Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen, polemisierte einst Helmut Schmidt. Ist der Visionär dann zufällig selbst Arzt, spaltet sich die Fachwelt, während der Laie nur denkt: Was soll das jetzt wieder werden? So geschehen diese Woche nach der Ankündigung eines italienischen Neurochirurgen, im Frühjahr 2018 einen kompletten Kopf zu transplantieren zu wollen.
Ich sehe schon völlig neue gesellschaftliche Konfliktlinien, wenn in ein paar Jahren Gesunde den Kranken vorwerfen: „Du willst doch bloß meinen Körper!“ Ich persönlich muss mir meine Meinung dazu erst noch durch den Kopf gehen lassen und habe mir deshalb auch schon ein paar schöne Männer- und Frauenkörper ausgesucht, auf die mein Schädel gut passen würde. Ich bin da sehr wählerisch, weil ich mir sehr sicher bin, dass mein Kopf den Leib beispielsweise eines FDP-Wählers sehr sicher sehr schnell abstoßen würde. Ein Alptraum wäre auch, nach gelungener Operation in den Spiegel zu schauen und an einer intimen Stelle ein FCB-Tattoo oder ähnlich Unappetitliches zu entdecken. Man sieht schon jetzt: So ganz ohne Risiko ist das alles nicht. Eine Reihe offener Fragen müssen noch geklärt werden, bis das alles serienreif ist.
Dabei ist vieles von dem, was wir heute als normal wahrnehmen, ursprünglich auch lediglich eine Vision im Kopf eines einzelnen Durchgeknallten gewesen. Wenn aber Kopfverpflanzungen normal werden, es also im Kurs Sofortmaßnahmen am Unfallort nicht mehr nur im übertragenen Sinne heißt, man solle nicht den Kopf verlieren, gruselt es mich schon ein wenig.
Was wurde nicht schon alles verpflanzt, um Leben zu verlängern? Haut, Schädeldecke, Penis. Eine ordinäre Nierentransplantation ist ja bald sowas von 90er. Wenn es diese Zweiteilung im Gesundheitswesen nicht sowieso schon gäbe, man käme sich wie ein Patient zweiter Klasse vor, wenn man „nur“ auf eine Leber wartet, derweil der Bettnachbar im Katalog blättert, um sich von eigens zu diesem Zweck aus armen Ländern entführten begnadeten Körpern einen standesgemäßen auszusuchen. Denn wenn ein gesunder Kopf einen anderen Körper bekommt, wird ja streng genommen kein Kopf verpflanzt, sondern ein Körper. Ist schon entschieden, wessen Namen die neu geschaffene Kreatur weiterführen darf? Der Körperspender steuert immerhin den größeren Teil bei. Verliert vor dem Hintergrund all dessen der Begriff „Normalsterbliche“ nicht komplett an Bedeutung?
Auch wenn das Anbringen eines neuen Penis´ wohl nicht primär der Steigerung der Lebenserwartung dient, feiern die Doktoren mit solchen Aktionen tolle Erfolge, die im Einzelfall Leben verlängern können.
The message is… gude Laune
Jetzt aber die gute Nachricht für alle, die das Glück genießen, nicht auf irgendein Körperteil eines geeigneten Spenders angewiesen zu sein: Auch für Otto Normalpatient gibt es eine ganze Reihe von Maßnahmen, um wenigstens statistisch betrachtet einem frühen Ableben entgegenzuwirken:
Man kann sich zum Beispiel einen Hund anschaffen, wodurch sozialer Vereinsamung und Bewegungsmangel effektiv vorgebeugt wird, die beide Ursachen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen sein können. Diesen Zusammenhang wiesen kürzlich Forscher der schwedischen Universität Uppsala nach. (Der für unsere Ohren drollig klingende Name soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich dabei um seriöse Forschung handelt.) Besonders bei Singles wirkt sich das Vorhandensein eines Hundes außerordentlich positiv aus. Bevor jetzt aber alle ihre Partner aus dem Haus werfen, sei erwähnt, dass das Alleinleben überhaupt erst ein größeres Risiko für solche Erkrankungen begründet.
Damit wären wir bei einem weiteren Mittel zu einem längeren Leben. Anders als man normalerweise erwarten würde, ist nämlich auch die Ehe geeignet, die Lebenserwartung zu steigern. Ich würde vorsichtshalber aber auch hier den Einzelfall betrachten. Da eine Eheschließung zunächst unbefristet bis ans Lebensende gültig ist, steigt ja mit der allgemeinen Lebenserwartung auch das Risiko, wenn man sich allzu voreilig auf einen einzigen Partner bis dahin festlegt. Nicht selten geht ja der Partner einem irgendwann so sehr auf den Keks, dass man ihn erschießt. Zumindest einer der beiden hat dann schonmal nicht von der lebensverlängernden Wirkung dieser Institution profitiert. Genauer hingeschaut, findet man auch prompt den Hinweis: Glücklich sollte die Ehe schon sein, um diesen Effekt zu haben. Aber ist das nicht schon ein Widerspruch in sich? Der Vollständigkeit halber sollte Erwähnung finden, dass der mit der Maßnahme des Erschießens in den meisten Gesellschaften riskierte Gefängnisaufenthalt sich dann auf die Lebenserwartung des Schützen ebenfalls negativ auswirkt. Eine Lose-lose-Situation also, weshalb diese Lösung wirklich nur im Notfall angewendet werden sollte.
Weitere Anregungen für ein langes Leben: Das Ausüben einer ehrenamtlichen Tätigkeit. Das zumindest ist nicht so offensichtlich wie die Empfehlung mit dem Sport, die sich mittlerweile wohl schon herumgesprochen hat.
Ehrenamt, Sport, Hund – all diesen Vorschlägen ist gemeinsam, dass sie zwar die Lebenserwartung steigern, ihrerseits allerdings ebenfalls Zeit beanspruchen. Die von der Gesamtlebenszeit natürlich wieder abgezogen werden muss, möchte man sich ein ausgewogenes Urteil bilden, ob sich der Einsatz lohnt. Ich habe zwar außer der Sache mit dem Sport alles schon ausgetestet, stehe aber nun vor dem Problem, dass ich noch nicht absehen kann, wie lange ich noch lebe. Bis jetzt habe ich Zeit also nur investiert. Ob ich am Ende des Lebens Zeit herausbekomme, ist kaum seriös vorauszusagen. So oder so – der Unterschied besteht in der Qualität: Sportler sterben gesünder, Ehrenamtler mit sich selbst und der Welt zufriedener, Hundehalter, generell Tierbesitzer glücklicher.
Der letzte Tipp: Eine positive Grundeinstellung bewahren.
Ja, ich musste auch erst einmal lachen. Nach genauerem Hinsehen konnte ich mich der Logik allerdings nicht entziehen: Weil sich durch den permanenten medizinischen Fortschritt natürlich die Wartezeit auf Paradiese, Wiedergeburten und ähnliche Versprechungen durchschnittlich stets weiter verlängert, spricht nämlich überhaupt nichts dagegen, das Leben vor dem Tod etwas würdevoller zu gestalten. Wenn schon nicht gesamtgesellschaftlich, dann wenigstens individuell. Das erfordert mehr als bloße Durchhalteparolen, das muss authentisch vorgelebt werden!
Darüberhinaus: Schlechte Laune konsequent zu Ende gedacht, endet in nicht wenigen Fällen im Freitod. Dieser jedoch, das leuchtet auf den ersten Blick ein, ist mit einem längeren Leben nur selten gut vereinbar. Also am besten immer heiter weiter. Pfandflaschen von glücklichen Senioren eingesammelt! Und bloß einen kühlen Kopf bewahren – man selbst oder jemand anderes könnte ihn noch brauchen.