30. 4. Die Entscheidung, den Abend vor einem Feiertag für den Wocheneinkauf auszudeuten, war vielleicht alternativlos. Aber alternativlos bedeutet halt auch immer: nicht geil. Dennoch: Lidl lohnt sich. Zumindest wenn man erfahren möchte, warum sich mancherorts die Pandemie einfach nicht ausbremsen lässt, ob sich wirklich jeder selbst der Nächste ist oder weshalb Offenbach von seinem schlechten Ruf partout nicht wegkommt.

1. 5. Ein Paar kürzlich via ebay-Kleinanzeigen erstandener kaum getragener Schuhe wurde heute eingeweiht. Als meine Freundin mitbekam, wie ich des Abends – wie man das eben so macht – eine ordentliche Nase davon nahm, meinte sie, mich beruhigen zu müssen: „Das ist nicht von Dir.“ Ich klärte sie darüber auf, dass es bei gebrauchten Schuhen fast etwas beunruhigender für mich wäre, wenn der Geruch von jemand anderem käme.

2. 5. Wann genau hat das eigentlich angefangen, dass man sich von dem Diktat befreite, auf emails binnen vier oder fünf Wochen antworten zu müssen, wenn man ernsthaft ein Produkt oder eine Dienstleistung verkaufen möchte? Und warum?

3. 5. In einer gerechten Welt wäre nicht nur mein Lieblingsfußballverein um mindestens einen Meistertitel reicher, sondern auch der Mythos, wonach der erste Eindruck entscheidend ist, längst als Propaganda entlarvt.

4. 5. Bin ich eigentlich der einzige, der sich angesichts der seit Jahren beinahe ungebrochenen Popularität von Kochsendungen im Fernsehen und des anhaltenden Trends zu Fertiggerichten die Frage stellt, wie das eine mit dem anderen zusammenpasst?

5. 5. Das Zeitfenster, innerhalb dessen man mit einer erhaltenen Impfdosis noch ordentlich angeben konnte, ist geschlossen. Exklusiv ist der Kreis, zu dem man nun gehört, irgendwie nicht mehr. Die Reaktionen auf diese Nachricht sind ähnlich leidenschaftslos als wenn man verkündet hätte, dass man jetzt auch endlich bei Instagram ist: Man kommt immer irgendwie zu spät mit allem.

Es ist symptomatisch, dass es bei mir nur für den unbeliebtesten aller hierzulande zugelassenen Impfstoffe gereicht hat. Und auch wenn es mir auf der Zunge lag, wollte ich nicht in letzter Sekunde diese Gelegenheit auch noch versemmeln, indem ich nachfrage, ob es da nicht etwas von ratiopharm gebe.

6. 5. Donnerwetter! Fachleute und Betroffene haben in Bezug auf Impfreaktionen teilweise wirklich nicht zu viel versprochen!

10. 5. Die seit einigen Wochen gehegte Vermutung, eine bestimmte Kombination aus hellem Anorak und Hut würde mich alt wirken lassen, erweist sich als völlig unbegründet. Denn wie ich heute zufällig sehen musste, liegt es nicht an den Klamotten, sondern daran, dass ich inzwischen auch in anderen Outfits alt aussehe.

12. 5. Wenn die Stadt Hanau den Kinzigsteg, den meine Freundin und ich noch vor wenigen Tagen überquert haben, aus Sicherheitsgründen sperrt, gibt das zu denken: Zwar hatte ich schon seit mehreren Monaten angemahnt, dass wir beide zu dick sind. Dass wir zwei Schwergewichte allerdings diesem Holzbauwerk den Rest geben,, hätte selbst ich nicht erwartet.

13. 5. Mein Vermieter und ich sind ja schon von Haus aus nicht die eloquentesten Vertreter unserer Art. Mit dem Wortgefecht, das wir uns heute früh geliefert haben, setzten wir diesbezügliche Maßstäbe jedoch noch einmal komplett neu:

Vermieter (nickt mir zu)

Ich: „Und – Vatertagsausflug?“

Vermieter: „Ja, scheinbar.“

Ich: „Super!

Vermieter: „Ebenso!“

(Fast) ohne Worte! Und trotzdem alles gesagt. So geht Smalltalk heute. Ich gehe immerhin davon aus, dass die zur Feier des Tages üblicherweise gereichten alkoholhaltigen Getränke seine Zunge später etwas gelöst haben.

14. 5. Der Vorteil des Laufens gegenüber einer Fahrt in öffentlichen Verkehrsmitteln ist doch dieser: Beim Vorbeilaufen bekommt man von Gesprächen seiner Mitmenschen nur Fragmente mit, während man in Bus oder Bahn dazu verdammt ist, auch noch den Rest zu ertragen. Eine Perspektive, die nur gut finden kann, wer meint, auf Bekenntnisse wie „Dieses Tofu oder wie das heißt, bekommt mir nicht“ oder auf die blauäugige Einschätzung „Du kannst Dein Kind ja so erziehen, wie Du willst“ könnte tatsächlich noch etwas Substantielles folgen. Es mag Ausnahmen geben. So wie damals, als die beiden jungen Schülerinnen mit ihrer Diskussion über die richtige Schreibweise des Wortes Rhythmus ein halbes U-Bahn-Abteil unterhielten, weil allen Zuhörenden klar war, dass da nicht mehr viel zu retten sein wird, wenn auf das so korrekte wie unstrittige R ein Ü folgt.

Von solchen raren Beispielen abgesehen will man doch aber meistens lieber nicht wissen, wie es weitergeht. Es fängt doch schon damit an, dass man oft genug ohnehin nur das erzählt bekommt, wie derjenige in einer gewissen Situation gern gehandelt hätte. Wie es sich tatsächlich zugetragen hat, bleibt Spekulation. Und exakt deshalb reichen Gesprächsfetzen aus. Sie regen die Fantasie an. Und das Resultat des Nachdenkens darüber, wie es nach diesem oder jenem Cliffhanger nun weiterging, ist oftmals näher an der Realität als die Erzählung desjenigen, der es miterlebt hat.

Ich bin ja auch schon mit Fußballfans in der Bahn gefahren beziehungsweise war einer von ihnen und als solcher gewiss selbst Projektionsfläche des einen oder anderen Vorurteils. Ich weiß also, wovon ich spreche, denn so intellektuell unvorbelastet wie beim Fußball sind die Gespräche sonst höchstens noch auf der Arbeit. Dort also, wo man in besonders weihevollen Momenten auch ´mal Einschätzungen wie folgende zum Thema Lotto zu hören bekommt: „Sechs Zahlen aus 49 – das ist ja einfach!“ Und dann wird einem schlagartig klar, dass man die Antwort auf die Frage, wo das alles noch hinführen soll, lieber gar nicht hören möchte.