Wenn man an einem Sonntagmorgen gegen 7.30 Uhr noch während der Hunderunde feststellt, dass man nach dem anschließenden Fütterungsritual erst einmal gepflegt, aber dennoch relativ dringend für zwei bis drei Minuten ungestört die Toilette aufsuchen sollte, ist das Geständnis der Partnerin, sie habe die Toilette verstopft, von vielen denkbaren ungünstigen Zeitpunkten mutmaßlich einer der unwillkommensten.

Ich weiß nicht, wie sie es geschafft hat, und möchte es mir auch nicht unbedingt vorstellen. Aber nachdem sie mir erst einen Tag vorher erzählt hatte, dass sie auf der Fahrt zu mir mit der Zugtoilette bereits das Gleiche angestellt hat, sehe ich mich in meiner Praxis bestätigt, nicht mehr an Zufälle zu glauben. Zwar weit entfernt, deshalb irgendwelche Verschwörungstheorien zu entwickeln, meine ich doch aber zumindest eine gewisse Methode dahinter zu erkennen.

Wenigstens gerät man in dieser Situation schnell an einen Punkt, an dem man die durch dieses Malheur ausgelöste Verschiebung des Frühstücks nicht mehr bedauert, weil der Appetit durch das Herumstochern in der Keramik in geradezu beeindruckender Weise gezügelt wird. Nun ja – schaden kann dies uns beiden nicht.

Ich sollte zur Ehrenrettung noch erwähnen, dass die Dame auch andere Kompetenzen hat. Aber mich in gerade einmal zweieinhalb Monaten Beziehung bereits das zweite Mal textlich in Sachen Fäkalthemen zu inspirieren, muss einem erst einmal gelingen.

Gelingen sollte mir im weiteren Verlauf dann auch die Wiedereröffnung der Toilette. Alles andere als gelungen war dagegen das kurze Zeit darauf dann natürlich doch stattgefundene Frühstück.

Wenn man es genau nimmt, war das Frühstück natürlich ein Frühstück wie jedes andere. Jedenfalls bis zu dem Moment, in dem mir rund die Hälfte eines Backenzahnes weggebrochen ist. Einen gelungenen Sonntag stelle ich mir anders vor.

Dass mir meine zahnhygienischen Jugendsünden an der betroffenen Stelle sehr bald eine Krone bescheren würden, wusste ich zwar bereits seit meinem letzten Zahnarztbesuch, der erst wenige Wochen her ist. Dieses Wissen löst allerdings nicht das Problem, dass mir für diese Behandlung exakt drei Dinge fehlen: Erstens Lust, zweitens Zeit, drittens Geld.

Als ob ich in den zehn Tagen davor mit zusammengerechnet rund 200 Euro Behandlungskosten für den Hund nicht bereits ausreichend Geld auf mein Karma-Konto umzubuchen gezwungen war..!

Andererseits: Wenn man bei einem fast fünfzehnjährigen Hund angesichts der weitgehenden Verweigerung der Nahrungsaufnahme schon sein baldiges Ende herannahen sah, freut man sich natürlich über einen weiteren Aufschub seines Abschiedes, bevor man an das Geld denkt. Es heißt ja allenthalben, ein Hund sei wie ein Familienmitglied. Dieser Sichtweise muss ich hier und heute widersprechen: Im Falle einer dauerhaften Trennung von Ehefrau und Kind sind die großzügigerweise überlassenen Haustiere nicht einfach nur Mitglied, sondern die Familie selbst. Der Unterschied ist höchstens, dass man von Hund und Katze seltener in Frage gestellt wird. Also – von Hund seltener als von Katze, aber das wäre ein anderes Thema.

Alles ist relativ

Um zwischendurch auch ´mal einen der positiven Aspekte meines Daseins zu würdigen, erlaubte ich mir, angesichts meines 19. Trockengeburtstages fünf Packungen Windbeutel auf die Arbeit mitzubringen. Dass mich eine Kollegin mit ihrer Anmerkung, die letzten von mir spendierten Windbeutel wären nach meiner Scheidung gewesen, just in dem Moment, als ich alles Ungemach wenigstens für einen kurzen Moment lang ausblenden wollte, daran erinnerte, dass nicht nur mein Gebiss ein Trümmerhaufen ist, sondern genau genommen mein komplettes Leben, war so natürlich nicht beabsichtigt, hat aber seine Wirkung nicht verfehlt.

Seit mit zunehmendem Alter des Hundes auch die Gassirunden kürzer geworden sind und mich morgens regelmäßig am Haupteingang eines Seniorenheims vorbeiführen, rufen mir die dort gelegentlich stehenden Fahrzeuge von Bestattungsunternehmen in schonungsloser Direktheit ins Gedächtnis, dass verstopfte Klos und kaputte Zähne im Vergleich zu anderen Szenarien durchaus lösbare Aufgaben sind.

Ich denke mir beim Vorbeilaufen manchmal: Wenn mein Leben heute zu Ende wäre und ich vorher noch die Gelegenheit hätte, darüber nachzudenken, wie es denn unterm Strich so war, wäre mein Urteil zwar nicht direkt vernichtend, umgekehrt aber eben auch nicht übertrieben begeistert.

Auch wenn es vielleicht gerade so klingt – das soll kein Plädoyer dafür sein, sich ein möglichst abruptes Ableben zu wünschen, das einem jede Möglichkeit nimmt, noch einmal in aller Ruhe das Geschehene zu resümieren. Ich möchte nicht so plötzlich aus dem Leben scheiden wollen, dass zwischen „Hoppla, wie geschieht mir gerade?“ und dem völligen Nichts, das ich für diesen Fall leider erwarte, kein Gedanke mehr passt, also auch nicht die üblichen Besänftigungsformeln wie „Ein Beinbruch wäre schlimmer“ oder „Morgen sieht die Welt schon wieder anders aus“.

Sollte ich dereinst vorher noch die Gelegenheit haben, darüber nachzudenken, würde ich aber vermutlich anerkennen, dass solche Dinge wie Hund, Katze oder Partnerin, obwohl allesamt in der Haltung nicht ganz billig, auch dazu beigetragen haben werden, das alles extrem lebenswerter gemacht zu haben.

Schade nur, dass „Ich werde es überleben“ als Standardkommentar zu kleinen und mittleren Alltagskatastrophen ab einem gewissen Alter in Zweckoptimismus übergeht.