Dass zwei Wochen zur Regeneration der Arbeitskraft eine bescheidene Dauer sind, bedarf hoffentlich für niemand mit durchschnittlich klarem Verstand besonderer Erläuterung. Ob ein Zeitabschnitt solcher Größenordnung schneller oder langsamer vorübergeht, wenn der Aufenthalt statt auf dem Berg oder am Strand vor der Haustür stattfindet, vermag ich leider selbst jetzt nach Ablauf dieser Zeit nicht begründbar zu sagen. Angesichts problematischer monetärer Ausgangssituation war das Unternehmen allerdings auch eher Alternativlosigkeit anstelle echter Willensentscheidung.
Wie dem auch sei – jede Medaille hat ihre zwei Seiten. Wer daheim bleibt, umgeht wenigstens die Problematik, dass wo immer man auch hinkommt, die Deutschen schon dort sind. Zumindest aber schon einmal dort waren. Einerlei ob mit der Armee oder mit einem anderen Reiseveranstalter. Viel schlimmer wiegt: Offenbacher sind sowieso überall. Und haben im Allgemeinen mit den anderen Deutschen wenigstens dafür gesorgt, dass man sich am fremden Ort nicht mehr groß benehmen muss, weil der Ruf seitdem ohnehin ruiniert ist. Ein bisschen so wie ältere Geschwister ´mal mehr, ´mal weniger subtil Grenzen überschritten, um die neuen Standards fortan auch für ihre kleinen Brüder und Schwestern durchzusetzen. Schöner ist eigentlich lediglich, auf kulturelle Eigenheiten anderer Länder gar keine Rücksicht nehmen zu müssen, weil man sich zuhause sowieso alles gestattet. In Offenbach selbst hingegen mit inzwischen 158 vertretenen Nationen atmet man den Duft der großen weiten Welt ohnehin mit beinahe jedem Schritt, den man tut. Folgerichtig ist ein Aufenthalt in dieser schönsten aller Städte ein mehr als geeignetes Substitut für Fernweh, das Fest der Vereine entsprechend ein gelungener Auftakt für die darauf folgenden beiden Wochen gewesen.
Wer es kulinarisch nicht exotisch, sondern konventionell mag, schätzt am Zuhausebleiben genau das: Keine Experimente. Auch der Hund muss nicht erst noch irgendwo angebunden werden, sondern bleibt einfach genauso daheim wie man selbst. Baustellenlärm, verregnete Tage und heruntergekommene Unterkünfte hat man vor Ort; sich darüber zu ärgern, muss man also nicht mehrere Tausend Kilometer weit reisen. Verlorenes Gepäck gibt es so gut wie gar nicht, lästige Entscheidungen über das, was mitkommt und das, was hierbleibt entfallen. Ich gebe zu, dass letzterer Aspekt erst dann richtig zur Entfaltung kommt, wenn man mit Partnerin daheim bleibt. Insofern muss man sich auch nicht rechtfertigen, dass man mit dem Buch nur bis Seite 42 gekommen ist. Hat keinem wichtigeren Utensil Platz oder Gewicht weggenommen.
Ein Nachteil: Geheimtipps existieren in der näheren Umgebung so mehr oder weniger nicht mehr.
Das Cocktailglas am Strand
Eine weitere Kehrseite des Urlaubs zuhause ist, dass man nicht einfach am Ende 30 Euro für die Endreinigung bezahlt und danach die Bude wieder auf Vordermann ist. Sondern dass man ja im Gegenteil permanent denkt: Ach, das könnte ich ja jetzt endlich einmal in Angriff nehmen. So muss man sich selbst in den verlängerten Rücken treten, um gerade nicht ständig zwischen Baumarkt, Haushalt und Baumarkt zu rotieren. Habe ich schon erwähnt, wie glücklich ich bin, nicht mehr zusätzlich einen Garten versorgen zu müssen?
Was dafür definitiv entfällt, ist der Stress vor und nach dem Urlaub, um zum Beispiel alles das erledigt zu haben, was eben dringend noch gemacht werden muss, bevor man wegfährt, und wofür man normalerweise mindestens zwei Tage Urlaub vor dem Urlaub veranschlagen muss.
Dank sozialer Netzwerke braucht die Berichterstattung heutzutage nicht mehr bis zur Heimkehr warten, sondern kann man dem Bekanntenkreis sofort Bilder von der Action liefern. Hier, im Konkurrenzkampf mit den echten Urlaubern um das knappe Gut Aufmerksamkeit, offenbart sich dann letzten Endes die größte Schwäche der Ferien im eigenen Nest: Für die Kollegen reichen zwei Fotos eines Cocktails vor der Kulisse eines kilometerlangen Strandes aus, umgehend fünftausend Freunde dazu zu animieren, gute Erholung zu wünschen. Das eigene Posting von der Feldbergwanderung müsste dagegen schon extra fett mit den Worten „Endlich Urlaub“ und mindestens fünfzehn Ausrufezeichen garniert werden, damit die Leute überhaupt wahrnehmen, dass sich da gerade etwas vom Alltag unterscheidet. Das Loop5 ist nun einmal nicht die 5th Avenue, der Kahler See nicht annähernd zu vergleichen mit der Costa Dorada, und Dietzenbach ist so ziemlich alles, nur keine Reise wert. Unterm Strich ist das Beste an dieser Stadt wohl die Nähe zu Offenbach. Das freilich ist kein Alleinstellungsmerkmal. In diesem Sinne: Seid froh, liebe Dietzenbacher, dass das hier kein Reiseblog ist.
Was bleibt festzuhalten, jetzt nachdem ich mich von den Strapazen der Rückreise nicht erholen musste? Ich habe die Gelegenheit, Land und Leute kennenzulernen, nicht in dem Maße wahrgenommen, wie die Menschen hier es eigentlich verdient hätten. Ich denke nämlich, in vielen wesentlichen Punkten sind wir einander nicht unähnlich. Gegen einen kleinen Urlaubsflirt hätte ich deswegen nichts Grundsätzliches einzuwenden gehabt. Das sonst übliche Problem mit solchen Abenteuern, dass die Romanze aufgrund der speziellen Ferienstimmung an diesen einen bestimmten Ort gekoppelt ist, hatte ich ja mit der Auswahl des Urlaubszieles an und für sich geschickt umgangen. Aber am Ende hat mir wahrscheinlich wieder die sogenannte Basis-Entspannung gefehlt, diesbezüglich jemand für mich einnehmen zu können.
Zusammengefasst: War nett, aber ich muss nicht jedes Jahr hin.
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