Aufzeichnungen aus der Wirrnis des Alltags

Monat: Dezember 2016

Fehler, Facebook, Fußball

Als ich neulich früh als Bestandteil meiner Morgen-Routine den Schnauzen-Schmöker aufschlug, um mir anzeigen zu lassen, wer aus meinem dortigen Bekanntenkreis mich zu welchem Spiel eingeladen hat und wem ich zum Geburtstag gratulieren könnte oder sollte, wurde mir unter der Überschrift „Deine Erinnerungen auf Facebookfolgender Vorschlag unterbreitet:

Hallo Markus, es ist schön, Erinnerungen wach zu halten. Wir könnten uns vorstellen, dass du gern an diesen Beitrag von vor 1 Jahr zurückdenkst.“ Man kennt das.

Darunter das Bild von meinem KFZ-Anhänger, der seinerzeit gerade einseitig über die komplette Länge getaggt worden war. Wer denkt da nicht gern dran zurück?! Hut ab, gelungener Vorschlag!

Eine in diesem Netzwerk etwaig vorhandene Schwarmintelligenz wollte ich damals nutzen, um das beste Mittel zu erhalten, die Verzierungen wieder herunterzubekommen. Ich hatte einfach nur an den Aufwand, die Zeit, das nicht vorhandene Geld gedacht, das nun alles aufgewendet werden muss, um bei der nächsten Ballonauslieferung für eine Hochzeit mit einem repräsentativeren Gespann als diesem vorfahren zu können. Darüberhinaus konnte mir natürlich auch die Vorstellung nicht recht sein, daß gemäß der Broken-Windows-Theorie bald das ganze Viertel den Bach ´runtergeht, kaum daß ich mich nach acht Jahren hier etwas eingelebt habe.

Ich habe den sicher gut und wohl auch ernst gemeinten Vorschlag am Ende ignoriert. Denn selbst für ein ansonsten ereignisarmes Leben wie das meinige ist dieser Vorgang mehr Randnotiz als Meilenstein. Um im Gespräch zu bleiben, habe ich andere Mittel. Immerhin habe ich über dem Grübeln, ob ich es nicht vielleicht doch spaßeshalber tun sollte, glatt vergessen, in meine in vorgenanntem Netzwerk erfolgreich als Singlegruppe getarnte Lieblings-Freakshow ´reinzulesen.

Bevor die Einleitung wieder länger als der Haupttext wird

In Zeiten wie diesen ebenso wichtiger Bestandteil meiner Morgen-Routine: der teils immer noch ungläubige Blick auf die Tabelle der Fußball-Bundesliga. Hätte nicht der Verein meines Herzens zur Winterpause einen sensationellen 4. Platz erklommen – man hätte fast denken können, dies wäre ein Jahr wie jedes andere gewesen. Die Truppe, die von den Eingeborenen des Ortes, in dem ich geboren bin und lebe, nur die „Unaussprechlichen“ genannt wird, hat einen Lauf. Jetzt bloß nicht wieder diesen einen Fehler machen, den ich immer mache! Nämlich glauben, daß es auch gut weiterläuft, wenn es denn ´mal läuft.

Wenn ich in diesem Zusammenhang immer schreibe, meine ich genau das: immer. Da gibt es nichts zwischen den Zeilen zu lesen. Zwei gewonnene Spiele hintereinander, und das internationale Geschäft ist in greifbarer Nähe. Selbst nachdem 1992 die Meisterschaft verpfiffen wurde, nahm ich noch an, das könne ja Ende der nächsten Saison nachgeholt werden. Daß ich just an jenem Tag der Chance beraubt wurde, die Eintracht in diesem Leben einmal als Deutschen Meister zu erleben, begriff ich erst viel später. Ein Fehler.

Nun kann ich mir inzwischen anders als früher durchaus auch Fehler verzeihen. Bis zur vollständigen Reife benötigt diese Einsicht möglicherweise noch ein wenig Zeit, doch im Grundsatz bin ich mit mir einig: wer allein aus seiner Komfortzone heraus agiert, der macht weniger Fehler, entwickelt sich allerdings auch nicht in dem Maße weiter als jemand, der akzeptiert, daß Fehler dazugehören.

Zu jeder Zeit meines Lebens habe ich welche gemacht und mache sie bis heute und hoffentlich noch eine ganze Weile über den heutigen Tag hinaus. Einige wirklich bescheuerte waren auch darunter.

So zum Beispiel als ich annahm, daß soziale Netzwerke wie das bereits erwähnte der Kontaktpflege und dem Austausch dienen. Bei vielen jedoch ist das einzige, das dort gepflegt wird, das Ausleben ihrer Selbstverliebtheit. Weswegen ich auch immer noch auf den „Nervt“-Button warte.

Wenn wir gerade dabei sind: Ein „Nie mehr 2. Liga“-Button für Beiträge, die den Lieblingsverein betreffen wäre mir genauso hilfreich wie der „Absteiger!“-Button zum Schmähen der fußballerischen Vorlieben Anderer. Der ultimative Höhepunkt jedoch wäre der „solange das Dein größtes Problem ist, kann es Dir nicht schlecht gehen“-Knopf.

Ich schweife ab, tue das aber gern. Angesichts selektiver Wahrnehmung entscheidet ohnehin jeder einzelne, ob der Schwerpunkt des gelesenen Beitrags nun Fehler oder Facebook ist. Jeder sieht die Welt mit seinen eigenen Augen. Und wer sich einem anderen als dem oben genannten Fußballclub zugeneigt fühlt, hat eventuell sogar viel weiter oben schon aufgehört weiterzulesen.

Dumme Menschen machen immer die gleichen und kluge Menschen immer neue Fehler“

Ich kann bis jetzt nicht unbedingt behaupten, außerordentlich gut damit umgehen können, wenn ich als dumm bezeichnet werde. Dieses Sprichwort konsequent zu Ende zu denken, kann im Ergebnis also nicht anders als mir zu missfallen. Wiewohl ich ähnliches vor Jahren schon selbst gesagt habe. Also, nicht nur gesagt, sondern auch entsprechend gehandelt. Wenn schon nicht in der Aufarbeitung von Fehlern auf der Höhe der Zeit, war ich in Fragen der Selbstkongruenz ganz weit vorne. Ist auch viel wert. Angeblich auch bei Frauen. Denen ich viele dieser frühen und späten Erkenntnisse über mich, Gott und die Welt verdanke.

Ein bißchen wenigstens. Mittelbar. Manche unmittelbar. Also etwas mehr als nur ein bißchen.

Ich möchte das anhand meines persönlichen Musterbeispiels illustrieren: Immer wieder denke ich, Dinge wie Humor oder Intellekt wären eine sehr gute Grundlage, Frauen zu beeindrucken. Um immer wieder festzustellen: Fataler Fehler! Geld, Status, Position sind sexy. Das Fass mit dem Aussehen mache ich lieber gar nicht erst auf. Fehler sind dazu da, sie zu wiederholen.

Nicht sehr viel besser setze ich das in Beziehungen um. Kostproben? Gern:

Ein Garten? – Ein Garten. Ein Hund? – Ein Hund. Ich habe das getan, was ich in dieser Beziehung immer getan habe: gesagt, daß das in Ordnung geht, solange ich so wenig wie möglich mit der damit verbundenen Arbeit zu tun habe. Und dabei den Fehler gemacht, fest daran zu glauben, daß diese meine Aussagen beim Gegenüber ernst genommen würden.

Stattdessen habe ich die innerhalb kürzester Zeit, welche dennoch gerade lang genug war, um für mich schleichend zu erscheinen, den größeren Teil der Arbeit übernommen. Das war beim Garten so und beim Hund nicht anders.

Der Garten blüht inzwischen ohne mein Mitwirken; der Hund ist längst Bestandteil meiner Morgenroutine.

Häutungen

Die vollständige Metamorphose eines Schmetterlings besteht aus den Stadien Ei, Raupe, Puppe, Schmetterling. Beim Mensch sind derlei Faszinosa von der Natur zunächst nicht vorgesehen, weshalb es für die plastisch-ästhetische Chirurgie eine lukrative Einnahmequelle geworden ist, aus vermeintlichen Enten Schwäne zu machen. Oder aus Schwänen vermeintlich schönere Schwäne. Außerhalb solcher künstlichen Eingriffe kommen echte Verwandlungen selten vor, aber es gibt sie. Wer sich in letzter Zeit Tim Wiese angeschaut hat, weiß, was ich meine.

Daß gewichtiger Wandel in unterschiedliche bis gegensätzliche Richtungen geschehen kann, konnte seinerzeit bei Joseph Fischer begutachtet werden: noch zu Oppositionszeiten mutierte er zunächst zur Personifizierung des Spruchs „Krieg macht dick“ und fand anschließend in einem langen Lauf zu sich selbst. Jahre später soll den Minister a.D. der Jojo-Effekt eingeholt haben. Punkt. Zuviel Aufmerksamkeit hat der Mann jetzt auch nicht unbedingt verdient. Seine geistige Metamorphose lassen wir gleich komplett außer acht, halten aber fest: Extreme Veränderungen der Schale werden eher wahrgenommen als solche des Kerns. Was nur allzu verständlich ist, da wir die Hülle sehen, bevor wir zum Inneren überhaupt stoßen. Oder aber auch entscheiden, dorthin nicht stoßen zu wollen. Abgesehen von dieser Zwangsläufigkeit scheinen Äußerlichkeiten aber generell mehr Beachtung geschenkt zu werden. Oder wann habt Ihr das letzte Mal jemanden sagen hören: „Du bist aber gescheit geworden, Respekt“?

Zum Schluss kann es natürlich aber auch ganz einfach sein, daß äußerliche Veränderung deshalb häufiger registriert wird, weil sie schlicht häufiger auftritt. Outfit, Frisur, der inzwischen in gewissen Kreisen obligatorische Vollbart, das alles sind schnell erledigte Sachen. Doch selbst der große Wurf, die Königsdisziplin, nämlich die Gewichtsreduktion, wird auf eine leichtere Schulter genommen als beispielsweise den Intellekt zu schärfen. Machen wir wieder den Vergleich und fragen, wie oft wir – bei vorausgesetzter Freiwilligkeit – „ich habe mir vorgenommen, mehr Sport zu machen“ hören im Gegensatz zu „ich will mehr lernen“.

Nun ist das Thema Abnehmen ist für mich ja keine akademische Frage. Seit ich vor zweieinhalb Jahren bei einem Onlinehändler für fair gehandelte Textilien anheuerte, habe ich um die Weihnachtszeit ein Luxusproblem: Wofür löse ich den von der Firma regelmäßig als Weihnachtsgeschenk zur Verfügung gestellten Gutschein zum Shopping im eigenen Haus ein? Ich meine jetzt ohne daß seitens meiner Mutter noch einmal der Satz fällt, den jeder hören möchte, wenn er gerade ein neues Stück trägt, das halt gerade so noch gepasst hat, aber in noch größer eben nicht verfügbar ist: „Aber das nächste Mal holst Du Dir davon etwas, das Dir passt!“

Ein Text über das Dicksein, der eigentlich ein Text übers Abnehmen werden wollte

Da hätte sie auch gleich fragen können, was ich mit meiner Sammlung an Fitness-, Bewegungs- und Tanzspielen für Wii und X-Box Kinect anzufangen gedenke. Welche ich mir wegen der vielen positiven Rezensionen gekauft habe. Mehr schreibe ich dazu nicht. In tänzerischer Hinsicht sollte ich mich weniger an John Travolta und mehr an Bud Spencer orientieren. So gut kenne ich mich nach bald 45 Jahren immerhin. Was mich trotzdem nicht davon abgehalten hat, diese Tanzspiele bei heruntergelassen Rolläden auszutesten.

Ich hatte in diesen bald 45 Jahren mit Sicherheit auch die eine oder andere bessere Idee gehabt. Und ich hätte es besser wissen können. Müssen.

Rückblende: „Deutsche Panzer rollen wieder“ zählte fast noch zu den harmloseren Komplimenten, denen ich mich als Schulkind konfrontiert sah. Wirklich witzig fand ich allerdings auch diesen Spruch nicht einmal beim ersten Hören, sondern erst Jahre später mit einem gewissen emotionalen Abstand.

Als Sternstunden im Leben eines fetten Kindes dürfen auch Bundesjugendspiele gelten: dort habe ich das olympische Motto des Dabeiseins verkörpert wie vermutlich nur wenige andere meines Jahrgangs. Und nicht mal die Siegerurkunde mit nach Hause gebracht, die sonst praktisch jeder erhalten hat. Ich habe sie trotzdem immer wieder angepeilt. Wenn ich nur weit genug werfe. Aber eher wäre wohl tatsächlich die Hölle zugefroren.

Wenn freilich eine Siegerurkunde schon bedeutet, daß man eigentlich unterlegen ist, weil es für die Ehrenurkunde nicht reicht, was heißt es dann, mit komplett leeren Händen dazustehen, denn Teilnahmeurkunden gab es zu meiner Zeit noch nicht. Was mich für Leibesübungen ungefähr genauso motiviert hat wie der vorhersehbare Sport-Dreier im Zeugnis. In einem Fach, in dem alle anderen wenigstens eine Zwei bekamen, kommt das ja in etwa einem „stets bemüht“ gleich.

„Da schwabbelt das Fett nur so.“ Bestimmt hat der Lehrer diese seine Äußerung bei meinem Anlauf zum Weitsprung gegenüber meinen Mitschülern bereut, als er wenige Tage später dafür gemaßregelt wurde. Von meinem älteren Bruder. Auch wenn dieser selbst nur selten Gelegenheiten ausgelassen hat, mich ob meiner Figur aufzuziehen, war er seinerzeit bei derartigen Vorfällen die einzige Instanz, der ich vertrauen konnte.

Seit meiner ersten geglückten Diät so mit 16 schaukelt mein Gewicht nun munter hin und her. Momentan ´mal wieder in die erwünschte Richtung. Das Hemd, das ursächlich für den Spruch meiner Mutter gewesen ist, passt aktuell besser denn je. Die durch den Verzicht auf Tabakwaren ausgelöste Zuspitzung des Problems ist umgekehrt.

Vorerst.

Hunde, Frauen und weitere Unwägbarkeiten des Lebens

Wenn ich abends nach getaner, zuweilen auch nicht getaner Arbeit meinen Hund Oka auf die Couch rufe, dieser sich nicht lange bitten lässt und ich ihn dann so ansehe, kommt mir gelegentlich der Ausspruch „Humor ist, wenn man trotzdem lacht“ in den Sinn. Ich kann diese Gedanken nicht steuern, sie sind einfach da. Wenn ich dieses Tier sehe. Und mich frage, woher der Urheber dieses Bonmots eigentlich meinen Hund kennt.

Der West Highland Terrier hat an sich nur wenige Körperteile, die sich nicht durch besondere Anfälligkeit für allerlei Krankheiten auszeichnen. Hautprobleme, Allergien, trockenes Auge, Kniescheibenluxation sind die häufigst genannten gesundheitlichen Beeinträchtigungen in diesem Zusammenhang. Fast logisch, daß ausgerechnet mein Tier alles von diesen potentiell möglichen Gebrechen auch für sich beansprucht. Damit nicht genug, hat er sich zusätzlich noch eine anderen Hunden typische Trendkrankheit angeeignet, nämlich eine durch ein hängendes Ohr verursachte dortige Anfälligkeit für Infektionen.

Aktuell und sehr wahrscheinlich bis ans Ende seiner Tage bekommt er täglich Medikamente zur Verbesserung der Schilddrüsenfunktion, zur Behandlung einer Herzinsuffizienz sowie „zur Verbesserung der Durchblutung im peripheren und zerebralen Bereich“. Letztere, weil er nämlich schwer hört.

Sparen wir uns sämtliche jetzt spontan sich aufdrängenden schlechten und guten Witze darüber, daß es ein erzieherisches und kein organisches Problem ist, wenn ein Hund schlecht hört. Halten wir stattdessen fest: Das Tier entwickelt sich sukzessiv zur Lebensversicherung seiner Tierärztin. Konsequent wäre, sie beim nächsten Besuch auf eine Flatrate anzusprechen. Man könnte einen Teil meines Gehaltes zusammen mit den Sozialversicherungsbeiträgen einbehalten und ohne Umwege auf das Tierarztkonto leiten. Vielleicht sollte ich meine Ex-Gemahlin bald tatsächlich einmal mit meiner Idee konfrontieren, sie möge mir Unterhalt für den Hund zahlen.

Vielleicht, so kommt mir gelegentlich abends nach getaner, mitunter auch nicht getaner Arbeit auf meiner Couch in den Sinn, hätte ich generell ihr gegenüber, auch anderen gegenüber, mir selbst gegenüber meine Interessen stärker vertreten sollen. Vielleicht stünde ich heute ganz woanders. Vielleicht.

Theorie versus Empirie

Als gesichert hingegen darf die Erkenntnis gelten, daß ein Hund mitnichten ein probates Mittel zur Eroberung von Frauenherzen im Sturm ist. Gleich, welche Flöhe Literatur oder Film uns allen in unsere Ohren setzen wollen: Frau verliebt sich erst in den Hund und dann in den Mann, wahlweise erst in den Mann und dann in den Hund – Sagen, Märchen, Science Fiction, Propaganda! Die Realität ist um einiges unromantischer.

Zugegeben: ins Gespräch kommt man mit diesem gewissen Etwas an der Leine relativ leicht. Allerdings sind die wirklich zutraulichen Frauen überwiegend bereits im Rentenalter. Und – nein, ich gehe nicht nur rings um den Friedhof mit Oka. Da man in Gesprächen mit älteren Menschen selten darum herum kommt, ungefragt die komplette Krankenakte des Gegenübers mitgeteilt zu bekommen, sind das die wenigen Momente, in denen mir Okas Anamnese zum Vorteil gereicht: So bin ich nicht zum bloßen Zuhören und Kopfnicken verdammt, sondern kann im Wettbewerb darum, wen das Schicksal härter gebeutelt hat, durchaus mithalten. In hartnäckigen Einzelfällen spare ich mir dann auch schon ´mal den Hinweis, daß ich nicht über mich, sondern über meinen Hund spreche. Das alles ändert aber nichts daran, daß das nicht meine bevorzugte Zielgruppe ist.

Ich nehme das alles mit Humor, weil der Topf ja schließlich auch andere Wege beschreiten kann, um zu seinem Deckel zu gelangen. Also etwas anfertigen und hochladen, was ich für ein angemessenes Profilbild halte. Natürlich mit Hund. Zu verbergen habe ich schließlich nichts. Gut, das Doppelkinn muss nicht auf den ersten Blick zu sehen sein, also nochmal. Aber der Hund gehört dazu.

Tatsächlich scheint das Bild seine Wirkung nicht komplett zu verfehlen. „Der ist ja süß“ mit mindestens fünf Üs und ebenso vülen Ausrüfezeichen und nochmal so vielen Emojis!!!!! Ich nehme mit Hümor :-), daß nicht ich der Auslöser solch überschwänglicher Reaktionen bin, sondern der Hund „aus der Cesar-Werbung“. Denn aus Erfahrung weiß ich bereits, daß es mit der Niedlichkeit bald vorbei ist, sobald durchsickert, daß ein Hund auch Arbeit und Verantwortung bedeutet. Dann werden die Nachrichten einsilbiger und der Zeitoptimierung wegen bald ganz weggelassen. Dann fällt mir auch wieder ein, daß ein Hund eine in etwa ähnliche Attraktivität signalisiert wie ein Garten oder eine andere Behinderung. Alles irgendwie ganz drollig, solange man sich nicht mit einem Mindestmaß an Verbindlichkeit selbst darum kümmern muss.

Um es noch einmal zu betonen: ich schreibe hier nicht von Mädchen, sondern von ausgewachsenen Frauen, bei denen aufgrund ihres Alters vollumfängliche geistige Reife und Zurechnungsfähigkeit unterstellt werden darf.

Tiere und Partnerinnen, das ist ein bißchen wie Ehrenamt und Arbeitgeber: irgendwie ganz nett, wenn man eines hat, aber so wirklich damit zu tun haben will man dann am Ende doch nicht.

Dabei spielen solcherlei Hobbys im späteren Stadium einer Beziehung wiederum eine geradezu herausragende Rolle: damit man sich nämlich nicht den ganzen Tag gegenseitig auf die Nüsse geht, ist dann viel häufiger zu vernehmen: „Braucht der Hund nicht noch etwas Bewegung“ oder auch „Hast Du nicht noch was im Garten zu erledigen“. Und wer einen solchen Imperativ mit einer Frage verwechselt, hat ein Problem weitaus größeren Ausmaßes als meine Sorgen, über die ich mir abends auf meiner Couch Gedanken mache. Wenn der Hund neben mir liegt. Mit ein wenig Glück der Kater zu meiner anderen Seite liegend. Mit ein bißchen weniger Glück der Kater auf meiner Brust oder auf meinen Schultern liegend.

Keiner von beiden unterscheidet in diesem Moment zwischen getaner und nicht getaner Arbeit. Beneidenswert. Unbezahlbar.

Von kleinen und großen Veränderungen

Sämtliche Frühwarnsysteme, die unsere heutige Gesellschaft für diesen Fall eingerichtet hat, haben versagt: Kein Blick in den Kalender konnte den Blick dafür erhellen, und als Lebkuchen, Zimtsterne und Spekulatius in die Regale der Supermärkte einzogen, durften diese an sich schwer zu ignorierenden Vorboten dennoch als die übliche Panikmache abgetan werden. Schließlich stand gefühlt das Getreide noch auf den Feldern, hatten die Freibäder noch längst nicht geschlossen und wurden diese bei Temperaturen bis 25 Grad auch noch rege besucht.

Wie über Nacht wurden dann Fenster, Balkone, Häuser, Vorgärten, Stadtteile illuminiert. Pilzen gleich eröffneten die Glühweinmärkte bei „für die Jahreszeit zu warmen“ Temperaturen. Und spätestens jetzt wird nach Begegnungen mit Freunden und Verwandten bei der Verabschiedung die Floskel „…und falls wir uns nicht mehr sehen…“ unausweichlich und ein guter Rutsch oder dergleichen mehr gewünscht. Allerspätestens jetzt muss man den Tatsachen ins Auge blicken. Jegliches Erkenntnisinteresse wird zugunsten der drei ab sofort alles beherrschenden quälenden Fragen ins zweite Glied gestellt:

  • Schon alle Geschenke gekauft?
  • Was machst Du an Silvester?
  • War das fast abgelaufene Jahr jetzt eigentlich für irgendetwas gut?

Hunde brauchen keine VorsätzeFast bekomme ich meiner Umwelt gegenüber ein leicht schlechtes Gewissen bei der Feststellung, daß ich an eineinhalb dieser Standards schon Haken setzen kann: In der privilegierten Situation, lediglich meine Mutter und meinen Sohn beschenken zu müssen, fehlt mir an Geschenken nur noch die Hälfte. Ach – was sage ich? – die Hälfte habe ich bereits, das klingt so viel besser, dynamischer und zudem nach richtig viel investierter Zeit, auch wenn der Kleine mit seinen viereinhalb Jahren noch ansatzweise einfach zufriedenzustellen ist.

Derselbe Kleine ist auch der Grund, weshalb sich die Frage nach Aktivitäten zu Silvester in diesem Jahr gar nicht stellt. Die Dramaturgie des Zufalls hat die Nacht der Nächte nämlich auf mein Papa-Wochenende gelegt. Demnach habe ich ab sofort den Kopf frei, um Bilanzen zu ziehen und neue Pläne zu schmieden.

Für den ersten Teil dieser Aufgabe ist ein Jahreswechsel vermutlich die richtige Grundlage: ein überschaubarer Zeitraum weder zu kurz noch zu lang lädt ein, diesen Abschnitt vorangegangenen gegenüberzustellen und anschließend den Daumen zu heben oder zu senken. Ob dabei die Beurteilung nach der Formel “Glück ist die Abwesenheit von Unglück” oder “Glück gleich Realität minus Erwartungen” oder nach irgendeinem anderen Maßstab vorgenommen wird, bleibt gleich. Objektivität gibt es hierbei ohnehin nicht.

Der vornehmere Teil der Aufgabe, nämlich aus der Bilanz die richtigen Schlüsse zu ziehen, ist Jahr für Jahr erneut Thema ungezählter Beiträge in Wort, Bild und Schrift. Trotzdem haben Vorsätze fürs neue Jahr nur höchst selten eine Halbwertszeit von mehr als bloß ein paar Tagen.

Da ich bis heute nichts von Vorsätzen mit Stichtagsregelung halte, habe ich stattdessen seit einiger Zeit eine Zielcollage in die Küche gehängt. Was endgültig umgesetzt ist, wird durch ein neues Vorhaben ersetzt. Während bei manch anderem also ab Mitte Januar ob nicht umgesetzter Pläne das ganze Jahr über Missmut herrscht, habe ich das ganze Jahr über reichlich Stimuli. Manches wartet länger auf Umsetzung, ist aber durch die Collage automatisch permanent auf Wiedervorlage gelegt. Und hin und wieder geschieht es, daß ich nach einer gelungenen Umsetzung von einem Meilenstein spreche.

Mit dem Begriff des Meilensteins freilich gilt es sorgfältig umzugehen: er sollte weder zu sparsam noch zu inflationär verwendet werden. Bescheiden wie ich nun aber schon immer gewesen bin, attestiere ich mir selbst, hierbei bislang noch das rechte Maß behalten zu haben. Im Laufe der Zeit habe ich mich auf diese Weise zu etwas entwickelt, wofür mir vor ein paar Wochen als passende Beschreibung die Konstruktion Meilensteinbildhauer ganz gut gefallen hat. Ich sorge dafür, übers Jahr verteilt in ausreichendem Maß Meilensteine zu schaffen. Der Start dieses Blogs ist einer davon.

Gegenstand der hier zu versammelnden Texte werden Alltagsbegebenheiten sein. Teils ernsthaft, teils heiter kommentiert, aber hoffentlich stets mit einem gewissen Grad an Tiefgang. Gute Unterhaltung.

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