Als ich neulich früh als Bestandteil meiner Morgen-Routine den Schnauzen-Schmöker aufschlug, um mir anzeigen zu lassen, wer aus meinem dortigen Bekanntenkreis mich zu welchem Spiel eingeladen hat und wem ich zum Geburtstag gratulieren könnte oder sollte, wurde mir unter der Überschrift „Deine Erinnerungen auf Facebookfolgender Vorschlag unterbreitet:

Hallo Markus, es ist schön, Erinnerungen wach zu halten. Wir könnten uns vorstellen, dass du gern an diesen Beitrag von vor 1 Jahr zurückdenkst.“ Man kennt das.

Darunter das Bild von meinem KFZ-Anhänger, der seinerzeit gerade einseitig über die komplette Länge getaggt worden war. Wer denkt da nicht gern dran zurück?! Hut ab, gelungener Vorschlag!

Eine in diesem Netzwerk etwaig vorhandene Schwarmintelligenz wollte ich damals nutzen, um das beste Mittel zu erhalten, die Verzierungen wieder herunterzubekommen. Ich hatte einfach nur an den Aufwand, die Zeit, das nicht vorhandene Geld gedacht, das nun alles aufgewendet werden muss, um bei der nächsten Ballonauslieferung für eine Hochzeit mit einem repräsentativeren Gespann als diesem vorfahren zu können. Darüberhinaus konnte mir natürlich auch die Vorstellung nicht recht sein, daß gemäß der Broken-Windows-Theorie bald das ganze Viertel den Bach ´runtergeht, kaum daß ich mich nach acht Jahren hier etwas eingelebt habe.

Ich habe den sicher gut und wohl auch ernst gemeinten Vorschlag am Ende ignoriert. Denn selbst für ein ansonsten ereignisarmes Leben wie das meinige ist dieser Vorgang mehr Randnotiz als Meilenstein. Um im Gespräch zu bleiben, habe ich andere Mittel. Immerhin habe ich über dem Grübeln, ob ich es nicht vielleicht doch spaßeshalber tun sollte, glatt vergessen, in meine in vorgenanntem Netzwerk erfolgreich als Singlegruppe getarnte Lieblings-Freakshow ´reinzulesen.

Bevor die Einleitung wieder länger als der Haupttext wird

In Zeiten wie diesen ebenso wichtiger Bestandteil meiner Morgen-Routine: der teils immer noch ungläubige Blick auf die Tabelle der Fußball-Bundesliga. Hätte nicht der Verein meines Herzens zur Winterpause einen sensationellen 4. Platz erklommen – man hätte fast denken können, dies wäre ein Jahr wie jedes andere gewesen. Die Truppe, die von den Eingeborenen des Ortes, in dem ich geboren bin und lebe, nur die „Unaussprechlichen“ genannt wird, hat einen Lauf. Jetzt bloß nicht wieder diesen einen Fehler machen, den ich immer mache! Nämlich glauben, daß es auch gut weiterläuft, wenn es denn ´mal läuft.

Wenn ich in diesem Zusammenhang immer schreibe, meine ich genau das: immer. Da gibt es nichts zwischen den Zeilen zu lesen. Zwei gewonnene Spiele hintereinander, und das internationale Geschäft ist in greifbarer Nähe. Selbst nachdem 1992 die Meisterschaft verpfiffen wurde, nahm ich noch an, das könne ja Ende der nächsten Saison nachgeholt werden. Daß ich just an jenem Tag der Chance beraubt wurde, die Eintracht in diesem Leben einmal als Deutschen Meister zu erleben, begriff ich erst viel später. Ein Fehler.

Nun kann ich mir inzwischen anders als früher durchaus auch Fehler verzeihen. Bis zur vollständigen Reife benötigt diese Einsicht möglicherweise noch ein wenig Zeit, doch im Grundsatz bin ich mit mir einig: wer allein aus seiner Komfortzone heraus agiert, der macht weniger Fehler, entwickelt sich allerdings auch nicht in dem Maße weiter als jemand, der akzeptiert, daß Fehler dazugehören.

Zu jeder Zeit meines Lebens habe ich welche gemacht und mache sie bis heute und hoffentlich noch eine ganze Weile über den heutigen Tag hinaus. Einige wirklich bescheuerte waren auch darunter.

So zum Beispiel als ich annahm, daß soziale Netzwerke wie das bereits erwähnte der Kontaktpflege und dem Austausch dienen. Bei vielen jedoch ist das einzige, das dort gepflegt wird, das Ausleben ihrer Selbstverliebtheit. Weswegen ich auch immer noch auf den „Nervt“-Button warte.

Wenn wir gerade dabei sind: Ein „Nie mehr 2. Liga“-Button für Beiträge, die den Lieblingsverein betreffen wäre mir genauso hilfreich wie der „Absteiger!“-Button zum Schmähen der fußballerischen Vorlieben Anderer. Der ultimative Höhepunkt jedoch wäre der „solange das Dein größtes Problem ist, kann es Dir nicht schlecht gehen“-Knopf.

Ich schweife ab, tue das aber gern. Angesichts selektiver Wahrnehmung entscheidet ohnehin jeder einzelne, ob der Schwerpunkt des gelesenen Beitrags nun Fehler oder Facebook ist. Jeder sieht die Welt mit seinen eigenen Augen. Und wer sich einem anderen als dem oben genannten Fußballclub zugeneigt fühlt, hat eventuell sogar viel weiter oben schon aufgehört weiterzulesen.

Dumme Menschen machen immer die gleichen und kluge Menschen immer neue Fehler“

Ich kann bis jetzt nicht unbedingt behaupten, außerordentlich gut damit umgehen können, wenn ich als dumm bezeichnet werde. Dieses Sprichwort konsequent zu Ende zu denken, kann im Ergebnis also nicht anders als mir zu missfallen. Wiewohl ich ähnliches vor Jahren schon selbst gesagt habe. Also, nicht nur gesagt, sondern auch entsprechend gehandelt. Wenn schon nicht in der Aufarbeitung von Fehlern auf der Höhe der Zeit, war ich in Fragen der Selbstkongruenz ganz weit vorne. Ist auch viel wert. Angeblich auch bei Frauen. Denen ich viele dieser frühen und späten Erkenntnisse über mich, Gott und die Welt verdanke.

Ein bißchen wenigstens. Mittelbar. Manche unmittelbar. Also etwas mehr als nur ein bißchen.

Ich möchte das anhand meines persönlichen Musterbeispiels illustrieren: Immer wieder denke ich, Dinge wie Humor oder Intellekt wären eine sehr gute Grundlage, Frauen zu beeindrucken. Um immer wieder festzustellen: Fataler Fehler! Geld, Status, Position sind sexy. Das Fass mit dem Aussehen mache ich lieber gar nicht erst auf. Fehler sind dazu da, sie zu wiederholen.

Nicht sehr viel besser setze ich das in Beziehungen um. Kostproben? Gern:

Ein Garten? – Ein Garten. Ein Hund? – Ein Hund. Ich habe das getan, was ich in dieser Beziehung immer getan habe: gesagt, daß das in Ordnung geht, solange ich so wenig wie möglich mit der damit verbundenen Arbeit zu tun habe. Und dabei den Fehler gemacht, fest daran zu glauben, daß diese meine Aussagen beim Gegenüber ernst genommen würden.

Stattdessen habe ich die innerhalb kürzester Zeit, welche dennoch gerade lang genug war, um für mich schleichend zu erscheinen, den größeren Teil der Arbeit übernommen. Das war beim Garten so und beim Hund nicht anders.

Der Garten blüht inzwischen ohne mein Mitwirken; der Hund ist längst Bestandteil meiner Morgenroutine.