Aufzeichnungen aus der Wirrnis des Alltags

Monat: Februar 2018

Menschen, Fische, Bücher

Zum Geburtstag viel Glück, heißt es üblicherweise. Nachdem bei mir seit dem magischen Datum mittlerweile auch schon wieder einige Tage vergangen sind, kann man ja Zwischenbilanz ziehen, ob die ganzen Wünsche bis jetzt etwas gebracht haben. Oder ob ich eventuell mehr davon gehabt hätte, wenn Freunde und Bekannte mir statt Glück klarer definierte Dinge gewünscht hätten. Temperament etwa. Ausgeglichenheit wäre auch sehr nett. Oder so etwas wie Charme. Sex-Appeal. Zielstrebigkeit.

Was das mit dem Glück so kompliziert macht: Zwar wollen es alle gut gebrauchen können, doch versteht darunter auch jeder etwas anderes. So ergaben denn auch die in einer sechs-stelligen Anzahl in einer – leider trotzdem nicht repräsentativen – Studie gesammelten Glücksmomente erwartungsgemäß höchst unterschiedliche Antworten. Und eine Überraschung: Begebenheiten mit Haustieren werden vergleichsweise selten genannt. Was zunächst darauf hinweisen könnte, dass es den Probanden sehr gut geht. Immerhin ist ihre Gefühlswelt nicht von den Tieren abhängig. Vergegenwärtigt man sich jedoch, wovon die Viecher abgehängt wurden, bestätigt das nur die These, dass Glück für das Individuum sehr verschiedene Dinge und teils für andere schwer nachzuvollziehende Sachen sind: Erlebnisse rund ums Essen wurden viermal, Momente im Zusammenhang mit der Spielekonsole immerhin noch doppelt so oft genannt. Dabei gibt es kaum ein tolleres Gefühl, als schon beim Aufschließen der Tür den Hund übers Parkett galoppieren zu hören. Oder vom Kater halb auf dem Kopf in den Schlaf geschnurrt und am nächsten Morgen wachgeschnurrt zu werden. Logisch – an manchen Tagen geht einem genau das tierisch auf den Geist. Aber das verhält sich mit Kindern, Eltern und festen Partnern nicht wesentlich anders, und die wurden als Glücksfaktoren mit am häufigsten genannt. Wir lassen die Ergebnisse jetzt trotzdem ´mal so stehen und gehen dem heimlichen Lieblingsthema dieses Blogs weiter auf den Grund.

Lässt man die Experten sprechen, stößt man bei der Beschäftigung mit dieser Thematik gelegentlich auf die These, dass der Grad des individuellen Glücks wenigstens zum Teil genetisch bedingt sei. Zu immerhin ungefähr 50 Prozent nämlich soll die generelle Lebenszufriedenheit vorbestimmt sein. Weitere 10 Prozent seien von Umwelteinflüssen anhängig; der Rest steht sozusagen zur freien Verfügung.

Das ist also die gute Nachricht: 40 Prozent unseres persönlichen Glücks können beeinflusst werden. Was für den einen viel, für den andern wenig sein kann. Wiederum andere stöhnen an dieser Stelle bereits wieder auf: „Muss ich mich darum jetzt auch noch selbst kümmern?“

Die Frage bleibt freilich: Wovon wird die Zufriedenheit beeinflusst. Und eine nahe liegende Antwort ist immer: Geld. Es wird seine Gründe haben, dass beispielsweise die Schweiz im World Happiness Report regelmäßig auf den vorderen Rängen landet. Geld allerdings macht nicht glücklich, heißt es. Zumindest ab einer gewissen Menge nicht glücklicher. Die Zahlen, die zu dieser „gewissen Menge“ kursieren – formulieren wir es so: als Fachkraft für Lagerlogistik bin ich nicht nur knapp unterhalb der Schwelle. Man kommt nicht umhin: Das wirkt manchmal wie Propaganda: Du hast nichts, aber das macht nichts. Schau´ nur: die anderen mit dem vielen Geld sind nicht glücklich. Aber Du kannst es sein.

Das Problem an dieser Sichtweise: Wer sich, wie vor ein paar Wochen in Filialen einer französischen Supermarktkette geschehen, mit anderen weniger Begünstigten fast prügeln muss, um ein Glas Nutella zu einem fast unmoralisch niedrigen Preis zu ergattern und so wenigstens hin und wieder ein Stück Luxus abzubekommen, wird sich weder Bungeesprung noch Städtetrip zum Wochenende wirklich leisten können. Erlebnisse und Erfahrungen sind nämlich nach Meinung fast aller Menschen, die sich professionell damit beschäftigen, die Glücksfaktoren schlechthin.

Angepisst, nicht angepasst

Der umgekehrte Zusammenhang zwischen Geld und Glück wurde übrigens auch schon erforscht: Die allgemeine Zufriedenheit als Jugendlicher beeinflusse das Einkommen als Erwachsener. Wenn ich zurück schaue und überlege, wie angepisst wir zwischen 16 und 26 von so ziemlich allem waren, erklärt sich bei mir somit einiges. Aber die Gründe für unsere Gemütslage waren ja nicht eingebildet. Genauso wenig wie sie heute plötzlich allesamt verschwunden wären. Und arm an Erlebnissen war jene Zeit sicher nicht gewesen.

Entgegen allgemeiner Annahmen schade es dem Augenblick übrigens ganz und gar nicht, das Erlebte fotografisch festzuhalten. Eine Fokussierung auf den betrachteten Gegenstand bewirke einen intensiveren Kontakt damit. Ich sehe die Unzahl der in die Höhe gehaltenen smarten Telefone bei den verschiedensten Ereignissen deswegen ab jetzt wenigstens teilweise in einem anderen Licht. Die Einschränkung deshalb: Eine Sofortauswahl, um Freunde und Follower umgehend an dem eigenen Glück teilhaben zu lassen, lenke vom eigentlichen Moment wiederum doch gar zu sehr ab und kehrt dadurch den beschriebenen intensivierenden Effekt in sein Gegenteil.

Ein Tipp fürs Glück, welcher dermaßen penetrant unters Volk gebracht wird, dass vermutlich etwas Wahres dran ist: Mit anderen Menschen umgeben. So oft es geht. Ich höre schon die Einwände. Und auch ich selbst habe auf der Arbeit den ganzen Tag so viele Leute um mich herum. Wenn mich das jetzt schon zu einem glücklicheren Menschen macht, will ich lieber nicht wissen, wie mein Innerstes aussähe, müsste ich als Einzelkämpfer mein Tagwerk verrichten.

Für alle, die aus welchen Gründen auch immer auf andere Menschen nicht so Lust haben: Fische beobachten sorgt für Wohlbefinden. Wohlbefinden ist nicht gleich Glück, aber nah dran. (Auf jeden Fall näher dran als ich es mit meinem Einkommen an oben genannter Marke bin, ab der zusätzliches Geld das Glücksempfinden nicht mehr nennenswert steigert.) Wer die Pflege eines Aquariums als zu aufwendig erachtet und aber meine Vorliebe für einen bestimmten Fußballverein teilt, kann momentan mit der Betrachtung der Tabelle immerhin einen sehr ähnlichen Effekt erzielen. Das konnte ich empirisch nachweisen.

Zu guter Letzt: Wenn Ihr Euch an der Tabelle sattgesehen habt und sie deswegen beiseite legt – nehmt Euch dafür ein Buch in die Hand. Denn Lesen macht glücklich. Und noch mehr. Lesen sorgt dafür, dass man besser einschläft. Dazu muss man sich nicht einmal einen besonders langweiligen Titel aussuchen. Lesen bewirkt auch, dass man insgesamt besser schläft.

Was wiederum glücklich macht.

Weitere sachdienliche Hinweise, wie der Lebenszufriedenheit auf die Sprünge zu helfen ist, nehme ich gerne und jederzeit entgegen. Bis hierhin bemerke ich hauptsächlich ein gewisses Missverhältnis zwischen Theorie und Praxis. Anders gesagt ist angesichts der Fülle hilfreicher Tipps zumindest das Potenzial zum Glücklichsein erkennbar vorhanden. Wenngleich sich das wohlige Gefühl tiefer Zufriedenheit bislang nur sehr gelegentlich einstellt. Vielleicht liegt es ja doch am Geld.

Aber ich habe ja immerhin den Charme, den Sex-Appeal und die Ausgeglichenheit. Damit lässt sich ja auch schon etwas anfangen.

Und für alle Fälle haben einige der Geburtstagsgäste neben den Glückwünschen auch Schokolade mitgebracht.

Die Party geht weiter

Sollte die Theorie zutreffen, dass ein Mensch alle sieben Jahre sein Leben verändert, wäre mein freiwilliger Besuch gleich mehrerer Faschingsumzüge als Ausdruck eines solchen Wandels interpretierbar. Sollte derlei Freizeitgestaltung allerdings eine Reaktion auf die berühmte Frage sein, ob es das schon war oder ob da noch was kommt, müsste ich gestehen, dass mir diese Antwort ganz und gar nicht gefällt. Da wäre ich fast schon dankbar, wenn ersteres zuträfe, weil dann nach sieben Jahren mutmaßlich wieder andere Ideen ins Spiel kommen, wenn ich ´mal ein paar Tage frei habe. Wer weiß, was sonst als nächstes käme. Am Ende würde ich bald Spiele des OFC anschauen…

Eine dritte Möglichkeit, die mein seit jeher gespaltenes Verhältnis zu dem närrischen Treiben am wenigsten antastet, wäre folgende: Sich von Zeit zu Zeit mit eigenen Augen am lebenden Organismus vergewissern zu müssen, ob manche Auswüchse immer noch so übel sind wie man sie in Erinnerung hat.
Und siehe da: Es dauert auch nicht wirklich lange, bis man sich bestätigt sieht. Bereits auf dem Weg zum eigentlichen Geschehen begegnet man ersten Gruppen von Jugendlichen, von denen manche schon grobe Ausfallerscheinungen hinsichtlich Orientierung, Kontrolle und Bewusstsein zeigen, bevor die ersten Motivwagen überhaupt zu sehen sind. Aber scheiß´drauf – Karneval ist einmal im Jahr. Große Flaschen eines bekannten Kräuterlikörs werden herumgereicht, um die Stimmbänder zu ölen. Und als es allmählich ans Einsingen geht, erinnere ich mich auch sofort daran, was ich an Fasching schon immer am meisten hasste: Das Liedgut.
Die Hits der Saison heißen Alkohol Blues oder Johnny Däpp und zeichnen sich wie jeder jeder gute Faschings-/Ballermann/Après-Ski-Song vor allem durch einen hohen Mitgrölfaktor aus. Heißt: Es werden keine allzu großen Ansprüche an die Merkfähigkeit der Chormitglieder gestellt; je weniger Worte im Refrain vorkommen, desto besser.

Immerhin: Die Demokratisierung des Tanzens gelingt gut bei diesem Musikgenre: Jeder kann mitmachen, ohne sich zu blamieren. Fast zumindest. Die Choreographie bei der Hälfte der Lieder ist einfach und besteht aus zwei Elementen, von denen es ausreicht, eine davon zu beherrschen. Geübte performen beide Moves gleichzeitig: Auf der Stelle hüpfen ist der eine Bestandteil. Der andere ist: einen oder beide Arme nach oben strecken und unkoordiniert damit herumwedeln. Falls sich in einer der Hände ein Getränk befindet, muss der Bewegungsablauf leicht variiert werden. Die Figur, die sich dafür anbietet, nennt sich Freiheitsstatue: Der Arm wird dabei fast nicht bewegt, um möglichst wenig zu verschütten. Er muss aber in die Höhe gereckt werden.

Das erschreckende ist ja: Ich erkenne mein früheres Ich da durchaus wieder. Dass wir als halbstarke Dosenbier-Punks den Menschen, von denen wir uns abzugrenzen versuchten, ähnlicher waren als uns lieb sein konnte, wurde vor kurzem erst in einem eigenen Blogeintrag herausgearbeitet. Leider hatte ich nie ein so schönes Kompliment erhalten wie einer der Kumpels, der sich eines Morgens, vom Feiern gezeichnet, dem spontanen Ausruf „Sie schickt der Tod“ konfrontiert sah.
Keine Frage: Wenn der Amtsarzt seine Begrüßung in solche Worte kleidet, ist das nicht das, was man in dieser Situation erwartet. Andererseits ist es eine adäquate Würdigung der dahinter stehenden Leistung. Wenn Fasching lebendig ist, ist Punk erst recht nicht tot. Punk hat nämlich auch die geileren Kostüme.

Storytelling leicht gemacht

Das Thema Verkleidung war bei mir an allen drei Tagen schnell ausdiskutiert: Für eine schmucke Kopfbedeckung aus Modellierballons brauchen geübte Hände nicht länger als 10 bis 15 Minuten. Wer es nicht kann, und das sind die meisten, schätzt den Aufwand dafür aber als mindestens doppelt so hoch ein. Für Bieber, Mühlheim und Heusenstamm sollte das reichen. Ich hatte auch kurz überlegt, als Clown zu gehen, aber das hätte sich vom Arbeitsalltag nur minimal unterschieden. Wenn ich eines nicht brauche an Fasching, sind es Fragen, warum ich mich nicht verkleidet habe.
Mit dem Kopfschmuck aus Ballons hatte ich auch so eine Art Alleinstellungsmerkmal. Wenn ich Blicke und Gestik richtig interpretiere, fanden auch andere die Hüte einigermaßen originell. Eine Clownin drückte mir ein Fläschchen Kleiner Feigling in die Hand. Da haben sich die 10 Minuten für meinen Ballonhut ja gelohnt, dachte ich und reichte das Getränk weiter an jemand, der es dringender brauchte als ich. Vielleicht hatte sie mich ja auch nur verwechselt. Der größte Vorteil an meiner Kostümierung: Ich brauchte unterhalb des Kopfes keinerlei Rücksichten nehmen und konnte mich warm einpacken. Kalt war es nämlich. Was einige Herren der Schöpfung natürlich nicht davon abhielt, ihre Kleidung auf ein Minimum zu reduzieren, sobald der Körper von innen mit wärmenden flüssigen Substanzen versorgt war. Unterhalb des Kopfes, hiermit verrate ich kein Geheimnis, spielt zur Fastnacht auch die größere Rolle. Wenn von Vereinen in Sonntagsreden gern als einer großen Familie gesprochen wird – es gibt Karnevalsvereine, bei denen das durchaus wörtlich genommen werden kann.

Das klingt moralinsauer. Allerdings sind das natürlich auch alles Gefahren, derer man sich hin und wieder durch Besuche entsprechender Veranstaltungen bewusst machen muss: Dass man beim Fasching aus Versehen eine Frau anspricht, für die das unrhythmische Zucken zu schlechter Musik, affektive Feierlaune und frivoles Verhalten zum guten Geschmack gehört. Während ich hier so zielsicher auf mein Lieblingsthema zusteuere, erinnere ich mich an den Kommentar einer Freundin vor ein paar Tagen, mir fiele ja jede Woche eine ganze Geschichte ein. Was ja so nicht stimmt. Ich habe ein Reservoir an vermutlich nicht mehr als fünf bis sechs Geschichten, die ich jede Woche neu variiere. Eine dieser Geschichten ist die von mir als demjenigen, der nicht nur manche Nacht, sondern Monate und Jahre sein Bett außer mit dem Kater mit niemandem teilt, weil er aufgrund profunder Menschenkenntnis stets schon genau zu wissen glaubt, wieso, weshalb und vor allem warum mit dieser oder jener bestimmten Frau eine Partnerschaft ohnehin nicht gelingen würde. Etliche potentielle Beziehungen habe ich auf diese Weise schon zerredet, bevor überhaupt der erste Kontakt aufgenommen wurde.
Deswegen muss ich auch zugeben, dass ich selbst dort keine Frau anspreche, wo die Gefahr nicht besteht, dass ich dann das ganze Jahr über Karneval habe. Bloß: Nirgends sonst habe ich fürs Nichtansprechen eine so gute Ausrede. Zur Ehrenrettung der Fastnacht sollte aber auch festgehalten werden, dass ich mich gerade in Zusammenhang mit Frauen schon würdeloseren Situationen ausgesetzt hatte als zu einem Umzug zu gehen.

Nach oben angeführter Arithmetik wurde mein Leben bereits sechs Mal von Grund auf erneuert. Das wie beschrieben nicht ganz unkomplizierte Verhältnis zur Damenwelt wurde bei diesen Veränderungsprozessen jedoch scheinbar stets sorgsam ausgespart. Am ehesten noch wurde es verschärft. Vielleicht sollte ich die nächsten sieben Jahre ´mal an einer Entkrampfung arbeiten. Dann wäre ein Besuch eines Faschingsumzugs entweder wirklich Spaß an der Freude oder eine Strategie. In jedem Fall aber lieferte er sich nicht diesem Verdacht von blindem Aktionismus aus wie diesmal.
In diesem Sinn: Wir sehen uns nächstes Jahr. Oder auch nicht. Die Party geht in jedem Fall weiter.

Wünsch´ Dir nix

Wenn man als im Februar Geborener als Kind noch einigermaßen Freude daran hatte, die Geburtstagsfeier als Faschingsfeier zu inszenieren, hört ab einem gewissen Alter der Spaß definitiv auf. Freundschaften stehen auf dem Spiel, wenn sich Eingeladene zwischen Deiner Party und dem Kappenabend zu entscheiden haben. Richtig schlimm wird ein Geburtstag jedoch erst in einem Alter, das im allgemeinen als „gesetzt“ bezeichnet wird. Dann nämlich kommen zu dem Risiko, dass erwachsene Menschen kostümiert zu Deiner Party erscheinen, noch weitaus schlimmere Sorgen: Man erwartet von sich selbst geistreiche Antworten auf die Fragen

  • Was habe ich bis hierhin eigentlich erreicht?
  • Wo soll das noch hinführen?
  • Kommt jetzt überhaupt noch etwas oder war es das im wesentlichen?

Und weil es immer noch schlimmer geht: Selbst das Unbehagen, hervorgerufen durch diese Fragen sowie die vom Leben bis dato erhaltenen und eher als desillusionierend zu bezeichnenden Antworten darauf, verblasst angesichts der Aussicht, dass jemand der drei bis vier Menschen aus dem Umfeld fragt, was man sich denn so wünsche.

Ich möchte dieser Frage ihre Berechtigung auch gar nicht absprechen. Wir leben ja nicht mehr in Zeiten, in denen die Bedürfnisse offensichtlich waren, weil man nichts hatte. Wenn Menschen heute noch der Illusion erliegen, es mangele ihnen an etwas, heißt das ja für weit über 90 Prozent der Menschen in diesem Land lediglich, dass sie nicht zu schätzen wissen, was sie haben. Insofern ist es sogar zu begrüßen, wenn nach einem Wunsch gefragt wird, bevor einfach drauflos gekauft wird.

Viele Wünsche, die ich noch hege, sind für Geld sowieso nicht zu bekommen. Daher wird selbst wer noch so hartnäckig nach meinen Wünschen gefragt hat, mir bei meinem Wunsch, nehmen wir als Beispiel dünn, gutaussehend und schlau zu sein, kaum behilflich sein können. Davon, dass andere Leute diese Wünsche kennen, werde ich ja das Problem nicht los, dass ich von allem nur so „geht so“ bin. Zu wenig jedenfalls, um vor mir selbst als meinem schärfsten Kritiker zu bestehen.

Ein anderes Beispiel: Dass ich ein paar Idioten weniger auf dieser Welt für wünschenswert halte, ist die eine Sache. Sollte wirklich jemand deswegen losziehen und ein paar der größten Idioten abknallen, wäre das im wahrsten Wortsinn übers Ziel etwas hinausgeschossen.

Wie man sieht, ist alles nicht so einfach. Leichter ist es definitiv, Dinge aufzuzählen, die ich mir nicht wünsche Da hätte ich spontan mehrere Ideen.

Zuallererst alles, was meine Mutter bei diversen Teleshopping-Kanälen angeboten bekommt. Das wäre schon Geschenk genug. Mit den Sachen von QVC und Konsorten war sie bislang selten gut gefahren. Im Grunde weiß sie auch, was ich davon halte. Weil aber die freiwillige Gehirnwäsche dieser Sender so gut funktioniert und die „Moderatoren“ dort so sympathisch sind, muss man jederzeit damit rechnen, dass sie wieder irgendwelche Produkte minderwertiger Qualität ohne jeglichen Gebrauchswert anschleppt.

Und wenn wir gerade über mangelnden Gebrauchswert reden, darf eine Innovation nicht unerwähnt bleiben:

Digitale Sprachassistenten

Leider ist die Debatte um die smarten Lautsprecher ideologisch aufgeladen. Vor lauter Datenschutzbedenken gerät fast in Vergessenheit, dass Alexa und Co im Prinzip nichts können, was ein gesunder und mittelmäßig begabter Mensch nicht auch kann.

Sollte ich indes länger Single sein als meine beiden Tiere leben und mir danach einfach jemand fehlen, den ich herumkommandieren oder mit dem ich quatschen kann, könnte die Anschaffung eines solchen Teils eine Überlegung wert sein. Vorher nicht. Denn: Musik anmachen, Heizung aufdrehen, Licht ausknipsen, Einkaufsliste schreiben – das kann ich auch gerade noch selbst. Genauso wie Saugen. Daher wünsche ich mir auch keinen

Saugroboter

Zugegeben: Saugen ist lästig. Saugen kostet Zeit. Zeit, die man nicht hat. Mehr Zeit steht auf jedem Wunschzettel ganz oben. Bis zu diesem Punkt hört sich alles nach einer klaren Sache pro Saugroboter an.

Die Rechnung geht allerdings nur auf, solange man das Gerät in einer unbewohnten Wohnung rotieren lässt. Überall dort, wo Spuren menschlichen Lebens zu finden sind, wird es problematisch. Sprich: Man darf nicht zu viel Zeug uninspiriert auf dem Boden ´rumstehen haben. Natürlich muss ich beim manuellen Saugen das alles auch erst vorher wegräumen. Aber wer möchte schon seine Schuhe, Türstopper und Katzen permanent an Orten stehen und liegen haben, wo sie nicht hingehören, nur um dem Saugroboter den ganzen Tag über freie Fahrt zu gewähren. Also kann ich auch schnell konventionell durchsaugen; umso schneller ist danach alles wieder an seinem Platz.

Von alldem abgesehen wäre mir das Geschehen zu laut, wenn der Hund versucht, das Teil aus dem Weg zu bellen. Wie der Sprachassistent wird demnach ein Saugroboter frühestens dann bei mir einziehen, wenn die Tiere aus dem Haus sind.

Vom Kernproblem, dass neue Produktentwicklungen heutzutage nur in Ausnahmefällen kleine Revolutionen sind, die Lösungen für echte bestehende Probleme anbieten, ist auch ein Gerät betroffen, das von seinen Anwendern trotzdem als genau das gefeiert wird. Der

Thermomix

Eigentlich gibt es keine Aufgabe, die der Thermomix nicht bewältigen kann: Zerkleinern, Wiegen, Garen, Rühren, Professionelle Zahnreinigung. Angebote von diesem Gerät sehr ähnlichen Maschinen bei einem Discounter sorgten für Tumulte, Handgreiflichkeiten und Polizeieinsätze. Was die Sache wiederum ein Stück weit sympathisch macht. Der Thermomix ist also doch nicht nur Küchenmaschine, sondern mindestens noch Statussymbol und Fetisch, kann also in der Tat mehr als man ihm äußerlich ansieht. Noch dazu erledigt er das alles nur unbedeutend leiser als ein startendes Flugzeug. Und scheinbar kann er Menschen zum Kochen animieren, die vorher maximal Dosen, Suppentüten und gelieferte Pizzaschachteln öffnen konnten. Vielleicht ist das der eigentliche Erfolg des Thermomix. Zumindest dafür: Daumen hoch! Ich persönlich bin ohne einen solchen High-End-Mixer bald 46 Jahre alt geworden, habe also Grund zu der Annahme, dass ich auch noch ein paar weitere Geburtstage werde feiern können, auch wenn ich keinen habe.

Nachdem ich mich hiermit als Produkttester hinreichend diskreditiert habe und nebenbei zu dem Thema 46. Geburtstag eigentlich alles gesagt wurde, kann ich ja dann allmählich beginnen, mich auf das anstehende Wiegenfest zu freuen.

Schwarm drüber

Ach, was waren das für Zeiten..! Als Kugeln noch rund und Gummistiefel aus Holz waren, das Tote Meer noch am Leben war und Freibier noch Geld gekostet hat. Früher war alles besser. Da war Nostalgie von Psychologen noch nicht erklärbar und von Marketingexperten nicht bis zum Erbrechen ausgeschlachtet.

Zwischen Dichtung und Wahrheit ist vor allem ein Punkt hervorzuheben, der früher wohl tatsächlich besser war: Wenn man als durchschnittlich Verdienender das Geld für ein Dach über dem Kopf vom Lohn abgezogen hatte, war noch ein gewisser Rest zum Leben übrig. Heute dagegen: Die Nichtsuche nach einer Wohnung würde Seite um Seite meines Dankbarkeitstagebuches füllen, so ich denn eines führen würde. Denn auch als Nichtbetroffener bekommt man einiges an Nachfragen und Angeboten mit. Auch dank sozialer Netzwerke, wo ich gerade letztens dieses Schnäppchen gesehen habe:

Drei-Zimmer-Wohnung, 75 Quadratmeter, Warmmiete 1200 Euro, Bergen Enkheim.

Bergen-Enkheim! Nicht Manhattan. Ohne jemandem zu nahe treten zu wollen – Bergen-Enkheim ist schön. So jedenfalls die oberflächliche Wirkung auf einen Durchfahrenden. Man kann aber nicht behaupten, dort pulsiere das Leben. Abgesehen von der Umgebung deutet auch sonst nichts darauf hin, dass das eine besondere Wohnung wäre, jedenfalls nicht wenn man die Fotos in der Annonce als Bewertungsmaßstab zugrundelegt. Da sich mit der Wohnung offenbar keine große Mühe gemacht wurde, sucht man irgendwie die ganze Zeit, ob man sonst irgendwas übersehen oder überlesen hat, was den genannten Betrag in irgendeiner Weise rechtfertigt.

Um es vorweg zu nehmen: Da kommt nichts mehr. Weil einigen aber in ihrer Not fast schon nichts anderes übrig bleibt, finden sich sogar für dieses Objekt Liebhaber. Kennzeichnend für eine zunächst unverbindliche Interessensbekundung scheint in solchen Gruppen seit einiger Zeit die Frage zu sein ob „der Artikel noch verfügbar“ sei. Und damit fangen die Fragen dann bei mir an:

Was ist das überhaupt für eine Redewendung? Die klingt schon scheiße, wenn es um einen Fernseher geht und das Gerät nicht von einem Händler, sondern von privat verkauft wird. Die Frage klingt nicht nach Kleinanzeigen, sondern nach Business, ganz als ob man als Verkäufer nur eben nach hinten ins Lager gehen müsste, um noch weitere Exemplare dieses „Artikels“ hervorzukramen. Aber erst recht spreche ich nicht von einem „Artikel“, wenn es um eine Wohnung geht, die vermietet wird! Wenn ich eine Wohnung zu vermieten hätte oder zu verkaufen oder meinetwegen auch nur einen Fernseher zu verkaufen oder zu verschenken – Leuten, die so fragen, würde ich meine Artikel nur höchst ungern überlassen wollen. Eher würde ich selbst drin wohnen. Und den Fernseher mitten ´rein stellen in die Wohnung. Artikel noch verfügbar – geht’s noch? Das sind bestimmt die gleichen Leute, die in fast beneidenswerter Konsequenz von Garantie sprechen, wenn sie Gewährleistung meinen. Das sind bestimmt so Leute, die es mit dem Kommentar „Ich hab´ Rechtsschutzversicherung“ drauf ankommen lassen und Gerichte mit Bagatellen belästigen. Weil ja schließlich andere schuld sein müssen, wenn der Nachwuchs im Kindergarten beim Spielen über eine Tigerente stolpert und sich einen Zeh bricht. Um bei den sozialen Netzwerken zu bleiben: Das sind so Leute, die zu einem Beitrag ihren Senf losgelöst von der Frage dazugeben, ob das vorher eventuell exakt so schon gesagt wurde.

Ich kann von mir wirklich nicht behaupten, alles im Leben richtig zu machen. Würde ich das tun, hätte ich unter Umständen selbst Artikel zu vermieten und somit ganz andere Dinge, über die es sich aufzuregen lohnt. Aber eins kann ich sicher sagen: Bevor ich in irgendeinem Zusammenhang auf eine Frage meine Antwort gebe, halte ich die vorherige Erhebung für richtiger, ob nicht mindestens ein weiterer Teilnehmer vor mir die exakt gleiche Antwort schon gegeben hat.

Wenn ich dabei feststelle, dass einen Beitrag meinerseits niemand mehr braucht, weil alles schon gesagt ist, spricht aus meiner Sicht rein gar nichts dagegen, die Finger einfach ´mal für ein paar Sekunden stillzuhalten.

Richtig ärgerlich wird es, wenn nicht einmal der Eingangsbeitrag vollständig gelesen wird. Auf die Frage nach einem guten und günstigen Tierarzt in der Stadt werden einfach ´mal alle Namen ´runtergerattert, die es im Radius von 50 Kilometern gibt. Ich kann die Qualität der Genannten schwer beurteilen, kann aber auch nicht ausschließen, dass da die eine oder andere Praxis erwähnt wurde, die gar keine der Kriterien „gut“, „günstig“ sowie „in der Stadt“ erfüllt. Sicher weiß ich lediglich, dass sehr gute Tierärzte genannt wurden, die allerdings alles andere als günstig sind. Wenn das Schwarmintelligenz sein soll, habe ich leise Zweifel nicht nur an der Idee dieser Schwarmintelligenz, sondern an dem Konzept von Intelligenz an sich. Ich hatte eigentlich nur darauf gewartet, bis der erste kommt und fragt, ob der Artikel noch verfügbar ist. Naja, Schwarm drüber und Szenenwechsel.

Notwendigkeit oder Willensentscheidung?

Auf der selben Plattform bin ich ja seit einiger Zeit in einer Single-Gruppe. Ich weiß seitdem, warum solche Foren von manchen Zeitgenossen mehr oder weniger liebevoll, aber zutreffend als Resterampe bezeichnet werden. Letztens hat dort einer brav und noch dazu fehlerfrei „Danke für die Aufnahme in Eure Gruppe“ geschrieben. Bis ich den Beitrag gelesen habe, das war ziemlich genau 19 Minuten später, war der schon wieder aus der Gruppe draußen. Was ist dem denn passiert? Ich weiß, es gibt ein paar anstrengende Gruppenmitglieder dort, aber die haben normalerweise keine so schnelle Reaktionszeit. Ich kann nur mutmaßen, dass der die vorhandenen Beiträge durchgescannt und sich gedacht hat: „Hier kann ich unmöglich bleiben. Artikel nicht mehr verfügbar! Abschied heißt auch Anfang.“ Erinnert mich, nebenbei bemerkt, daran, dass ich diesem erlauchten Kreis lieber früher als später den Rücken kehren möchte. Ich bin da so lange dabei, dass mich kaum noch etwas erschüttern kann. Anfangs hat mich einiges amüsiert, aber wie in einer Beziehung auch wird es irgendwann fad. Daher muss man durch solche Blitzmitgliedschaften gelegentlich daran erinnert werden, dass manche Sachen eben nicht normal sind. Da postet einer: „Mir ist langweilig.“ Weil Frauen, wie wir ja alle wissen, natürlich in erster Linie Männer suchen, mit denen sie sich dann gemeinsam langweilen können. Dass viele am Ende doch bei genau so einem Exemplar landen, ändert nichts daran, dass so ein Beitrag vielleicht nicht gerade die beste Werbung in eigener Sache ist.

Es gäbe ausreichend andere Beispiele von Menschen gleich welchen Geschlechts, die allein offenbar nicht überlebensfähig sind. Und da habe ich bis jetzt vom Aussehen noch gar nicht gesprochen. Es wäre natürlich unredlich, sich übers Aussehen Anderer zu amüsieren. Taktisch unklug zudem, sitzt man doch selbst im Glashaus und sollte daher drüber nachdenken, wie opportun es ist, sich dort drinnen zu entkleiden, solange es hell ist. Am schlimmsten sind ohnehin diejenigen, die anderer Leute Aussehen verspotten, selbst aber aussehen, als würden sie Katapulte nach Gondor ziehen. (Ich habe keine Ahnung von diesen Filmen, aber ich habe mir sagen lassen, dass es sich bei den Wesen, die die Katapulte ziehen, um relativ unschöne Geschöpfe handelt.) Wenn dann zu einem unvorteilhaften Aussehen noch das Unvermögen kommt, sich in Sachen Sozialkompetenz ansatzweise auf durchschnittlichem gesellschaftlichen Niveau einzuordnen, braucht wer den Schaden hat, für den Spott nicht zu sorgen.

Das eigentlich Revolutionäre an der blöden neuen Online-Welt birgt gleichzeitig etwas zutiefst Entspannendes: Man muss bei schlechtem Wetter nicht einmal mehr das Haus verlassen, um Inspiration für einen durchschnittlich unterhaltsamen Blogeintrag zu erhalten. Noch dazu findet man die Schrägen und Kaputten abseits der Schreibtisch- oder mobilen Geräte selten so gebündelt wie in der Lebenswelt der sozialen Netzwerke. Das mag der eine goutieren, der andere bedauern, ändern lässt es sich auf die Schnelle eher nicht.

In der offline-Welt ist man ja schon froh, wenn man ´mal eine Bekannte hat wie meine frühere Vereinsfreundin, die mir mit ihren Anrufen, in denen sie stets den gleichen Mist loswerden musste, einige Monate lang täglich mindestens eine halbe Stunde wertvoller Lebenszeit von der Uhr genommen hat. Sie war darüber hinaus schuld, dass ich eine Fernsehsendung wie „Die 100 nervigsten Deutschen“ bis zum Ende gesehen hatte in Erwartung, sie auf den vorderen Plätzen anzutreffen. Am Ende war mir klar geworden, dass ich das Leid dieser Prüfung mit nicht genügend Menschen teilte, damit es am Ende zu einer Platzierung für sie gereicht hätte.

Oder die frühere leicht cholerische Kollegin. Alle hatten Angst vor ihr. Wir hatten Prämien ausgelobt für denjenigen – ungekündigten – Kollegen, der irgendwann einen ihrer Anfälle mit der Bemerkung bremsen würde, sie möge sich ´mal entspannen. So finde sie nie einen Mann. Ein mittlerer dreistelliger Euro-Betrag wäre für diese Aktion zu kassieren gewesen, aber so wagemutig war keiner.

Selbst der eigene Freundeskreis ist heute nicht nur wesentlich kleiner geworden, sondern auch bei weitem nicht mehr so dicht mit Pflegefällen besetzt wie zu früheren Zeiten. Schlechte Stimmung ist demnach heutzutage keine Notwendigkeit mehr, sondern Willensentscheidung. Abgesehen von den Dingen, die mir auf der Arbeit widerfahren, den Sachen, die mir auf dem Weg von und zur Arbeit passieren und den Sachen, die mir in meiner Freizeit geschehen, gibt es für mich gar keinen Grund, mich aufzuregen. Mein Vater hatte eine Phase, in der er zu fast allem meinte: Er sei inzwischen über 50 und müsse sich also nicht mehr über jeden Mist aufregen. Da will ich hin. Nach Möglichkeit schon bevor ich 50 bin. Wenn das nicht klappen sollte – na gut, dann habe ich halt noch vier Jahre und ein paar Tage. Ich zähle das ´runter wie andere die Zeit bis zu ihrem Ruhestand. Und ich hatte ja bereits vor Jahren irgendwo gelesen, dass das in der Tat nicht allein eine Frage bewusster Entscheidungen ist, sondern eine biologische Angelegenheit. Weil der Körper ab einem gewissen Alter die für ein gepflegtes Echauffieren verantwortlichen Hormone einfach nicht mehr in der Menge produziert wie der Alltag es eigentlich erfordern würde.

Vielleicht sitze ich eines Tages wirklich in einem Schaukelstuhl in, besser: vor einem gemieteten Artikel an einem Ort, den ich mir mit meiner noch zu findenden Partnerin in freier Entscheidung ausgewählt habe. Vorher bin ich noch der Routine folgend die neuesten Beiträge in meinem favorisierten sozialen Netzwerk durchgegangen und unter anderem auf einen Kalenderspruch wie „Lachen ist die Musik der Seele“ gestoßen, den irgendjemand in die Single-Gruppe gepostet hat, aus der ich mich aus Spaß nie abgemeldet habe. Und dann denke ich mir: Ach, was waren das für Zeiten..!

Präsentiert von WordPress & Theme erstellt von Anders Norén