Man hat ja von Zeit zu Zeit Phasen, in denen man dankbar ist, dass niemand in die Zukunft blicken kann. Wenn die Gegenwart abscheulich genug ist, will man lieber gar nicht erst wissen, was uns noch erwartet. Vor manchen besonders unanständigen Auswüchsen der Aufmerksamkeitsökonomie beispielsweise hat man doch schon längst kapituliert.

Dass ich dieser Tage den Glauben an die Zurechnungsfähigkeit weiter Kreise dieser Gesellschaft wieder einmal verloren habe, liegt an einem Click-Köder, dem ich auf den Leim gegangen bin: „Mann kauft bei Aldi Wasserflasche – doch mit diesem Inhalt hat er bestimmt nicht gerechnet“

Als halbwegs urteilsfähiger Konsument weiß man ja, dass die letztendliche Information „oftmals weit weniger spektakulär (ist), als die Überschrift verspricht“, wie uns Wikipedia aufklärt. Auf solche Weise hat man als interessierter Leser auch schon, geködert von der Überschrift „Jetzt spricht er dazu“, erfahren, was Angelo Kelly zum Streit mit einem Teil seiner Geschwister Wissenswertes beizutragen hat: „Was dieses Thema angeht – darüber rede ich nicht.“ So genau hatte man es im Grunde gar nicht wissen wollen.

Aus Erfahrung offensichtlich nicht klug geworden, wurde ich bei besagter Wasserflasche neugierig und dachte bereits an etwas ausgesprochen Unappetitliches oder wenigstens an einen Flaschengeist.

Nachdem ich wenige Zeilen später lesen durfte, dass es sich dabei lediglich um eine leere Flasche inmitten ansonsten ordentlich abgefüllter Flaschen eines Sechser-Gebindes handelte, war meine erste Reaktion ungläubiges Scrollen, ob ich nicht irgendwo die Pointe einfach übersehen habe.

Habe ich natürlich nicht. Das ist tatsächlich die ganze Geschichte, und es kommt nichts mehr. Der Nachrichtenwert dieser Meldung ist genauso gering wie die Flasche, um die es sich darin dreht. Dagegen sind die täglichen Wasserstandsmeldungen aus dem Dschungelcamp fast schon Meilensteine des Investigativ-Journalismus. Da eine Multiplikation mit dem Faktor Null leider auch Null ergibt, kann ich nicht einmal behaupten, meine Texte wären um ein Vielfaches relevanter. Dass dieser Beitrag bei mehreren unterschiedlichen Zeitungen und Zeitschriften veröffentlicht wurde, hat ihn nicht gehaltvoller, dafür aber meinen Glauben an die Integrität mancher Medienhäuser erschütterlicher gemacht. Die Welt wäre um einiges besser, wenn nach dem Klicken solcher Nicht-Nachrichten ein Zonk erschiene. Ein Zonk war in einer Spielshow, die vor gut 20 Jahren lief, die Niete. Die Spielshow selbst wiederum kann als Hinweis dafür gewertet werden, dass früher bei weitem nicht alles besser war. So oder so wäre eine Art digitaler Zonk als unmissverständlicher Hinweis darauf, dass nach einem Klick nicht mehr allzuviel zu erwarten ist, mehr als wünschenswert.

Und als ob es nichts Wichtigeres gäbe, wurde ich bei google news drei Tage lang mit dieser sagenhaften Nachricht konfrontiert! Ich fühle mich betrogen. Serviert mir stattdessen lieber Nachrichten wie die von dem Menschen, der sich sein eigenes Sperma in den Arm spritzte in der Annahme, es handele sich um ein wirksames Mittel gegen seine Rückenschmerzen. Das ist Unterhaltung, bei der ich freiwillig gern klicke. Und den Mehrwert, dass ich nur einen Klick weit entfernt erfahren kann, was tatsächlich gegen Rückenschmerzen hilft, ebenso gern mitnehme.

Es liegt auf der Hand, dass mein Glauben an die Zurechnungsfähigkeit weiter Kreise dieser Gesellschaft durch solche Meldungen nicht unbedingt wiederhergestellt wird. Es bleibt dabei: Manchmal möchte man lieber nicht wissen, was uns noch alles erwartet.