Warum kann das nicht jedes Mal so vonstatten gehen, wenn zwei erwachsene Freunde sich verabreden? Zwei Nachrichten: Eine Frage, eine Antwort, fertig ist der Grundsatzbeschluss: Coole Idee, Kalender gibt grünes Licht, wir gehen da hin. Man hat sich ja daran gewöhnt, dass allerlei Verpflichtungen auf beiden Seiten solche Treffen meist schon im Ansatz unterbinden, doch das wirklich Überraschende war, endlich wieder ´mal auf ein Gegenüber zu treffen, das nicht auf Zeit spielt. Keine vielsagende Nichtreaktion, kein „Lass´ uns in zwei Wochen nochmal drüber reden“. Kein Hinhalten, kein „ich überlege es mir“, das ja am Ende doch bloß bedeutet: Falls sich drei Tage vorher für den Abend noch nichts Anderweitiges ergeben hat, dann sehr gerne.

Somit habe ich mit diesem Konzert nicht nur ein erstes Veranstaltungshighlight 2019 bereits für den Januar eingetütet, sondern noch im „alten“ Jahr die Erfahrung gemacht, dass man mit so einem Vorschlag auch einmal offene Türen einrennen kann wie sonst höchstens noch wenn ich meinem sechsjährigen Sohn die Idee unterbreite, in den Zoo zu gehen. Und nicht zuletzt kam in ihrer Antwort ein fast schon erschreckend erfrischender Enthusiasmus zum Ausdruck. Nicht dass ich diesen angesichts einer großartigen Band für unangebracht hielte, aber: Man stelle sich vor, ich hätte auf eine ähnliche Anfrage reagieren müssen. Im Kern zustimmend, aber weitgehend teilnahmslos und stets darauf bedacht, nicht gar zu emotionsgeladen zu wirken, hätte sich das in etwa wie folgt angehört: „Hmm… okay… ja, kann man sich ja ´mal angucken.“ So gesehen ist die Eingangsfrage, wohin das alles noch führen soll, durchaus berechtigt. In diesem Sinne herzlich willkommen zu meinem Ausblick auf das nächste Jahr!

Erstens Spontanität, zweitens Begeisterungsfähigkeit – wenn das ´mal keine gescheiten Vorsätze für das kommende Jahr sind! Origineller jedenfalls als mehr Sport zu treiben, was ja tendenziell jeder vorhat. Da ist es auch von nachrangiger Bedeutung, dass ich mir beides streng genommen bereits seit vier Jahren vornehme. Vielleicht sogar noch länger. Immerhin tut es gut, sich im Scheitern mit Vorsätzen in bester Gesellschaft mit all den Möchtegern-Sportlern zu befinden, die sich pünktlich zum Jahreswechsel mit Slingtrainern, Springseilen und Hantel-Sets ausrüsten, die im Discounter taktisch klug gleich in der ersten Woche eines Jahres feilgeboten werden.

Sobald es wieder etwas wärmer wird, gibt es diese Gerätschaften dann für noch kleineres Geld auf den Flohmärkten dieser Republik zu kaufen. „Kaum benutzt“, wie der Verkäufer versichert. Rasch wendet sich mein Blick weg vom Verkäufer hin zur Auslage, als ich mir der Doppeldeutigkeit meines Ausspruchs „Das sieht man“ bewusst werde. Nachdem ich für zwei bis drei Sekunden so getan habe, als würde ich überlegen, lege ich das Teil wieder auf den Tapeziertisch zurück zu den anderen Gegenständen mit überschaubarem Gebrauchswert. Kaufen wollte ich das Zeug sowieso nicht. Eher wissen, wie sich so ein Fitnessgerät anfühlt. Schließlich bin ich die meiste Zeit des Jahres genug ausgelastet damit, spontaner und begeisterungsfähiger werden zu wollen.

Es ist aber auch schwierig…

… mit der Begeisterungsfähigkeit. Dass sie im Alter zwangsläufig nachlässt, versuche ich seit Jahren bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu betonen. Was einst als Gag begann, hat sich im Laufe der Zeit allerdings scheinbar zu einer echten Charaktereigenschaft verfestigt. Inzwischen würde es bei mir vermutlich nicht einmal dann nennenswerte Gefühlsregungen verursachen, wenn Offenbach von einem Tag auf den anderen tatsächlich am Meer läge.

Wann hat mich das letzte Mal etwas besonders begeistert? Die Lavalampe, die ich mir im Frühjahr vom Flohmarkt mitgebracht habe, tut es jedenfalls nicht. Besser gesagt: nicht mehr. Nicht weil der Reiz des Neuen nach kurzer Zeit verflogen gewesen wäre, sondern weil sie schon im Herbst den Geist aufgegeben und sich damit in eine Vielzahl besonders kurzlebiger Gegenstände wie Fotoapparat oder Gefrierschrank eingereiht hat. Aber klar – bei Flohmarktkäufen weiß man am Ende selten, was damit vorher gewesen war. In punkto Vorgeschichte mit früheren Besitzern unterscheidet sich eine Lavalampe nicht substanziell von einem Auto oder einem Hund.

Vielleicht hätte ich mir doch lieber den Expander am Stand nebenan kaufen sollen.

Nicht wesentlich besser als der Begeisterungsfähigkeit ergeht es der Spontanität: Auch deren Fehlen schiebe ich gern auf Alter und Lebensumstände. Zumindest bis ich durch mehr oder weniger zufällig mitgehörte Gespräche zwischen teils wesentlich jüngeren Aushilfskollegen regelmäßig wieder daran erinnert werde, wie kompliziert das Organisieren eines Zusammentreffens auch für Unter-Dreißig-Jährige mitunter sein kann. Erst wenn ein Angebot richtig attraktiv ist, kommt Bewegung in die Sache. Manche sind nicht willens oder fähig, drei Wochen im Voraus eine Verabredung zu terminieren, weil eventuell irgendetwas wie „die Oma zum Einkaufen fahren“ dazwischenkommen könnte. Dieselben Leute können aber am übernächsten Tag ohne Probleme spontan einen zweiwöchigen Urlaub antreten. In dieser Hinsicht stehen die jungen Menschen ihren älteren Vorbildern in nichts nach.

Ich hatte vor Jahren eine äußerst skurrile Absage eines befreundeten Paares auf meine Einladung zu meiner Geburtstagsfeier: Sie hatten für den Abend einen Babysitter bekommen können. Weshalb sie sich endlich ´mal einen Abend im Kino gönnen wollen. Nun kann man sich Schöneres vorstellen als durch solch entwaffnende Ehrlichkeit auf den eigenen Stellenwert für den anderen hingewiesen zu werden. Aber irgendwann muss man eben auch wissen, wo man steht. Für eine solche Einordnung sind solche Momente dann doch irgendwie ganz hilfreich. Geht es doch zum Beispiel speziell bei (tatsächlichen oder vermeintlichen) Singlefrauen stets auch darum, herauszufinden, ob einer spontanen Nichtzusage zu einem vorgeschlagenen Treffen eher fehlendes Interesse am vorgestellten Programm oder mangelnde Attraktivität der vorschlagenden Person zugrunde liegt.

Solche Fragen realistisch zu bewerten, stellt eine der größten Herausforderungen dar, denen ich mich auch im kommenden Jahr leider stellen muss.

Nichtsdestotrotz freue ich mich auf ein abwechslungsreiches 2019, das laut ist wenn ich Konzerte besuche, aber leise wenn ich Fragen nachgehe wie der, an welchem Punkt meines Lebens Spontanität und Begeisterungsfähigkeit auf der Strecke geblieben sind. Ein Jahr, das witzig ist wenn mir der Sinn auch danach steht, dafür tiefgründig wenn es die Situation erfordert. Auf ein neues Jahr, das von alledem etwas hat, wenn ich mit guten Freunden einfach nur eine angenehme Zeit verbringen möchte.