Lohnarbeit bedeutet für die wohl meisten Menschen zunächst Mittel zum Zweck. Daneben kann sie eine Reihe anderer Funktionen haben. Manche Wenige sprechen dann von Erfüllung, Berufung, Bestimmung. Für viele Andere dürften wenigstens noch unterschiedlich ausgeprägte Formen von Selbstbestätigung zutreffend sein. Eines kann man dem Broterwerb allerdings ganz sicher nicht unterstellen: Dass er in besonderem Maß geeignet wäre, der Zeit, die um diese Arbeit herum stattfindet, einen kreativen Schub mitzugeben. Gelegentliche Inspirationen zu Blogthemen sind eher die diese Regel bestätigenden Ausnahmen.

Als ob die wenig liebevolle Umarmung des Alltags durch die Erwerbstätigkeit nicht schon ausreichen würde, kam bei mir dieser Tage dann auch noch das hier dazu:

Ich träumte des Nachts, wie der für unser bei der Arbeit anfallende Altpapier zuständige Containerdienst, nachdem er zunächst wie vorgesehen geleert hatte, am gleichen Tag ein zweites Mal kam und diesmal den ganzen Container mitnahm, um diesen frech einige Meter weiter bei der benachbarten Firma wieder abzustellen. Es hätte ein Traum nach meinem Geschmack werden können, der allerdings leider von meinem Wecker unterbrochen wurde, bevor ich deswegen Rangeleien mittlerer Güteklasse anzetteln durfte. Ohne dieses Happy End hinterlässt er vor allem Fragen.

Nicht viel besser zwei Tage später, als ich miterleben musste, wie es plötzlich Publikumsverkehr in unserem zur Zeit sowieso schon nicht besonders aufgeräumten Lager gab und ich mich darum kümmern musste, dass alte Frauen ihre Rückgaben korrekt erstattet bekommen. Was soll das? Gerade zum Wochenende hin hätte ich endlich ´mal wieder einen Traum erwartet, in dem die Fußballmannschaft meines Vertrauens im Saisonendspurt ein furioses 7:1 hinlegt. Eben einfach einen Traum, wie ihn jeder andere vernünftige Mensch träumt. Dass nach solchen Träumen meistens ein Grottenkick samt ernüchterndem 1:3 zu verbuchen ist – geschenkt! Aber ich will endlich wieder dahin, dass Träume meine Sehnsüchte, Hoffnungen, Ahnungen und auch Ängste ausdrücken. Und nicht so einen Scheißdreck wie Papiercontainer oder die Verwandlung meines Arbeitsplatzes in einen Supermarkt.

Es geht dabei nicht primär darum, dass mich die Arbeit nicht mehr allein in meinen Wachphasen über den Feierabend hinaus beschäftigt. Oder dass ich jetzt gleich zweimal bereits vor dem Aufwachen mitten in dem Thema bin, das ich unter normalen Umständen erst bei der morgendlichen Hunderunde allmählich in Angriff nehme. Verstörend ist vielmehr die völlige Unsinnigkeit dieser Träume. Wenn in diesen Träumen tatsächlich Unterbewusstes verarbeitet wurde, dann gute Nacht! Dann habe ich genug gesehen. Ich möchte bitte nicht tiefer in die Materie eintauchen und plädiere auf Schlafentzug.

Es gibt ja diese offensichtlichen Träume. Beispielsweise solche, in denen man nackt ist. Solche, in denen man von einer Wespe gestochen wird, deswegen aufwacht und feststellt: Okay, ein Stich als Symbol für Sex klingt in der Theorie gut, aber in diesem Fall lag der Traum wohl daran, dass so ein Vieh zwischen Fensterscheibe und Vorhang hin- und herbrummt. Und es gibt Träume, bei denen – egal was man tut – man ständig zu spät ist, sich vom Ziel im Gegenteil eher noch weiter entfernt als dass man sich ihm näherte. Kurz: Es gibt Träume, die im Prinzip wenig Spielraum für Fehlinterpretationen lassen. Aber ich muss ja von Nebensächlichkeiten wie unserem Papiercontainer träumen und werde damit morgens dann allein gelassen. 1:0 daher für die Theorie, dass Träume bloß sinnlose Neuronenstürme sind.

Tatsächlich gehört die Frage, warum wir überhaupt träumen, zu den Fragen mit noch einigem Klärungsbedarf. Gesichert dagegen ist, dass der Präfrontale Cortex beim Träumen weniger aktiv ist. Das ist der Bereich, der Vernunft in unser sonst triebhaftes und ungestümes Handeln bringt. Bevor wir zum Beispiel ausrasten, kontrolliert er, ob dies aktuell wirklich geboten ist. Man könnte daher auch sagen: Das ist der Teil des Hirns, der die Langeweile in unseren Alltag bringt. Also – um das Eingangsthema nicht völlig aus den Augen zu verlieren – eng verwandt mit der Lohnarbeit. Andererseits gibt es natürlich auch gewichtige Gründe, weshalb sich der PFC im Laufe der Zeit durchgesetzt hat. Platt formuliert sorgt er mit dafür, dass wir beim Mensch überhaupt vom vernunftbegabten Wesen sprechen können. Auf ihn zu verzichten, verspräche nur eine kurze Weile lang Spannung und Amüsement. Die weitgehende Ausschaltung dieses Teils des Gehirns könnte aber immerhin der Grund sein, wieso die meisten Träume mit bizzar oder grotesk im Grunde noch reichlich beschönigend umschrieben sind.

Eine eingeschränkte Funktion dieses Körperteils ist allerdings auch kein Alleinstellungsmerkmal eines Traumes. Das Phänomen kenne ich bei manchen Aushilfskollegen auch aus der Wachphase. Daher stört es mich dann auch irgendwie, wenn die frontale Hirnrinde seine Arbeit auf Sparflamme verrichtet. Anders formuliert: Solange ich mit dafür verantwortlich bin, dass das Lager funktioniert, würde ich gern bei allen Mitarbeitern auf einen Präfrontalcortex in seiner vollumfänglichen Funktion zurückgreifen wollen. Was die Leute dann in ihrer Freizeit damit anstellen, soll mir egal sein.

Dieser Text jedenfalls endet hier und damit meinen Träumen nicht ganz unähnlich an einem Punkt, den ich zu Beginn nicht wirklich voraussehen konnte.