Entgegen der landläufigen Meinung gibt es im Frühjahr sehr wohl Lästigeres als Heuschnupfen. So imposant sich dieser im Einzelfall auch äußern mag, so geringwertig ist er genau genommen gegenüber einem Phänomen, an dem man als Fußballfan in dieser Zeit leidet. Wenn sich die Spielzeit ihrem Ende nähert und also wichtige Entscheidungen ausgespielt werden, sieht man sich das ein ums andere Mal mit Vereinen mitfiebern, deren Schicksal einen sonst berechtigterweise nicht die Bohne interessiert. Und das bloß weil sie einem anderen Verein, der in der Tabelle aktuell mit dem eigenen konkurriert, wertvolle Punkte abnehmen könnten.

Könnten. Man ahnt schon, worauf es hinausläuft. Meistens tun sie einem diesen Gefallen nämlich gar nicht und man hat völlig umsonst einer Truppe wie dem FC Augsburg die Daumen gehalten. Vielen Dank auch!

Da die Tabellenkonstellation gerade gegen Ende einer Saison nur höchst selten Spielbegegnungen hervorbringt, die zum sportsmännischen Wunsch einer gerechten Punkteteilung veranlassen, kommt der Moment des Daumenhaltens für einen ansonsten eher verhassten Verein beinahe zwangsläufig. Kennzeichen einer solchen merkwürdigen Verschwisterung auf Zeit ist übrigens zuvorderst ihre Einseitigkeit. Den Akteuren des anderen Vereins ist es nämlich einigermaßen egal, wen er im Falle von Sieg, Unentschieden oder Niederlage außerdem noch begünstigt.

Jetzt ist die Ausgangssituation vor dem letzten Spieltag der gestern abgelaufenen Saison folgende gewesen: Da mein Verein sein letztes Spiel ziemlich sicher verlieren würde, konnte ich mir wenigstens sparen, Hertha BSC gegen Leipzig über die Maßen viel Erfolg zu wünschen, auf dass der Verein meines Herzens letztere noch überholt. Nicht dass man nicht sowieso jede Woche zum jeweiligen Gegner der Leipziger hält, aber diesmal wäre der Nutzen noch größer. Weil man aber wie gesagt verlieren wird, war man auf fremde Schützenhilfe angewiesen, um wenigstens den siebten Platz zu behaupten. Ich durfte mich also eine Woche lang mit dem Gedanken anfreunden, dem FC Bayern sowie dem HSV die Daumen zu drücken, damit diese gegen Stuttgart respektive Mönchengladbach gewinnen. So weit, so schlecht bis hierhin. Es kam aber noch schlimmer. Ausgerechnet der HSV ist nun allerdings seit mindestens fünf Jahren eigentlich eher eine Belastung als eine Bereicherung für die Bundesliga. Wenn die gewinnen sollen, müsste ich gleichzeitig auch noch dem VfL Wolfsburg viel Erfolg wünschen, damit der direkte Abstieg für die Hamburger endlich eingetütet wird. Von neun Partien mussten also gleich drei in meinem Sinne ausgehen. Das alles nur weil mein eigener Klub nicht in der Lage sein würde, sein eigenes Spiel zu gewinnen.

Und dann ist Wolfsburg seinerseits ja auch nicht unbedingt der Verein, dem man unter allen Umständen einen Verbleib in der Bundesliga wünscht. Damit also gewährleistet wird, dass mindestens einer aus der Auswahl HSV oder Wolfsburg in der nächsten Spielzeit eine Klasse tiefer antreten muss, hat man bereits vergangenes Wochenende zum FSV Mainz gehalten.

Mainz.

Die Absurdität eines solchen Verhaltens zu begreifen hilft, wenn man es einmal ausspricht: „Ich hoffe, dass der FSV Mainz am Wochenende gewinnt.“ So was sagt man doch nicht! So was wagt man nicht einmal zu denken. Unter solchen Voraussetzungen also überhaupt noch von Vorfreude auf den nächsten Spieltag zu sprechen, ist der blanke Hohn. Das hat mit Sport nichts mehr zu tun!

Nur Fußball

Es gibt ja Leute, die kultivieren das über die komplette Saison hinweg, ganz gleich, wohin die Reise des eigenen Vereins im weiteren Verlauf des Spieljahres noch geht. Solchen Quatsch habe ich zum Glück nur kurze Zeit mitgemacht und wurde von meinem eigenen Verein aufgeklärt. Dass es nämlich nichts bringt, wenn ein Mittelklasseverein am 11. Spieltag einen vermeintlichen Konkurrenten aus dem Weg räumt und man deswegen vom 6. auf den 5. Platz klettert. Denn gewöhnlich steht man am 34. Spieltag sowieso wieder nur auf dem 14. Platz und hat rein gar nichts davon gehabt. Besagter Mittelklasseverein steht dann übrigens in der Tabelle einen Platz über dem eigenen, zwei Punkte mehr als wir. Hätte er also am 11. Spieltag standesgemäß verloren statt uns unfreiwillig zu einem Kurzzeit-Hoch zu verhelfen, wären wenigstens in diesem einem Punkt die Verhältnisse wieder gerade gerückt, wenn schon der ganze Rest der Saison seit dem 12. Spieltag irgendwie zum Wegsehen war.

Halten wir fest: Das Fremdgehen im Saisonendspurt ist zwar schon erbärmlich genug, im Einzelfall aber leider auch alternativlos. Ein Techtelmechtel zu einem verfrühten Zeitpunkt allerdings vereint gleich mehrere Nachteile eines klassischen Seitensprungs in sich:

Man weiß vorher schon, dass es irgendwie nicht ganz in Ordnung ist.

Der Spaß ist von begrenzter Dauer.

Irgendwann holt es einen sowieso ein.

Trotzdem würde man es wohl wieder tun.

Die Attraktivität des Flirt-Gegenübers spielt eine nicht nur tendenziell untergeordnete Rolle.

Ich möchte diesen Vereinen ihre Existenzberechtigung gar nicht absprechen. Wobei… ich fange den Absatz besser noch einmal an: Abgesehen von wenigen Ausnahmen, einige davon wurden hier bereits erwähnt, möchte ich diesen Vereinen ihre Existenzberechtigung gar nicht absprechen. Im Grunde genommen können sie ja nicht einmal etwas für ihr Problem, dass sie maximal halb so lässig sind wie mein Verein.

In diesem Sinne, nicht geehrte Damen und Herren von FCX, SVX, RBX oder wie Ihr alle heißt: Bildet Euch bitte nichts darauf ein, mich für 90 Minuten als Fan gewonnen zu haben. Ich bin ein Mann nicht ´mal für eine Nacht, sondern beschränke mich auf 90 Minuten am Nachmittag, zur Not auch am Abend, wenn der Spielplan das nur so einrichten kann. Selbstverständlich zuzüglich Nachspielzeit. Aber am nächsten Wochenende seid Ihr für mich wieder das, was Ihr schon immer wart: Fischköppe, Karnevalsvereine oder Bauern. Es gibt, das liegt bereits in der Logik der nun folgenden Aussage, nur einen geilsten Verein der Welt.

Alles andere ist sowieso nur Fußball.