heute früh die Schlummertaste betätige.

Eine Woche voller Fragen

Eine Zensur findet nicht statt. Da mir zudem spontan nur wenig Gründe einfallen, welches Interesse ein Staat haben könnte, die Verbreitung solcher Informationen zu unterbinden, wenn sie doch eines Tages stattfände, muss ich wohl oder übel bis auf weiteres damit leben, dass Meldungen, wonach Schokolade wirksam gegen Husten helfe, auch bei mir ankommen.

Wenn man gerade seinen Schokoladenkonsum reduziert hat, um abzunehmen, kommt man nicht umhin, den Zeitpunkt der Veröffentlichung solcher Erkenntnisse als suboptimal zu beurteilen.

Zwar habe ich gerade keinen Husten. Ich hatte aber schon einmal einen. Sehr unangenehm das. Die auf der Zunge zergangene Schokolade lege sich als Film über gereizte Stellen im Rachen und unterdrücke auf diese Weise den Hustenreiz. Sieht man davon ab, dass ich das schwarze Gold noch nie auf diese Weise genossen habe, legt die beschriebene Funktionsweise auch in keinster Weise nahe, dass sich das in irgendeiner Weise vorbeugend einsetzen ließe.

Und dennoch: Ich habe wirklich sehr selten Husten. Ist das nicht bereits Hinweis genug, eine vorbeugende Wirksamkeit als Annahme für weitere Untersuchungen zumindest ´mal in den Raum zu stellen? Vielleicht bin ich schon die personifizierte Bestätigung dieser These. Das sind Momente, in denen ich überlege, mich und meinen Körper endlich in den Dienst der Forschung zu stellen. Obwohl es, wie beschrieben, wenig bringt, das Zeug nur kurz zu zerbeißen und als nächstes die Speiseröhre mit dem edlen Stoff zu beglücken, wo es um Husten irgendwie so gar nicht mehr geht, bin ich doch meistens unbeschadet durch die Erkältungssaison gelangt. Das kommt ja nicht von ungefähr. Wahrscheinlich war es bei mir die schiere Menge, die mich immunisiert hat. Die sich anschließende Frage ist daher: Soll ich meine Gesundheit aufs Spiel setzen, bloß damit ich abnehmen kann?

Vielleicht hilft mir bei dieser Güterabwägung auch die Empfehlung mit den sogenannten geringen Mengen. Geringe Mengen waren schon immer die Spielverderber. Das waren sie, als von Stressreduktion durch Schokolade die Rede war. Als es um die Ausschüttung von Glückshormonen ging, waren sie erneut die Spaßbremsen. Als die positive Wirkung auf die Gedächtnisleistung entdeckt wurde – richtig, die geringen Mengen waren schon da! Was aber eine geringe Menge ist, bleibt im Unklaren. Daher dachte ich mir lange Zeit: Man wird sich schon etwas dabei gedacht haben, Schokolade in 100-Gramm-Portionen anzubieten. Skeptisch wurde ich erst, als man anfing, uns 93-, 87- oder 81-Gramm-Packungen zu verkaufen und deswegen erste Koch- und Backrezepte umgeschrieben werden mussten. Überhaupt habe ich wohl zu spät im Leben begriffen, dass Schokoladenhersteller keine Pharma-Unternehmen sind.

Sowas sagt einem ja auch keiner.

Dass wir am 2. Februar eines jeden Jahres den Tag des Igels begehen, erfährt man ja auch nur durch Zufall.

Menschen, Tiere, Sensationen

Hat man sich mit dem Widerspruch, dass man zu Ehren eines nachtaktiven Tiers einen Gedenktag feiert, erst einmal abgefunden, wird man auch schon auf die nächste Ungereimtheit aufmerksam: Igel halten für gewöhnlich Winterschlaf, und es könnte daher sein, dass die meisten Igel durch ihre von November bis März währende Nachtruhe nicht nur ihre Winterdepression umgehen, sondern auch ihren Feiertag verpennen.

Das kann man ihnen freilich nicht direkt zum Vorwurf machen. Den meisten Igeln wird es ohnehin egal sein, was die Menschen tun, solange sie nicht gerade Auto fahren, was für Igel die größte Bedrohung überhaupt darstellt. Unterm Strich bleiben Igel putzige Tiere, die ihren „Wie süüüüß“-Faktor insbesondere dann hervorragend ausreizen, wenn sie am Zebrastreifen warten, bis gerade kein Fahrzeug kommt, um sodann die freie Fahrbahn so rasch es ihnen eben möglich ist zu überqueren. Dass es selten geräuschlos vonstatten geht, wenn sie durchs Unterholz rascheln, steigert ihre Sympathiewerte zusätzlich. Und dennoch: Als Wesen, über das man mehr als zwei Absätze eines Blogeintrags schreiben könnte, scheidet der Igel leider aus.

Ausscheiden tut auch der Wombat, ein in Australien beheimatetes Tier, das sowohl von Körpergröße als auch vom Aussehen anmutet, als hätten sich Bär und Meerschweinchen irgendwo in der Mitte treffen wollen. Wombats sind die weltweit einzigen Tiere, deren Kot quaderförmig ist. Eine gängige Erklärung für diese eigenartige Form: Die Tiere markieren ihr Revier, indem sie die einzelnen Quader übereinanderstapeln und so einen möglichst imposanten Haufen vorzeigen.

Obwohl die Wombats also theoretisch in der Lage wären, von einer oberirdischen Behausung wenigstens die Mauern zu errichten, leben sie in selbst gegrabenen Höhlen in der Erde.

Wombats gehören damit eindeutig zu den Tieren, die auf meiner Wunschliste ganz oben stehen, wenn der Klimawandel weitere ursprünglich ganz woanders angesiedelte Tiere in unseren Breitengraden heimisch werden lässt.

Mit Schokolade, Tieren sowie Körperausscheidungen sind nun auch beinahe alle Merkmale eines typischen Blogeintrags zur Sprache gekommen. Hätte ich mir die Anmerkung nicht verkniffen, dass ein zusammengerollter Igel sich nicht eignet, damit Fußball zu spielen, wäre sogar noch ein weiterer Themenklassiker untergebracht gewesen. Aber man kann eben nicht alles haben.

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