Jeder kennt diese Videos, wo jemand sich ordentlich auf die Fresse legt, weil er Dinge ausprobiert, welche die Evolution für seinen Körper ganz offensichtlich nicht vorgesehen hat. Oder in denen ein gerade errichtetes Werk soeben noch stolz betrachtet wird, um sodann von einer Sekunde zur nächsten zusammenzubrechen. Am Missgeschick Anderer auf solche Weise teilzuhaben ist ein scheinbar fast so großes Bedürfnis wie das Betrachten von Bewegtbildern von Katzen.

Was viele bis jetzt nur geahnt haben: Das könnte alles ich sein. Körperlich so ungraziös, handwerklich so minderbegabt, dass es bis jetzt reiner Zufall ist, noch nicht selbst bei einem peinlichem Fehlgriff oder -tritt auf Video verewigt und viral verbreitet worden zu sein.

Deswegen höre ich mittlerweile immer auf zu arbeiten, sobald eine eingeschaltete Kamera zu wittern ist. Mehr noch: Inzwischen meide ich generell Situationen, in denen ich dazu verleitet sein könnte zu tanzen, Ski zu fahren oder hochkomplexe handwerkliche Tätigkeiten wie das Wechseln eines Leuchtmittels in Gegenden auszuführen, die zu erreichen ich auf Gegenstände steigen müsste. Weil ich aber trotzdem gern helfe, wenn ich gefragt werde, vielleicht aber auch einfach nur weil alle anderen schnell genug weg sind, wenn nach Hilfe gefragt wird, bin ich gern gesehener Helfer bei Umzügen, Entrümpelungen oder einfach überall dort, wo Gegenstände von A nach B bewegt werden müssen. Selbst einen Grabstein habe ich im Laufe meiner Karriere schon geschleppt. Beim Tragen kann ja nicht allzu viel passieren.

Daher hier meine Top 5 der Unfälle bei Möbeltransporten:

Platz 5: Der Auslöser

Weil der nun folgende Geniestreich erst ein Wochenende zurück liegt, ist er überhaupt der Ursprung des Gedankens, dem Thema einen Blogeintrag zu widmen. Und allein schon weil es uns gelungen ist, an dem Tag von fünf Teilen drei nicht im ursprünglichen Zustand ans Ziel zu bringen, ist die Aufnahme in diese Top 5 gerechtfertigt. Drei von fünf – keine ganz schlechte Quote, wenn man die durch Lebenserfahrung gewonnene Einsicht „Schlimmer geht’s immer“ berücksichtigt.

Die Details sind schnell erzählt: Beim ersten Teil, einer Kommode, war ich zum Glück nicht mit beteiligt, als sie auf dem Weg zum Anhänger eine ihrer Türen verlor. Das zweite Missgeschick ist während der Fahrt geschehen, obwohl wir alle bei der Abfahrt noch so glücklich waren, dass alles genau so ´reinpasst, dass die Ladung formschlüssig gegen Verrutschen gesichert war.

Beim dritten Mal, einer Vitrine, kann ich mich leider nicht mehr ´rausreden. Als es galt, das gute Stück am Treppenabsatz über das Geländer zu hieven, bot es sich für mich an, an ein Brett zu greifen, das ursprünglich als Abstandhalter mit zwei einfachen Schräubchen am Oberboden befestigt worden war. Konsequenterweise ist es dann auch passiert. Wo sich kurz zuvor noch eine große Vitrine über meinem Kopf befand, hielt ich jetzt lediglich noch dieses winzige Brettchen in meinen Händen über meinem Kopf als wäre es das Heilige Brett. Währenddessen knallte der schwere Rest des Möbels auf meine Unterarme und von dort zum Glück ohne Umweg über meinen Schädel weiter auf die Treppe, wo sich durch die Erschütterung die Glasscheibe aus dem Rahmen löste und mit viel Rums nach unten Richtung Rückwand donnerte und aber durch eine Fügung des Schicksals unversehrt blieb.

Glück gehört halt dazu.

Platz 4: Vorsicht Glas

Weniger Glück hatte mein Bruder, als wir zusammen eine gebrauchte Schrankwand für ihn abholten. Das Auseinandernehmen, soweit möglich, war schnell erledigt; das Einladen schien dank handlicher, leichter Einzelteile eine Formsache zu werden. Zum Warmwerden hatte ich als erstes die Glastüren in Decken gehüllt und nahe des Einstiegs auf der Ladefläche des 7,5-Tonners deponiert. Am Einstieg. Mit Absicht. Eben weil man dort mit einem Blick sieht, dass schon etwas liegt.

Ich behaupte bis heute, dass das Risiko an dieser Stelle objektiv geringer als an jedem anderen Ort auf der Ladefläche war. Dummerweise schert sich mein Bruder nicht um solche statistischen Details und latscht mit dem ersten Schritt, den er auf dem Fahrzeug macht, auf die Decken bzw. den Inhalt. Das charakteristische Knacksen meldete unbarmherzig zurück, dass von 95 Kilogramm Lebendgewicht ein paar Gramm zuviel für mindestens eine der Glastüren waren. Bei der Größe des Autos waren als Einstiegsmöglichkeit runde zwei Meter in der Breite übrig, die frei von Decken und sonstigem Gedöns waren. Selbst wenn also keine Glastüren darin eingehüllt gewesen wären, bleibt die noch immer unbeantwortete Frage, was genau jemanden dazu veranlasst, bei so viel Ausweichmöglichkeit ausgerechnet über einen Stapel Umzugsdecken zu laufen.

Platz 3: Eltern verzeihen alles

Einer meiner bittersten Momente, der seine Brisanz nicht durch einen spektakulären Sturz erhält, sondern durch den Sachverhalt, dass der Schaden entstand, bevor die Sache überhaupt das allererste Mal benutzt werden konnte.

Die sechs Stühle waren bereits oben, die Herausforderung angesichts eines großen, schweren Tisches hatten mein Vater und ich noch vor uns. Die Herausnahme der vier zusätzlichen Platten, die innerhalb des Tisches auf ihren Einsatz bei einer der damals zahlreichen Festivitäten warteten, sollte uns wenigstens ein bisschen Erleichterung verschaffen. Bezüglich des Tisches hatte das alles auch seinen Zweck zu 100 Prozent erfüllt; das Problem waren die herausgenommenen Platten. Diese wollte ich einzeln aufrecht auf die zur Stufe eingestellte Hebebühne lehnen. Eigentlich sollte so nichts verrutschen können. Sagen wir lieber einschränkend: Solange sich auf dem Fahrzeug niemand bewegt. Genau das war aber ja der Fall, als ich die nächsten Platten holen wollte. Also ist an der wegrutschenden Tischplatte eine Ecke abgesplittert. Was die Funktion freilich nicht beeinträchtigt hat, aber bestimmt nicht das ist, was man sehen möchte, wenn man den Tisch vor gerade einer halben Stunde für einen vierstelligen Betrag neu gekauft hat. Da ich sehr sicher einen guten Teil der Eigenschaften meines Vater geerbt habe, weiß ich inzwischen, wie sehr er sich damals auf die Zunge gebissen haben muss.

Platz 2: Mein erstes Mal

Auch wenn mir von vorherigen derartigen Hilfeleistungen die Problematik mit Waschmaschinen bewusst war, handelte es sich eigentlich um einen kleinen Fisch: Eine Waschmaschine von der zweiten Etage in den Keller. Drei Leute, ein Teil, kein Auftrag! Zumindest solange keiner stolpert. Jedoch ist mir dann auf halber Strecke genau das passiert. Mein Partner unten tat geistesgegenwärtig genau das, was man in einer solchen Situation macht: Loslassen und Arsch retten. Ich oben tat geistesgegenwärtig ebenfalls das, was man in einer solchen Situation macht: Ich versuchte, die Waschmaschine festzuhalten. So wie einst mein Kollege sein Bierglas samt Inhalt rettete, als er in der Disco kopfüber mehrere Stufen hinunterfiel, aber keinen Tropfen verschüttete. Anders als dieser konnte ich meinen Kampf aber letzten Endes nur verlieren. Es war ein ziemliches Getöse. Und da Treppenhäuser bekanntlich sehr laut sind, dauerte es nur wenige Sekunden, bis sich die erste Tür öffnete. Eine ältere Frau kam aus ihrer Wohnung, sah sich um und verschwand wieder, nachdem sie sich vergewissert hatte, dass an ihrer Tür und am Treppenhaus alles intakt geblieben war. Immerhin: Dass sie sich für meinen Zustand überhaupt nicht interessiert hat, obwohl ich gerade meinen kompletten Körper abtastete, sorgte den restlichen Tag immer wieder für Lacher. Schließlich pflegte bereits zu jener Zeit die ältere Generation der jüngeren vorzuwerfen, sich für die Mitmenschen nicht sonderlich zu interessieren. Aus dieser Zeit habe ich mitgenommen, dass das neben anderen Faktoren unter anderem am Mangel an guten Vorbildern liegen könnte.

Platz 1: Die Mutter aller Unfälle

Der Vorfall ereignete sich beim Umzug eines befreundeten Pärchens und hat schon deshalb den ersten Platz verdient, weil wie immer niemand verletzt wurde, es aber dermaßen gepoltert hat, dass alle anderen Beteiligten panisch zu Hilfe geeilt kamen. Jedoch war das einzige, was sie sehen konnten, ein etwas rundlicher Micky, der halb in der Wohnung der unterhalb wohnenden Nachbarin lag, weil deren Tür die Wucht seines Aufpralls nicht standgehalten hat, als er auf der Treppe gestolpert und selbige heruntergepurzelt ist. Die Matratze, die ich gerade heruntertragen wollte, lag passenderweise halb neben, halb auf mir, so dass Sprüche wie „Einen besseren Ort für Deine Pause hast Du wohl nicht gefunden“ natürlich nicht lange auf sich warten ließen, nachdem geklärt war, dass ich keinen bleibenden Schaden mitgenommen hatte.

Die Nachbarin selbst hat, weil abwesend, nichts mitbekommen. Weil die betagte Dame aber an und für sich vorher zugesagt hatte, ihre Tür zu öffnen, damit wir es im engen Treppenhaus mit den großen Teilen etwas leichter haben, haben am Ende alle Helfer von meiner szenischen Umsetzung des Sprichwortes „mit der Tür ins Haus fallen“ profitiert.

Ausblick

Erstaunlicherweise hat mein Ruf unter all diesen Zwischenfällen weniger gelitten als mein geschundener Körper: Ich werde trotzdem immer wieder gefragt. Nicht dass ich diese Absicht verfolge, aber nachdem ich hiermit das ganze Ausmaß öffentlich gemacht habe, würde es mich nicht wundern, wenn das in Zukunft seltener geschähe.