Wer im Glashaus sitzt, lehrt das Sprichwort, sollte nicht mit Steinen werfen. Sollte ich mich also jemals wieder über Fehleinkäufe meines Lieblings-Fußballvereins aufregen, dürfen mich gute Freunde bei dieser Gelegenheit gern an einige Dinge erinnern, die ich mir in den letzten Jahren zugelegt habe und die ihr Geld im Grunde genauso wenig wert gewesen sind als so mancher mit reichlich Vorschusslorbeeren bedachte Spieler in Schwarz-Rot.

Meine neueste diesbezügliche Errungenschaft ist ein Notenständer. Dass das Desinteresse meiner Mitbürger an einem Gitarrenkurs an der Volkshochschule ausgeprägt genug sein könnte, um den Kurs mangels Teilnehmern nicht stattfinden zu lassen, hatte ich als Möglichkeit gar nicht auf dem Zettel und also über ebay schon einen Ständer beschafft gehabt, bevor mich die schlechte Nachricht erreichte, dass ich gar keinen brauche.

Im Gegensatz zu dem an dieser Einrichtung seinerzeit ebenfalls nicht zustande gekommenen Clowns-Workshop oder später der Einführung ins Lachyoga fand der Kurs über Hundeerziehung vor ein paar Jahren ein ausreichend großes Publikum. Bevor jemand von einem Fall auf den anderen schließt – den Hund hatten wir selbstverständlich bereits vorher und nicht etwa eigens für den Besuch dieses Kurses angeschafft. Allerdings habe ich mir im Zuge der Beschäftigung mit dem Thema irgendwann eine Reizangel gekauft. Ich glaubte, dass es eine sinnvolle Sache sein könnte, den Hund damit zu beschäftigen und etwas auszulasten. Erst als ich sie bereits hatte, dachte ich darüber nach, dass für einen Hund, den ich aufgrund seiner Gelenkprobleme schon seit einigen Jahren die Treppe hoch und runter trage, ein Spielzeug, das zu abrupten Richtungswechseln verleitet, eher suboptimal ist. Also war auch diese Anschaffung für die Katz gewesen. Der Kater jedenfalls hat an solchen Spielen ein reges Interesse. Im Gegensatz übrigens zu allen Dingen, die extra für ihn angeschafft, von ihm allerdings konsequent ignoriert und auf diese Weise ebenfalls zu Fehlkäufen wurden.

Sich Dinge zuzulegen, die mehr versprechen als sie halten, ist übrigens keine Problematik, der man sich erst spät im Leben zu stellen hat, wenn man bereits wenn nicht alles, so doch zumindest ausreichend besitzt, um im Prinzip ein glückliches Leben führen zu können. Ein Blick auf meine Plattensammlung, deren erste Bestandteile ich mir zu Teenagerzeiten ins Haus geholt habe, bestätigt mir noch heute das ein ums andere Mal schmerzhaft, was ich mit meinem ersten selbst verdienten Geld teilweise angerichtet habe. Den Vogel abgeschossen hat jedoch ein früherer Bekannter: Eines Abends schenkte er mir eine CD einer Band namens „Gladiators“. Er hatte sie sich gekauft in der Annahme, dass es sich um ein Werk der bekannten Reggae-Kapelle The Gladiators handelt. Reggae war es nicht ganz, was da aus den Lautsprechern schepperte, als ich sie einlegte. Ich war allerdings kein bisschen überrascht, denn manche Bandlogos weisen den Kenner schon zu 99 Prozent darauf hin, welches musikalische Genre in etwa zu erwarten ist. Das Bandfoto auf der Rückseite des Booklets bestätigte meinen Verdacht: Die langhaarigen Musikanten waren weiß, was zu einer jamaikanischen Band genauso wenig passt wie das Outfit aus Jeans und Lederjacken. Mancher mag es als engstirnig empfinden, aber ich kann die Enttäuschung nachvollziehen, wenn entgegen der Erwartung schon nach wenigen Sekunden des Hörens eine Wand aus verzerrten Gitarren signalisiert, dass man sich mit dieser CD vergriffen hat und nicht die Gladiators aus Jamaika, sondern die Metal-Band gleichen Namens erwischt hat.

Ich habe die CD übrigens seit diesem Abend kein weiteres Mal mehr angehört.

Ohne dass es eines besonderen Schlüsselerlebnisses bedürfte, begreift man dann irgendwann im Leben einfach: Fehlkäufe sind ganz normaler Ausdruck einer übersättigten Gesellschaft, die sonst keine größeren Probleme hat. Fitnessgeräte sind der Klassiker. Aber auch Kleidungsstücke, die dieses berühmte „etwas“ zu klein sind, in die man aber bestimmt bald hineinpasst, wenn man nur erst dieses ebenso berühmte „etwas“ Gewicht abgeworfen hat. Als Mensch, der Zeit seines Lebens ´mal mehr, ´mal weniger „etwas“ über dem Wunschgewicht liegt, kenne ich die Hoffnung, man möge mit „etwas“ mehr Konsequenz in das neue Lieblingsstück noch im umgekehrten Sinn „hineinwachsen“, natürlich bestens. Schließlich ist man ja ohnehin gerade wie eigentlich immer am Abnehmen. Dumm nur, wenn selbst jahrzehntelange Lebenserfahrung nicht lehrt, dass der Prozess des Abnehmens sich regelmäßig in sein Gegenteil verkehrt und man den neuen schicken Fummel niemals ohne Schmerzen wird tragen können.

Angesichts dieser Serie von Fehlkäufen bin ich insgeheim froh, dass ich meistens preisbewusst einkaufe. Für richtig große Anschaffungen wie Flugzeugträger oder ähnlichen Klimbim fehlt dem gemeinen Lageristen ohnehin meist das gewisse Etwas an Taschengeld. Doch auch im Alltag wird darauf geachtet, nicht zu teuer einzukaufen. Das macht einen Fehlkauf nicht weniger ärgerlich, sondern bestenfalls häufiger:

Als Angebots- und Flohmarkt- oder generell Gebraucht-Käufer unterliegt man einer gewissen Anfälligkeit, im falschen Moment zuzuschlagen, ihn aber im Eifer des Gefechts für den richtigen zu halten. Schließlich bekommt man diese Dinge sonst nie wieder zu diesem Preis! Ob man das Zeugs tatsächlich braucht, gerät dabei genauso zur Nebensache wie die Erfahrung, dass man oft genug doch noch ein vergleichbares Schnäppchen findet. Vor allem aber verleitet das Gebrauchtwarentreiben dazu, eine Kaufentscheidung sehr schnell zu treffen, weil schon der Nebenmann derjenige sein könnte, der einem den begehrten Artikel wegschnappt, wenn man zu lange zögert. Dass der Nebenmann sich bloß für das ausliegende Werkzeug interessiert, sieht man ihm ja nicht an. Das ist natürlich ein Druckmittel, das sonst nicht einmal Teleshopping-Sender künstlich aufbauen können. Und ehe man richtig darüber nachgedacht hat, sieht man sich einen Schein über den Tisch reichen, um im Gegenzug einen Schokobrunnen zu empfangen, der in den kommenden zehn Jahren zweimal selbst benutzt und ein weiteres Mal an die Ex-Gattin verliehen wird. Fehlkauf-Faktor 9 von 10.

Und als wären Tombolapreise, Impulskäufe und Spielzeug für die Katze nicht schon genug der unbenutzten Gegenstände für einen einzigen Haushalt, kommen als Höhepunkt dann noch Anschaffungen dazu, bei denen ich vorher sogar gut überlegt habe, ob ich sie wirklich haben muss.

Was nicht immer einfach ist. Denn ist man erst einmal über den Punkt hinaus, an dem alles, was weder Grundbedürfnisse stillt noch Fanartikel von Eintracht Frankfurt ist, von vorneherein Luxus und daher kein Muss ist, wird es mangels klarer Kriterien zwangsläufig kompliziert. Das vorläufig letzte Resultat solcher Überlegungen ist ein Hemdenbügler, der mir 15 Euro und eine Fahrt nach Dörnigheim wert war.

Im Gegensatz zum Notenständer, von dem ich zum Zeitpunkt, als ich ihn in den Händen hielt, schon wusste, dass ich ihn dieses Jahr nicht mehr benötigen würde, ist der Hemdenbügler aktuell heißester Anwärter darauf, in der Silvesternacht rückblickend als überflüssigster Kauf des Jahres gehandelt zu werden, gerade weil ich ihn benutzt habe. Viel Konkurrenz im Rennen um diesen Titel wird er jetzt nicht mehr bekommen. Hoffe ich. Große Lust, mir jetzt extra noch etwas Sinnloses zuzulegen, damit der Titelkampf bis zum Schluss spannend bleibt, habe ich aus naheliegenden Gründen jedenfalls nicht.

Dabei ist das Konzept Hemdenbügler ja nicht verkehrt. Es liegt einfach nur daran, dass diese Dinger nicht so funktionieren wie ursprünglich wahrscheinlich gedacht und man sich aber offenbar sagte: „Das ist uns jetzt erstmal scheißegal. Wir hauen die Dinger trotzdem auf den Markt. Irgendwelche Deppen werden sie schon kaufen.“ Ich vermute, dass es aus diesem Grund weltweit auch nur weniger als 100 Exemplare gibt, die einfach immer wieder gebraucht weiterverkauft werden, bis man auch im letzten Dorf dieses Erdballs weiß, dass diese Technik nicht begeistert. Der Hemdenbügler ist demnach so ein bisschen der Schwarze Peter unter den Haushaltsgeräten: Wenn man ihn denn einmal hat, möchte man ihn so schnell wie möglich wieder loswerden. Ich warte drauf, dass jemand eines dieser Teile im Tausch gegen eine Flasche Sekt anbietet, die dann zur Feier des Tages umgehend nach der Übergabe geköpft wird.

Der Vergleich mag zynisch klingen, aber manche Sachen sind wie der Besuch der Schwiegermutter: Man freut sich zwar auch ein bisschen und kann eine kurze Zeit lang sogar etwas mit ihr anfangen, aber dann kommt doch recht bald der Punkt, ab dem man sich darauf freut, dass sie bald wieder weg ist.

So ging es mir jedenfalls. Mit einer Gitarre, die ich ´mal besessen hatte.

Jene Gitarre wurde mir eines Abends von niemand geringerem als dem Menschen mit der Gladiators-CD mitgebracht. Er hatte sie irgendwo auf dem Weg zu mir gefunden. Ob es für den Sperrmüll bestimmt war oder ob es einen anderen, womöglich plausiblen Grund dafür gibt, weshalb die am Straßenrand liegt, ist in Offenbach in der Regel kaum zu ermitteln. Doch spätestens seit diesem Abend weiß ich die Vorzüge einer Gitarre gegenüber einem Klavier sehr zu schätzen. Die Gitarre hatte sieben Saiten, von denen fünf bespannt waren. Eine eindeutig zu komplexe Konstellation für jemand, der zwar keine Gitarre spielen kann, aber immerhin weiß, dass – wenn er sie spielen könnte – es nur mit sechs Saiten ansatzweise normal klingen würde. Obwohl man sich bei meinem Kumpel – wie auch das Beispiel mit der CD bestätigt – nie ganz sicher sein kann, ob er sich bei irgendeiner seiner Aktionen etwas denkt, behauptete er, er habe sich gedacht, ich könne eventuell ja noch etwas damit anfangen. Konnte ich zwar nicht. Zumindest nicht sofort. Aber wenigstens dieses eine Mal bewahrheitete sich die alte Messie-Weisheit „Das kann man bestimmt irgendwann noch ´mal gebrauchen“…

Als ich nämlich zwei Jahre später gemeinsam mit einem anderen Freund für einen Abend ein Zeltlager der katholischen Jugend besuchte, um einen netten zusätzlichen Programmpunkt zu gestalten, waren wir uns einig, dass wir nur dann glaubwürdig böse Zauberer verkörpern, wenn wir etwas vorsätzlich zerstören.

In Wahrheit hatten wir einfach Bock darauf, etwas kaputtzumachen, weswegen wir mit der zufälligen Übereinstimmung mit dem Ziel, fiese Gestalten möglichst authentisch darzustellen, keine Schwierigkeit hatten. Und da sich die Szene am Lagerfeuer abspielen sollte, tauschten wir vor dem Auftritt die Gitarre des offiziellen Lagergitarristen gegen unsere aus, damit wir den Kindern im richtigen Moment beweisen konnten, dass wir es absolut ernst meinen. Auf diese Weise kam ich zu ein paar Sekunden Rockstar-Feeling, als ich die Gitarre zerschmettern durfte. Die Zeltlagerteilnehmer dagegen trauten ihren Augen nicht, und die Gitarre fand im Lagerfeuer letzten Endes doch noch den Weg zu einer sinnvollen, wenn auch nicht ganz CO2-neutralen Verwertung.

Wenn es für einen Blogeintrag wichtig wäre, eines zu haben, könnte das diesmalige Fazit in etwa lauten: Wenn man sich schon die Bude mit unnützen Sachen zumüllt – nehmt CDs, Hemdenbügler oder zur Not auch Reizangeln. Denn schlechte Fußballspieler lassen sich fürs Schrottwichteln bei der Weihnachtsfeier ähnlich schlecht einpacken wie ein Flugzeugträger.