Man kann mir vieles vorwerfen, aber sicher nicht, dass ich einen Megatrend wie das Sommerloch ignoriere. Passend dazu liegt auch hinter mir eine Woche, die als ereignisarm zu bezeichnen wahrscheinlich wieder ´mal die knallharten Fakten arg beschönigen würde. Daß mir meine Samstagnachmittag-Verabredung kurzfristig gecancelt wurde, hat die Stimmung dann auch nicht unbedingt unnötig aufgehellt. Wenigstens hat es auf der Arbeit immerhin bis Mittwoch gedauert, bis ich das erste Mal den Tränen nahe gewesen bin. Sollten die beiden Urlaubswochen überhaupt irgendetwas gehabt haben, das man ohne Tatsachen zu verdrehen als Erholungsfaktor bezeichnen darf, kann man sicher sein, dass er sich an diesem Tag in Staub aufgelöst hat.

Und dann muss ich auch noch im Nachhinein mit Entsetzen feststellen: Nicht nur den Internationalen Tag des Kusses oder drei Tage später den Tag des Rock´n´Roll habe ich in den letzten Wochen einfach verpasst, ohne den jeweiligen Leitgedanken jener Tage ansatzweise gerecht zu werden. Auch der Brate-Eier-auf-dem-Gehweg-Tag ist an mir vorübergegangen.

Und was hatte ich mich auf den gefreut..!

Nehmt es mir bitte nicht übel, aber hier sei dann doch die Frage gestattet: Hat die Welt nichts Wichtigeres zu tun als jeden Sack Reis, der irgendwann einmal umgekippt ist, mit einem eigenen Tag zu ehren? Zugegeben: Vielen der genannten Tage ist der Weg ins allgemeine Bewusstsein bislang verdientermaßen eher versperrt geblieben. Das lässt hoffen. Zumindest für den Teil der Welt, der nicht die USA sind, in denen die meisten dieser sinnbefreiten Tage ihren Ursprung haben. Dennoch: Vom intellektuellen Zentrum des Erdballs möchte ich einfach ein wenig mehr erwarten können als das Erfinden von Ereignissen, die so nützlich sind wie ein Arschloch am Ellenbogen.

Allein heute am Tag der Veröffentlichung dieses Textes feiert man bei unseren Lieblings-Verbündeten den Tag der frittierten Maisplätzchen sowie den Nationalen Eiscreme-Tag. Weltweit gesellt sich der Tag des frischen Spinats dazu. Der Speiseplan für den heutigen Tag steht demnach. Zumindest was das Eis betrifft. Einen kurzen Moment lang habe ich tatsächlich auch überlegt, das vorbereitete Essen zugunsten des Spinats und der Maisplätzchen einzufrieren und am 6. März wieder aufzutauen, wenn der Tag der Tiefkühlkost einen mehr als würdigen Rahmen dafür bietet.

Allerdings ist der Sonntag von allen Tagen der denkbar ungünstigste, um irgendwo frischen Spinat zu erstehen. Außerdem erinnern mich Maisplätzchen an meine gestrige geplatzte Verabredung für das Mais-Labyrinth. Was nun auch wieder nicht sein muss. Außerdem weiß ich nicht einmal genau, was Maisplätzchen sind. Also doch her mit dem guten Essen! Ich möchte damit nicht bis zum 19. 11. warten, wenn der Tag der Suppe mir die Brühe dann fast schon auf den Einkaufszettel diktiert.

Derweil ich die Suppe löffle, freue ich mich auf den Tag des Junk-Foods am kommenden Freitag (21. 7.) Solche wichtigen Termine gehen nämlich unter in der Masse der nebensächlichen Tage.

In letztere Kategorie fällt für mich auch der Wenn-Haustiere-Daumen-hätten-Tag (3. 3.). Auch wenn ein gewisser Reiz nicht zu leugnen wäre, wenn die Viecher sich im Haushalt ein wenig nützlich machen oder gar eigenes Geld verdienen könnten. Aber für solche Gedankenspiele einen kompletten Tag zu reservieren, ist schon eher etwas für Leute, die nicht alle Kekse in der Dose haben.

Es hätte der Bestätigung durch den Kalender nicht unbedingt bedurft, aber es kann den Menschen nicht wirklich schlecht gehen, solange es einen Dirty-Dancing-Tag zu feiern gibt (21. 8.).

Heute ist ein guter Tag zum Leben

Dabei sollten nicht wenige solcher Mottotage von ihrem Ursprungsgedanken her die Erde zu einem besseren Ort machen. Erwähnt seien hier beispielsweise der Weltbummeltag (19. 6.), der Weltlachtag (1. Sonntag im Mai) oder der Ich-liebe-meinen-Zahnarzt-Tag (2. 6.). Weil das indessen nur suboptimal funktioniert, sollen sie wenigstens Kaufanreize schaffen. Auch das ist allerdings teils fragwürdig gelöst, wie ich finde. Bei den Nahrungsmitteln ist es soweit klar, vor allem wenn es darum geht, sich zu besaufen (z. B. Bier 3. 8., Champagner 4. 8.). Bei Toilettenpapier (26. 8.) oder Hängematte (22. 7.) ist ebenso alles noch schlüssig. Ob aber der Internationale Tag der Tuba (4. 5.) wirklich eine messbare Anzahl von Menschen dazu animiert, über den Kauf dieses Instrumentes wenigstens kurz nachzudenken – ich würde es nicht unbedingt unterschreiben.

Was fehlt? Es hätte mich zwar irgendwie gewundert, wenn nicht, aber selbst einen Das-Chaos-nimmt-kein-Ende-Tag gibt es (9. 11.), wirft aber umgehend die nächsten Fragen auf. Denn was bitte genau soll an diesem Tag zelebriert werden? Und wie? Und reicht es nicht aus, einer Arbeit nachzugehen, bei der man exakt solche Tage ohnehin in ausreichender Anzahl hat?

Doch sollte ich eines Tages die Gelegenheit haben, einen solchen Gedächtnistag ins Leben rufen zu dürfen – eine Idee gäbe es, welche ich ohne zu zögern umsetzen würde: Einen Tag des grandiosen Scheiterns. Nicht um sich selbst zu quälen, indem frustrierende und daher oft bereits erfolgreich ins Unterbewusste verbannte Momente erneut in Erinnerung gerufen werden. Sondern um sich zu besinnen, dass unter Umständen das Scheitern die wertvollere Erfahrung ist als etwas gar nicht erst versucht zu haben. Weil man darüber hinaus anschließend immerhin weiß, wie es nicht funktioniert, erspart man sich demnach wenigstens, einer Mücke gleich stur dem Sonnenlicht folgend immer wieder gegen die verschlossene Scheibe zu stoßen.

Nachdem somit auf den letzten Meter doch noch ein Hauch von Tiefsinn in diesen Beitrag integriert wurde, habe ich mir mein heutiges Eis wenigstens verdient. Ansonsten bitte unabhängig davon, was, wer und warum an welchem Tag auch immer gefeiert wird, am besten jeden Tag dem Spruch von Cicero folgen: Wer den Tag mit einem Lachen beginnt, hat ihn bereits gewonnen.