Plötzlich und unerwartet. Etlichen in meinem Haushalt befindlichen Gegenständen merkt man bereits an, dass sie mittelfristig durch Neuanschaffungen ersetzt werden möchten. Den Drucker hatte ich allerdings diesbezüglich nicht auf dem Zettel. Und was für ein Spektakel! Gewohnt behäbig, letzten Endes aber zuverlässig gerade noch eine Seite ausgedruckt. Als dann der nächste Text an der Reihe war: Kein Bild, kein Ton. Zunächst wunderte ich mich nicht über die Technik, sondern über mich: Wieso habe ich das Gerät ausgeschaltet, obwohl ich noch mehr zu drucken hatte? Aber okay – man wird halt auch nicht jünger. Erst als mehrere Versuche, das Teil wieder einzuschalten, gescheitert waren, wurde mir bewusst, dass ich den mutmaßlich nicht ausgeschaltet habe, sondern dass der von sich aus den Dienst für immer quittiert hat.

Ein handelsüblicher Drucker hat mit dem Menschen ja gemein, dass man ihm einen Auftrag gibt, das Ergebnis aber nicht immer das abbildet, was man sich vorgestellt hat. Doch diese Form der Arbeitsverweigerung war eine neue Qualität.

Immerhin kam nach dem ersten Schock Erleichterung wenigstens in einem Punkt: Die vollen Tintenpatronen, die er recht bald benötigt hätte, waren noch nicht bestellt. Bei älteren Menschen überlegt man ja auch zweimal, ob etwas Neues, seien dies nun Schuhe, eine Couchgarnitur oder Hüftgelenke, wirklich noch notwendig sind oder ob man die restlichen paar Wochen vielleicht doch noch mit dem aktuell vorhandenen Inventar weiterarbeiten kann.

Generell erinnert dieses abrupte Ende des Tintenstrahlers an die Fälle menschlicher Tragik, bei denen es heißt: Gestern habe ich noch mit ihm telefoniert, da war alles ganz normal. Und im Grunde wünscht man sich als Mensch für sich ja exakt dieses Szenario, wenn einem der Stecker für immer gezogen wird: Kurz und schmerzlos, ohne Vorankündigung und lange Leidenszeit einfach ´mal offline gehen. Für immer. Kein Resümee, kein Fazit, kein „Ich hatte doch noch so viel vor“ beziehungsweise „ich hatte doch noch einige Dokumente in der Warteschlange“.

Jede Medaille hat ihre zwei Seiten: So schön diese Form des Ablebens für den Betroffenen auch sein mag – für die, die den Rest dann wegkehren müssen, ist die Überraschung nicht so gelungen. Als jemand, der mit dieser neuen Situation anschließend irgendwie umgehen muss, hätte man sich im Gegensatz zu diesem Schock eventuell eine gewisse Vorbereitungszeit gewünscht, während der man sich allmählich an den Gedanken gewöhnen kann, dass das alles nicht ewig so weitergehen wird. Man kann daraus jetzt unterschiedliche Schlüsse ziehen, aber auf diesen Kern heruntergebrochen kann man festhalten: In Bezug auf die Fassungslosigkeit der Zurückgelassenen unterscheidet sich ein Drucker nicht nennenswert von einem Menschen.

Hier wie dort wird es zum Beispiel bald heißen: Mist! Jetzt muss ich mir wieder einen neuen suchen. In Einzelfällen mag es auch heißen: Okay, endlich Ruhe, läuft bei mir! Unterm Strich wird sich aber auch in diesen Fällen zur vorhandenen Gefühlsmelange irgendwann das Zugeständnis gesellen, wonach nicht alles schlecht gewesen sei.

Und so wie vielleicht der ein oder andere hinterbliebene Ehepartner sagt „Nun gut, die letzte Zeit hat das alles vielleicht eh nicht mehr so gepasst“, so bin ich bei meinem Ex-Drucker geneigt, sogar noch ein Stück weiterzugehen und zu sagen, es hat sowieso nie richtig gepasst. Man vergleicht ja seinen aktuellen Drucker fast unweigerlich mit den anderen Druckern, die man vor ihm hatte. Da wird man im Laufe der Zeit etwas milder im Urteil, verzeiht die eine oder andere Macke, die der Drucker hat. Schließlich war man früher noch ganz andere Sachen gewohnt. Bislang stellte sich noch bei jedem Drucker früher oder später heraus, dass die Erwartungen an ihn höher waren als er erfüllen konnte. Aber er war dann halt da, man lernte nach und nach, irgendwie damit umzugehen, und je öfter man darüber nachdachte, umso deutlicher bildete sich das Urteil heraus: An den ersten Drucker kam sowieso keiner seiner Nachfolger mehr dran.

Die Angst vor weiteren Enttäuschungen führt ja bei vielen Menschen auch dazu, dass fortan komplett auf einen Drucker verzichtet wird. Sollte das Bedürfnis nach ausgedruckten Bewerbungsunterlagen oder einem schönen Foto akut werden, kann das ja oft auch beim Nachbarn, einem Kollegen oder dem besten Freund gestillt werden. Wenn alle Stricke reißen, begibt man sich zu einem Dienstleister, bei dem sich bestimmte Bedürfnisse gegen Bezahlung befriedigen lassen. Alles legitim.

Nachdem spätestens an dieser Stelle des Textes beim geneigten Leser die Frage aufploppt, ob solche verqueren Gedanken etwa damit zusammenhängen könnten, dass der Verfasser im Leben bislang weniger Partnerinnen als Drucker gehabt hätte, gebe ich gern bereitwillig Auskunft: Man wird bei beidem im großen und ganzen auf einen etwa ähnlich niedrigen Wert kommen. Affären nicht mitgezählt.

Denn dass ich zu fast jeder Zeit nebenbei noch andere Drucker hatte, ist ja ein offenes Geheimnis. Zunächst sind es nur gelegentlich zwei bis drei Seiten, die auf dem Gerät in der Firma ausgedruckt werden, und irgendwann öffnet man Abdeckungen vorne und hinten und fummelt innerhalb des Gehäuses irgendwelche gestauten Blätter heraus oder wechselt die Tonerkassette. Und natürlich stellen diese für einen Drucker intimsten Momente den Drucker zuhause in keinster Weise in Frage. Trotzdem ist das Kränkungspotenzial natürlich hoch, wenn die Liaison auffliegt. Plötzlich muss man auf Fragen wie „Was hat der Drucker, was ich nicht habe“ spontan gescheite Antworten geben und kann dabei im Grunde nur verlieren. Man sagt da ja nie die Wahrheit. Etwa: „Der schafft 25 Seiten pro Minute. Da guckt man als Mann natürlich gern hin.“ Eher sagt man: „Das ist so unbedeutend. Ich bekomme doch nirgends sonst Diagramme in so sagenhafter Qualität ausgedruckt wie hier zuhause.“

Ein Drucker hat ja auch Gefühle. Die kann man manchmal gut verstehen, manch anderes Mal nur schwer nachvollziehen.

Aber dass sich einer sozusagen selbst den Stecker zieht, passiert wieder ´mal nur mir.