Es mag durchaus sein, dass Musik-Streaming in Zukunft manche Paarbeziehung retten wird. Durch die Entkopplung von Musik-Bibliothek und Platzbedarf bleibt dem Musikliebhaber nämlich nicht nur unangenehme Schlepperei bei Umzügen erspart, sondern auch manche Streiterei mit dem Partner sowie daraus resultierende faule Kompromisse. Vorbei die Zeiten, in denen jeder Quadratzentimeter der gemeinsamen Wohnung zur Verhandlungsmasse wird, auf dass man sich einigen möge, ob ausgerechnet an dieser exponierten Stelle die 600 Titel umfassende Plattensammlung untergebracht werden soll oder stattdessen die Standuhr und der Beistelltisch aus der Mitgift des anderen Partners.

Keine Frage – wenn man die Debatte führt, ob die schöne neue Streaming-Welt dem physischen Tonträger überlegen ist oder umgekehrt, darf man diesen Aspekt bitte nicht unter den Tisch kehren. Dass das digitale Angebot darüber hinaus auch das Kennenlernen neuer Musik vereinfacht, wenn man es richtig anstellt, muss ebenfalls anerkannt werden. Nicht zuletzt werden wertvolle Rohstoffe gespart, weil nicht mehr jeder Schrott, den sich zu Recht niemand ein zweites Mal anhören will, in hohen Auflagen hergestellt wird.

Bis hierhin deutet also vieles auf einen eindeutigen Punktsieg des Streamens hin. Da aber nun nicht nur die Welt als Ganzes eine komplexe Angelegenheit ist, sondern auch bei dieser Thematik nicht immer alles nur Schwarz oder Weiß, ist die Diskussion an dieser Stelle nicht beendet. Man wird auf Nachteile der einen Methode stoßen und Vorteile der anderen ausfindig machen. Und rasch gelangt man an einen Punkt, der in diesem Zusammenhang noch jedes Mal zugunsten von CD oder Vinyl ins Feld geführt wird: die Covergestaltung.

Auch wenn es wieder ´mal wie ein Rückzugsgefecht desjenigen klingt, der mit technischem Wandel oft überfordert ist – das Betrachten einer Schallplattenhülle bleibt stets ein Ereignis für sich! In der Tat war früher manche Kaufentscheidung schneller gefällt, wenn ordentliche Musik auch noch in einem ansprechenden Cover geliefert wurde. Früher, das meint übrigens in diesem Zusammenhang eine Zeit vor gut 30 Jahren, in der das Herz des Verfassers dieser Zeilen für Metal schlug.

Gerade in diesem Genre gibt es traditionell viele Beispiele gelungener Covergestaltung, bei der neben der Musik ein eigenständiges kleines Kunstwerk entstanden ist.

Wie überall im Leben gibt es allerdings auch zahlreiche Beispiele, in denen weit übers eigentliche Ziel hinausgeschossen wurde. Auch wenn sich über Geschmack vortrefflich streiten lässt, wirken einige Plattenhüllen nicht erst aus heutiger Sicht nur verstörend auf den Betrachter.

Üble Cover sind selbstverständlich kein Merkmal, das Metal exklusiv hätte. Grenzwertige Produktverpackungen gibt es in jeder musikalischen Sparte zu entdecken, wenn man aufmerksam genug hinsieht. Jedoch ist der Anteil der unfreiwillig komischen Kunstwerke in der Metal-Szene nachweislich am höchsten. Da sind Fabelwesen, Schlachtfelder und Motorräder zu sehen. Es wimmelt von Schwertern, Äxten, Blut und Knochen. Da ist zumeist massivst Pathos drin. Was soll man auch anderes erwarten bei Combos, die sich Namen wie Destruction, Megadeth, Metal Church oder Overkill geben?! Letzten Endes war die Namensgebung oft nicht viel origineller als bei den Kollegen der Kastelruther Spatzen oder Zillertaler Schürzenjäger.

Wäre demnach die Welt eine bessere, wenn sich auf den Umschlägen der Tonträger lediglich ordinäre Bandfotos befunden hätten? Mitnichten! Dazu sollte man zunächst wissen, dass es im Metal keine normalen Bandfotos gibt. Anstatt sich auf die klassischen Trademarks einer Rockband wie Jeanshosen, Lederjacken und Sonnenbrillen zu beschränken, muss richtig auf die Kacke gehauen werden: Hier die androgyn geschminkten und besser als jede Fußballer-Gattin frisierten Rocker von Poison oder Mötley Crüe, dort der in seinem Outfit an einen zerrupften Vogel erinnernde Sänger von Twisted Sister. Andernorts die von Kopf bis Fuß in Nieten gewandeten Destruction, und dazwischen immer wieder Manowar, die in Sachen Outfit seit jeher in einer eigenen Liga spielen und sich alle erdenkbare Mühe geben, jegliche von ihnen selbst gesetzten geschmacklichen Tiefmarken immer wieder zu unterbieten. Bei Manowar dürfte sich keiner wundern, wenn irgendjemand glaubt, dass die zwischen ihren Auftritten im Käfig gehalten werden. Irgendwo zwischen all diesen Polen muss die Geburtsstätte des Begriffs „Fremdschämen“ liegen.

Zusammengefasst: Bei manchen Kapellen wäre es im Nachhinein besser gewesen, man hätte nie erfahren, wie sie aussehen. Dass die Texte oftmals genauso bescheuert sind wie es das gesamte Drumherum befürchten lässt, kommt am Ende ja noch dazu. Streng genommen durften die Vorbehalte meiner Eltern gegenüber dieser Musik nicht wirklich überraschen.

Nach Durchsicht meiner Plattensammlung, die ich seit der Trennung an exponierter Stelle in der ehemals gemeinsamen Wohnung untergebracht habe, stelle ich fest: Wenn eine Kanone auf dem Cover ist, kannst Du die Platte eigentlich kaufen, ohne vorher ´reingehört zu haben.