Zum Geburtstag viel Glück, heißt es üblicherweise. Nachdem bei mir seit dem magischen Datum mittlerweile auch schon wieder einige Tage vergangen sind, kann man ja Zwischenbilanz ziehen, ob die ganzen Wünsche bis jetzt etwas gebracht haben. Oder ob ich eventuell mehr davon gehabt hätte, wenn Freunde und Bekannte mir statt Glück klarer definierte Dinge gewünscht hätten. Temperament etwa. Ausgeglichenheit wäre auch sehr nett. Oder so etwas wie Charme. Sex-Appeal. Zielstrebigkeit.
Was das mit dem Glück so kompliziert macht: Zwar wollen es alle gut gebrauchen können, doch versteht darunter auch jeder etwas anderes. So ergaben denn auch die in einer sechs-stelligen Anzahl in einer – leider trotzdem nicht repräsentativen – Studie gesammelten Glücksmomente erwartungsgemäß höchst unterschiedliche Antworten. Und eine Überraschung: Begebenheiten mit Haustieren werden vergleichsweise selten genannt. Was zunächst darauf hinweisen könnte, dass es den Probanden sehr gut geht. Immerhin ist ihre Gefühlswelt nicht von den Tieren abhängig. Vergegenwärtigt man sich jedoch, wovon die Viecher abgehängt wurden, bestätigt das nur die These, dass Glück für das Individuum sehr verschiedene Dinge und teils für andere schwer nachzuvollziehende Sachen sind: Erlebnisse rund ums Essen wurden viermal, Momente im Zusammenhang mit der Spielekonsole immerhin noch doppelt so oft genannt. Dabei gibt es kaum ein tolleres Gefühl, als schon beim Aufschließen der Tür den Hund übers Parkett galoppieren zu hören. Oder vom Kater halb auf dem Kopf in den Schlaf geschnurrt und am nächsten Morgen wachgeschnurrt zu werden. Logisch – an manchen Tagen geht einem genau das tierisch auf den Geist. Aber das verhält sich mit Kindern, Eltern und festen Partnern nicht wesentlich anders, und die wurden als Glücksfaktoren mit am häufigsten genannt. Wir lassen die Ergebnisse jetzt trotzdem ´mal so stehen und gehen dem heimlichen Lieblingsthema dieses Blogs weiter auf den Grund.
Lässt man die Experten sprechen, stößt man bei der Beschäftigung mit dieser Thematik gelegentlich auf die These, dass der Grad des individuellen Glücks wenigstens zum Teil genetisch bedingt sei. Zu immerhin ungefähr 50 Prozent nämlich soll die generelle Lebenszufriedenheit vorbestimmt sein. Weitere 10 Prozent seien von Umwelteinflüssen anhängig; der Rest steht sozusagen zur freien Verfügung.
Das ist also die gute Nachricht: 40 Prozent unseres persönlichen Glücks können beeinflusst werden. Was für den einen viel, für den andern wenig sein kann. Wiederum andere stöhnen an dieser Stelle bereits wieder auf: „Muss ich mich darum jetzt auch noch selbst kümmern?“
Die Frage bleibt freilich: Wovon wird die Zufriedenheit beeinflusst. Und eine nahe liegende Antwort ist immer: Geld. Es wird seine Gründe haben, dass beispielsweise die Schweiz im World Happiness Report regelmäßig auf den vorderen Rängen landet. Geld allerdings macht nicht glücklich, heißt es. Zumindest ab einer gewissen Menge nicht glücklicher. Die Zahlen, die zu dieser „gewissen Menge“ kursieren – formulieren wir es so: als Fachkraft für Lagerlogistik bin ich nicht nur knapp unterhalb der Schwelle. Man kommt nicht umhin: Das wirkt manchmal wie Propaganda: Du hast nichts, aber das macht nichts. Schau´ nur: die anderen mit dem vielen Geld sind nicht glücklich. Aber Du kannst es sein.
Das Problem an dieser Sichtweise: Wer sich, wie vor ein paar Wochen in Filialen einer französischen Supermarktkette geschehen, mit anderen weniger Begünstigten fast prügeln muss, um ein Glas Nutella zu einem fast unmoralisch niedrigen Preis zu ergattern und so wenigstens hin und wieder ein Stück Luxus abzubekommen, wird sich weder Bungeesprung noch Städtetrip zum Wochenende wirklich leisten können. Erlebnisse und Erfahrungen sind nämlich nach Meinung fast aller Menschen, die sich professionell damit beschäftigen, die Glücksfaktoren schlechthin.
Angepisst, nicht angepasst
Der umgekehrte Zusammenhang zwischen Geld und Glück wurde übrigens auch schon erforscht: Die allgemeine Zufriedenheit als Jugendlicher beeinflusse das Einkommen als Erwachsener. Wenn ich zurück schaue und überlege, wie angepisst wir zwischen 16 und 26 von so ziemlich allem waren, erklärt sich bei mir somit einiges. Aber die Gründe für unsere Gemütslage waren ja nicht eingebildet. Genauso wenig wie sie heute plötzlich allesamt verschwunden wären. Und arm an Erlebnissen war jene Zeit sicher nicht gewesen.
Entgegen allgemeiner Annahmen schade es dem Augenblick übrigens ganz und gar nicht, das Erlebte fotografisch festzuhalten. Eine Fokussierung auf den betrachteten Gegenstand bewirke einen intensiveren Kontakt damit. Ich sehe die Unzahl der in die Höhe gehaltenen smarten Telefone bei den verschiedensten Ereignissen deswegen ab jetzt wenigstens teilweise in einem anderen Licht. Die Einschränkung deshalb: Eine Sofortauswahl, um Freunde und Follower umgehend an dem eigenen Glück teilhaben zu lassen, lenke vom eigentlichen Moment wiederum doch gar zu sehr ab und kehrt dadurch den beschriebenen intensivierenden Effekt in sein Gegenteil.
Ein Tipp fürs Glück, welcher dermaßen penetrant unters Volk gebracht wird, dass vermutlich etwas Wahres dran ist: Mit anderen Menschen umgeben. So oft es geht. Ich höre schon die Einwände. Und auch ich selbst habe auf der Arbeit den ganzen Tag so viele Leute um mich herum. Wenn mich das jetzt schon zu einem glücklicheren Menschen macht, will ich lieber nicht wissen, wie mein Innerstes aussähe, müsste ich als Einzelkämpfer mein Tagwerk verrichten.
Für alle, die aus welchen Gründen auch immer auf andere Menschen nicht so Lust haben: Fische beobachten sorgt für Wohlbefinden. Wohlbefinden ist nicht gleich Glück, aber nah dran. (Auf jeden Fall näher dran als ich es mit meinem Einkommen an oben genannter Marke bin, ab der zusätzliches Geld das Glücksempfinden nicht mehr nennenswert steigert.) Wer die Pflege eines Aquariums als zu aufwendig erachtet und aber meine Vorliebe für einen bestimmten Fußballverein teilt, kann momentan mit der Betrachtung der Tabelle immerhin einen sehr ähnlichen Effekt erzielen. Das konnte ich empirisch nachweisen.
Zu guter Letzt: Wenn Ihr Euch an der Tabelle sattgesehen habt und sie deswegen beiseite legt – nehmt Euch dafür ein Buch in die Hand. Denn Lesen macht glücklich. Und noch mehr. Lesen sorgt dafür, dass man besser einschläft. Dazu muss man sich nicht einmal einen besonders langweiligen Titel aussuchen. Lesen bewirkt auch, dass man insgesamt besser schläft.
Was wiederum glücklich macht.
Weitere sachdienliche Hinweise, wie der Lebenszufriedenheit auf die Sprünge zu helfen ist, nehme ich gerne und jederzeit entgegen. Bis hierhin bemerke ich hauptsächlich ein gewisses Missverhältnis zwischen Theorie und Praxis. Anders gesagt ist angesichts der Fülle hilfreicher Tipps zumindest das Potenzial zum Glücklichsein erkennbar vorhanden. Wenngleich sich das wohlige Gefühl tiefer Zufriedenheit bislang nur sehr gelegentlich einstellt. Vielleicht liegt es ja doch am Geld.
Aber ich habe ja immerhin den Charme, den Sex-Appeal und die Ausgeglichenheit. Damit lässt sich ja auch schon etwas anfangen.
Und für alle Fälle haben einige der Geburtstagsgäste neben den Glückwünschen auch Schokolade mitgebracht.