Man wird es schlecht überprüfen können. Andererseits: Will man es überhaupt wissen? Vor allem wird man schlecht sagen können, daß man es sich dann lieber anders überlege. Konkret: Wenn man es vorher wüsste, was die Leute nach der Verabschiedung in Richtung Ewiger Jagdgründe über einen sagen werden – beraubte man sich damit nicht auch noch der allerletzten Illusionen über das eigene Dasein? Würde durch solches Insider-Wissen das eigene Schicksal nicht nur unausweichlich, sondern darüber hinaus reichlich desillusionierend? Gemeint ist nicht die unmittelbar erste Zeit von Bestürzung, Schock und Trauer, während der in der Regel alle Beteiligten eine gewisse Neigung zu Textbausteinen mit Arbeitszeugnis-Charakteristika pflegen und dies auch sollen und dürfen. Aber nach einer Weile wird diese Phase von einer Erinnerung abgelöst, die ungeschminkter ist. Zu der Problematik also, daß man nicht weiß, was einen „danach“ erwartet, kommt die Unmöglichkeit der Kontrolle, in welcher Erinnerung genau man bleibt.

Den Mensch zeichnet es im Gegensatz zu anderen Tieren ja aus, daß er mehr als nur dieser einen einzigen Bestimmung, nämlich der Reproduktion seiner Art folgt. Wir kennen das unter dem Stichwort Selbstverwirklichung. Oder anderen Begriffen aus integren wissenschaftlichen Disziplinen wie Psychologie, Philosophie oder Astrologie, die dasselbe meinen. Eng verwoben mit der Frage nach dem Sinn des Lebens sind ja auch die Fragen, was und wie viel von meinem Wirken lebt fort? Letzten Endes möchte man neben seinem Kadaver, einem Haufen Schulden sowie jeder Menge überflüssigen Hausrat irgendetwas Nachhaltiges hinterlassen, ausreichend substanziell, ein paar weitere Jahre zu überdauern. Die Frage: Wie komme ich ´rüber? erlangt in diesem Zusammenhang eine neue Bedeutung.

Ich zum Beispiel werde bekanntlich bereits zu Lebzeiten mit Urteilen charakterisiert, die völlig zurecht so getroffen werden und die mir auch ein wenig schmeicheln. Selbstverständlich nicht um damit zu prahlen, sondern zur Veranschaulichung eine kleine Auswahl:

a) „Er hat den Begriff Coolness nicht neu, sondern überhaupt erst definiert.“

b) „Zur Integrationsfigur im besten Sinne macht ihn, daß er Menschen aus seiner Umgebung, die sich neben ihm eigentlich klein und unbedeutend fühlen müssten, mitnimmt und animiert, ähnlich großartig zu werden wie er selbst.“

c) „Mehr als er zuzugeben bereit ist, macht ihm zu schaffen, permanent auf seinen Körper reduziert zu werden.“

d) „Immer bescheiden geblieben.“

Das sind doch Aussagen, die man später gerne über sich hören würde, wenn man sie dann noch hören könnte.

Um den Konjunktiv noch ein wenig auszureizen: Natürlich könnte es einem nach dem Tod auch gerade ´mal egal sein, was über ihn gedacht und geredet wird. Solche Souveränität freilich wäre – und ab hier wird es ernst – überdies nicht die schlechteste Taktik für das Leben vor dem Tod. Wenigstens solange man selbst hinter dem steht, was man tut. Oder unterlässt.

Demgegenüber steht die Ansicht, daß ein jeder irgendwie doch die Bestätigung durch andere sucht. Man streitet zumindest darüber, ob dem so sei.

Gleichgültig, ob man dieser Annahme folgt, muss zugestanden werden, daß die Persönlichkeit zumindest keinen Schaden nimmt, wenn man seine guten Eigenschaften, Fähigkeiten und Fertigkeiten ins Schaufenster stellt. Vorausgesetzt freilich, man macht sich vom Schulterklopfen der Anderen nicht abhängig. Weiterhin vorausgesetzt, man hat auch etwas zu präsentieren. Was ich der Einfachheit halber vorausgesetzt habe. Und das obwohl ich es eigentlich besser weiß. Wie meistens. Weil nämlich bei etlichen Menschen eben mitnichten ein relevanter Beitrag für die Allgemeinheit zu erwarten ist.

Nicht den Tod sollte man fürchten, sondern daß man nie beginnen wird zu leben“

Viele Kinder wurden wahrscheinlich nur aus einer dunklen Ahnung zumindest eines Elternteils heraus gezeugt, daß einer bedeutungslosen Existenz zu Lebzeiten ein nicht minder tristes Dasein nachher folgen wird. Das Motiv, nach dem Tod in einem anderen Wesen weiterzuleben, sollte demnach nicht unterschätzt werden, wenn wir von Wunschkindern sprechen.

Es liegt auf der Hand, daß die unterschiedlichen Rollen, die wir zu Lebzeiten einnehmen, zu unterschiedlichen postmortalen Urteilen führen werden. Mein Sohn wird anderes über mich zu erzählen wissen als ein Kollege, dieser wiederum anderes als ein Vereinskamerad. Zumindest hoffe ich inständig, daß dem so sein wird. Und hoffentlich auch alle respektvoll. Und ich glaube nach wie vor daran, daß das alles sich beeinflussen lässt. Ein kleines Stück weit wenigstens. Wie? Immer noch am besten durch Tun. Vorleben statt Voll-Labern! Sicher mag es im Einzelfall für andere Mitglieder dieser Gesellschaft ein großer Vorteil sein, daß manche über das berühmte „Man müsste ´mal…“ nicht hinaus kommen. Ich bleibe trotzdem bei der Einschätzung, daß hierin nicht der einzige, aber vielleicht ein wichtiger Schlüssel liegt, in guter Erinnerung zu bleiben. Doch überprüfen werde auch ich das nicht können.

Als der Sache förderlich könnten sich auch von Zeit zu Zeit anstehende Selbstvergewisserungen erweisen, ob man noch halbwegs im Einklang mit gesteckten Zielen und anderen Vorhaben ist. Man könnte auch formulieren: Ob man noch lebendig ist. Oder ob man so ziemlich alles, was einem mal wichtig gewesen ist, aus den Augen verloren hat und bloß noch vegetierend auf den Feierabend, das Wochenende, den Urlaub und schließlich das Ende wartet.

Ich will die Leute intelligent unterhalten. Im Alltag sowieso, aber auch hier im Blog. Gute Unterhaltung – das soll zeit meines Lebens der Kern sein, weshalb man gerne Zeit mit mir verbringt. Nicht immer, aber so oft es sich anbietet, möchte ich dabei lachen. Da entdecke ich noch manches Verbesserungswürdige. Auch weil das Leben eben nicht immer zurücklächelt, wenn man selbst dies tut. Es gibt also einiges zu tun bevor ich die Bühne des Lebens verlasse.

Ich hoffe daher, ich habe dafür noch ein bißchen Zeit.