Niemand ist perfekt: Hin und wieder taucht die Frage auf, was Blauwale verkehrt machen, da Schwimmen doch eigentlich schlank mache. Legt man den Body-Mass-Index zugrunde, ist da vermutlich auch nur wenig überhaupt zu retten. Schließlich gilt man nach menschlichen Maßstäben ab einem BMI von 25 als übergewichtig; ein Blauwal kommt auf Werte von etwa 200. So ganz genau muss man das in solchen Größenordnungen wahrscheinlich nicht mehr nehmen. Und trotzdem hört man selten andere Meeresbewohner über einen Blauwal lästern. Man weiß in diesen Kreisen offenbar zu schätzen, dass die Exkremente des Blauwals hervorragende Nährstoffe für Pflanzen und Tiere des Ozeans sind. Eine Flosse wäscht hier also offensichtlich die andere.
Niemand ist perfekt. So entferne zum Beispiel auch ich mich seit einiger Zeit im wörtlichen Sinn zunehmend von meinem Wunschgewicht. Aus diesem Grund habe ich vor ein paar Wochen beschlossen, die läppischen 15 Kilo, die mich von diesem aktuell trennen, im Laufe der nächsten Monate in Angriff zu nehmen.
Da mir diese Idee grandioserweise in der Weihnachtszeit kam, lief das Projekt anfangs etwas stockend an. Aber im Scheitern bei solchen Dingen hat man ja Erfahrung. Bereits als Kind qualifizierte mich meine Figur beim Versteck-Spielen eher zum Suchen. Man lernt dadurch früh, Dinge in Frage zu stellen. Zum Beispiel ist mir bis heute nicht klar, wieso beim Fußball alle davon ausgehen, im Tor würden die Dicken weniger Schaden anrichten als auf anderen Positionen. Selbst Jahre später, ich hatte inzwischen das erste Mal erfolgreich abgespeckt und dazu etwas an Höhe gewonnen, war ich auf die Rolle des Tormanns festgelegt. Dass in der Zwischenzeit Basketball zu unserer bevorzugten Freizeitbeschäftigung geworden war, änderte daran nur unwesentlich etwas. Aber das ist eine andere Geschichte.
Jedenfalls hat meine selbstverordnete Keksdiät zu Weihnachten zu keinen Ergebnissen geführt, mit denen ich heute angeben könnte. Die Idee war gut, nur die Welt wahrscheinlich noch nicht bereit dafür. Aber wenn man sich anschaut, was auf dem Markt für Abnehmwillige alles so kursiert, bräuchte man sich nicht wundern, wenn nicht irgendwo ein Spinner ernsthaft eine solche Keksdiät anbieten würde. Beim Thema Gewichtsreduktion ist der Schwachsinn eindeutiger Punktsieger gegenüber der Aufklärung.
Dünn und dünner
So gibt es beispielsweise eine Bier-Diät für die Harten, eine Wodka-Diät für die ganz Harten oder eine Wodka-Bockwurst-Diät für die Härtesten der ganz Harten. Die Sleeping-Beauty-Diät verspricht nach dem Motto „Wer schläft, sündigt nicht“ Abnehmen im Schlaf. Darauf muss man eben auch erst einmal kommen.
Es gibt eine „Power-Diät aus dem Meer“. Die Theorie dahinter: Für die schlanke Figur der meisten Fische sei nicht allein die Bewegung, die die meisten von ihnen zweifelsohne haben, verantwortlich, sondern vor allem ihre Ernährung. Die besteht – neben Blauwal-Exkrementen – aus anderen Fischen, Algen und Meeresfrüchten. Die Schlussfolgerung: Wer sich ernährt wie ein Fisch, wird auch genauso schlank. Jetzt sind die Geschmäcker natürlich unterschiedlich, und nicht wenige Menschen bevorzugen Nahrung, die sich wenigstens zeitweise an der frischen Luft aufgehalten hat. Was auf direktem Weg zum nächsten Irrsinn führt, denn es gibt tatsächlich eine „Luft-Diät“. Dabei führt man die Speise zum Mund und von dort ohne gegessen zu haben wieder zum Teller zurück. Menschenrechtsaktivisten kämpfen bereits um die Aufnahme der Luft-Diät in die UN-Antifolterkonvention.
Vom Ansatz her appetitlicher und sinnlicher, allerdings ebenfalls nicht zu Ende gedacht ist die Schokoladen-Diät: Einfach zwei Stücke dunkler Schokolade vor jeder Mahlzeit, so das einfache Rezept. Um auf eine menschlichen Bedürfnissen angemessene Menge Schokolade zu kommen, müsste man bei diesem Ansatz allerdings mindestens ein Dutzend Mahlzeiten täglich zu sich nehmen. Ich möchte einen an sich brauchbaren Ansatz nicht schlecht reden, meine aber gute Gründe zu der Annahme zu haben, dass man bei einer solchen Anzahl alles andere als abnimmt.
Ein weiteres grundsätzliches Problem dieser und anderer Schokoladen-Diäten: Sie funktionieren nur mit dunkler Schokolade. So sinnvoll das auch erscheinen mag – für mich persönlich sind solche Konzepte damit gestorben.
Ein früherer Kollege hatte einmal eine sehr dunkle Schokolade mitgebracht. Die war so staubig, dass keiner von uns überhaupt ein Stück ´runterschlucken konnte. Da hatte hinterher niemand auf irgendwas Appetit. Wir waren viel eher damit beschäftigt, geeignete Mittel zum Nachspülen zu finden. Aber man muss den Tatsachen ins Auge sehen: Dass eine weiße Schokolade oder gar eine Milchschokolade den Appetit ähnlich zügeln würde wie eine dunkle, kann ich nach über 40 Jahren Selbstversuchen nicht direkt bestätigen. Und leider befinde ich mich mit dieser Beobachtung auf Augenhöhe mit dem Stand der Wissenschaft.
Niemand ist perfekt. Ich weiß immerhin, dass ich eigentlich nur auf meine kleinen Zwischenmahlzeiten verzichten muss, die, wenn ich ehrlich bin, erstens nicht klein und zweitens keine Zwischenmahlzeiten sind. Eine Handvoll Datteln wäre eine Zwischenmahlzeit, eine halbe Tafel Schokolade ist es nicht. Vor allem sollte eine Zwischenmahlzeit einmal zwischen zwei Hauptmahlzeiten eingenommen werden. Nicht dreimal. Ich bin überrascht, dass mir der Verzicht drauf momentan sehr leicht fällt, fürchte aber, das dicke Ende kommt erst noch. Sind diese Leckerlis zwischendurch doch genau das, was das Leben lebenswert macht. Kein mit Blattgold überzogenes Steak könnte mit einer Rippe schwarzen Goldes mithalten. Selbst wenn ich mir aus Fleisch noch irgendetwas machen würde.
Aber wenn alles nichts hilft, kann ich es immer noch mit Schwimmen versuchen.
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