Es ist völlig zutreffend, dass nicht sämtliche Probleme dieser Welt umgehend vom Tisch wären, wenn die Leute nur ihren Müll ordentlich trennen würden. Insofern darf die Frage zumindest gestattet sein, inwieweit es lohnt, sich über einen Margarinebecher im Restmüll überhaupt aufzuregen. Aber tief in mir drin würde ich andererseits gern verstehen wollen, was genau daran eigentlich so schwierig zu begreifen ist. Wer sich die Mühe macht, Zeitungen und Zeitschriften von anderem Mist zu trennen und in das richtige Behältnis zu entsorgen, sollte an und für sich imstande sein zu erkennen, dass es dem ursprünglichen Zweck dieses Abfallmanagements zuwiderläuft, wenn gleichzeitig die Plastiktüte, in der das Papier dankenswerterweise gesammelt wurde, ebenfalls in die Papiertonne geworfen wird. Intelligentes Leben sieht anders aus.

Wie gesagt, geht dadurch die Welt nicht unter. Seine Brisanz erhält dieses Problem durch Weiterspinnen folgenden Gedankengangs: Wie sollen Lösungen für wirklich komplexe Angelegenheiten eigentlich beschaffen sein, wenn es ein guter Teil der Leute nicht einmal geschissen bekommt, solche vergleichsweise einfachen Dinge fehlerfrei durchzuführen?! Daher ist mir auch komplett rätselhaft, woher manche Menschen ihren völlig unangebrachten Optimismus nehmen, es könnte mit diesem Planeten doch noch ein versöhnliches Ende geben.

Ähnlich unergründlich folgender Sachverhalt: Wenn die Papiertonne regelmäßig nicht aufnehmen kann, was die Hausgemeinschaft in dieser Hinsicht zusammenträgt, wird man dieses Problem kaum lösen, indem Einzelne weiterhin mittlere bis große Kartons darin platzieren, ohne sie vorher zusammengefaltet zu haben. Aber woher soll man so etwas auch wissen? Volle Tonnen jedenfalls führen in der Regel dazu, dass alles, was nicht mehr hineinpasst, einfach in eine andere verfügbare Tonne geworfen wird, die das Pech hat, erstens in unmittelbarer Nähe zu stehen und zweitens noch Platz zu bieten. Zumindest wird das in Offenbach so praktiziert. Man kann die Chose schließlich nicht einfach unter den Tisch kehren. Was nicht passt, wird passend gemacht, und die Fehlwurfquote interessiert in diesen Fällen einen feuchten Kehricht. Unterschiedliche Untersuchungen gehen davon aus, dass zwischen 10 und 60 Prozent der Abfälle im verkehrten Behältnis landen. Kein Wert, auf den man sich etwas einbilden könnte. Und das in Deutschland, das im Rest der Welt als Inbegriff penibler Mülltrennung gilt.

Doch auch wenn man es nicht immer ganz genau nimmt – das reine Gewissen lässt man sich deswegen nicht nehmen: Immerhin zwei Drittel gaben bei einer vor ein paar Jahren durchgeführten Umfrage an, Müll zu trennen sei ihr größter Beitrag zum Umweltschutz. Dass man – zumindest was Verpackungsmüll betrifft – europaweit auch mit einigem Abstand den meisten Müll produziert, sehen dann wie immer wieder nur die, die immer an allem etwas auszusetzen haben. Dabei wussten wir dieser Problematik bereits vor knapp 30 Jahren die passende Antwort entgegenzusetzen: den Grünen Punkt.

Seitdem füllen wir einen bestimmten Teil unseres Abfalls in Säcke, die nur minimal stabiler sind als Seifenblasen. Wenn man zudem das Pech hat, beispielsweise in Offenbach zu leben, ist man seitdem doppelt bestraft. Zum einen – logisch – weil man halt in Offenbach lebt. Zum anderen, weil hier die gelben Säcke nur alle vier Wochen abgeholt werden. Wer sich zum Beispiel den Luxus eines Haustieres gönnt, weiß, dass für eine Schale Hunde- oder Katzenfutter vier Wochen eine lange Zeit sind, in der sich der Inhalt dieser Säcke nicht immer geruchsneutral verhält. Auch um zu vermeiden, dass die Ratten beim Abtransport der Wertstoffe dem Entsorgungsunternehmen zuvorkommen, wird man also unweigerlich dazu übergehen, die Leichtverpackungen zu spülen. Dafür dass bis vor kurzem zwei Drittel der gesammelten Kunststoffe am Ende auch einfach verbrannt werden durften, vielleicht etwas zuviel des Aufwands.

Das größte zweifelhafte Verdienst der Einführung des Grünen Punktes ist allerdings die seitdem eingetretene Unübersichtlichkeit. Fragen, ob zum Beispiel die farblich getrennten Glasflaschen auf dem Fahrzeug nicht ohnehin wieder vermischt oder die Heftklammern einer Zeitschrift das Recycling des Papiers verunmöglichen würden, waren harmlos im Vergleich zu der Diskussion, was genau eigentlich in die gelben Behältnisse, sei es Tonne oder Sack, hineingehört. Hartnäckig hält sich nämlich bis heute das Gerücht, sämtliche Kunststoffe würden darin ihr Happy End finden. In Wahrheit gehört aber der Strohhalm in den Restmüll und nur die stoffgleiche Verpackung desselben in den Gelben Sack. Dass der Müll nach seiner ehemaligen Funktion und nicht nach Stoffen getrennt wird, war zur Zeit der Einführung des Grünen Punktes schon nicht zeitgemäß. Auf gut Deutsch: Das Duale System war schon immer für die Tonne. Wer etwas anderes behauptet, erzählt Müll.

Gerade einmal halb so alt wie das Duale System, hat das Zwangspfand auf Einwegflaschen innerhalb kürzerer Zeit für noch größere Verwirrung gesorgt: Laut einer Umfrage aus dem Jahr 2015 wusste die Hälfte der Befragten den Unterschied zwischen Einweg- und Mehrwegflaschen nicht. Ich weiß zwar nicht, wen die da gefragt haben, aber dieses Ergebnis lässt hoffen. Wenn der Unterschied bekannt, die daraus eigentlich resultierenden Konsequenzen dem Endverbraucher allerdings gleichgültig wären, hätte dies bei mir offen gestanden für größere Beunruhigung gesorgt. So bleibt unterm Strich die Erkenntnis, dass niemand so wirklich etwas dafür kann, dass bei der Masse das Bewusstsein entstand: Da man die Flaschen nicht mehr wegwirft, sondern zurückgibt, kann das nur im Sinne des Umweltschutzes sein. Im Laufe weniger Jahre hat sich dadurch die Absicht, durch Erhebung des Zwangspfandes die Leute zum Kauf von Mehrwegprodukten zu animieren, in ihr Gegenteil verkehrt: Der Anteil an Einwegbehältnissen bei Getränken ist inzwischen mehr als doppelt so hoch wie zur Zeit der Einführung des Dosenpfands. Als Erfolg immerhin lässt sich verbuchen: 97 Prozent der verkauften Einweg-Getränkeverpackungen finden den Weg zurück zum Händler; in Büschen und auf Wiesen liegen heute deutlich weniger davon herum als das noch vor 20 Jahren der Fall gewesen ist.

Erst das Einwegpfand hat das Auflesen herrenloser Flaschen zu einer halbwegs rentablen Einnahmequelle gemacht.

Vielleicht steuern wir ja doch auf ein versöhnliches Ende hin und ich bin derjenige, der zu kurzsichtig ist, den guten Weg zu erkennen, auf dem wir uns schon befinden.