Wenige Fragen gehen so sehr am Kern der Sache vorbei wie die Problematik, ob eine Katze nun sieben oder neun Leben hat. Ganz unabhängig von der tatsächlichen Anzahl wird eine Katze nämlich Dinge, auf die sie aktuell oder grundsätzlich keine Lust hat, unbedingt unterlassen.

Ein Mensch dagegen muss, will er sich amüsieren und dabei dringlichere oder wichtigere oder dringlichere und wichtigere Aufgaben für diesen Moment des Vergnügens ausblenden, den Leitsatz „Man lebt nur einmal“ strapazieren.

Man lebt nur einmal. Die Universalformel, wenn das schlechte Gewissen Dir auf die Schulter tippt, um auf sich aufmerksam zu machen, bloß weil Du einmal im Monat der Lust nachgegeben und die Pflichten vernachlässigt hast.

Lust versus Pflicht – dieser elende ewige Zweikampf, den Du zu führen hast, nur weil Dein Karma dazu führte, dass Du als Mensch und nicht als Katze wiedergeboren wurdest. Lust versus Pflicht – beides gegeneinander sorgfältig abzuwägen war ich bereits mehrfach gezwungen, seit ich regelmäßig Texte in diesem Blog veröffentliche. Denn nur manchmal ging beides miteinander zu vereinbaren, weil der Text bis Donnerstag Abend in weiten Teilen stand. Manchmal musste ich Entscheidungen treffen und entschied mich in aller Regel für den Blog und gegen eine Verabredung oder ein Konzert am Samstagabend. Viel zu häufig jedoch ging es nicht miteinander zu vereinbaren, aber ich habe es trotzdem versucht. Aus dieser Erfahrung heraus kann ich nur nochmal erklären: Das Klischee des Schriftstellers, dem der Becher Rotwein Inspiration für eine ganze Nacht an der Tastatur gibt, kann maximal dann funktionieren, wenn man am nächsten Tag ausschlafen kann. Ist das nicht gegeben, endet es für Text und Gesundheit im Regelfall nicht so wie man es sich eigentlich erhofft.

Vergangene Woche nun war besagter Zweikampf dann eskaliert, weil an drei aufeinanderfolgenden Abenden jeweils Aktivitäten anstanden, die ich nicht verpassen wollte. Auch wenn es „nur“ ein Fußballspiel im TV war. Auch wenn die Blaue Stunde im Wetterpark nett, aber keineswegs als etwas besonderes im Gedächtnis haften bleibt, von dem ich noch in zehn Jahren schwärmen werde. Auch wenn Theater und Illumination an den Kuranlagen zwar reizvoll klingt, mich aber ohne die Aussicht auf ein Date mit einer wunderbaren Frau höchstwahrscheinlich nicht bis nach Bad Nauheim hätte locken können.

An denkwürdigen, ja magischen Momenten mag es an allen drei Abenden nicht gemangelt haben. Aber der bedeutsamste von allen war der, in dem ich die Entscheidung traf, ausnahmsweise keinen Blogeintrag zu veröffentlichen. Denn ab genau diesem Moment konnte ich die gewählten Programmpunkte auch ohne Reue genießen, weil mir zwar nach wie vor mein Hund sowie die anderntags stattfindenden Ballon-Termine, aber wenigstens nicht auch noch das Schreiben im Nacken saß.

Man lebt nur einmal. Da in meinen Texten wenigstens zwischen den Zeilen gelegentlich anklingt, dass man sich bitte selbst mehr Glücksmomente bescheren sollte, hätte ich mich in dieser Hinsicht auch irgendwann komplett unglaubwürdig gemacht, wenn ich nicht irgendwann einmal danach gehandelt hätte. Daher habe ich an sich nichts zu bereuen. Außer vielleicht, es nicht kommuniziert zu haben.

Dass prompt am gleichen Tag die ersten Nachfragen kamen, ob mit mir alles gut sei, spricht ja aber im Prinzip auch für meine Freunde. Wie gut es mir nach dem Abend in Bad Nauheim ging, weil endlich einmal eine Geschichte von mir ein Happy End bekam, konnte ja keiner von ihnen ahnen.

Es sollte an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, dass es ursprünglich überhaupt nicht geplant war, jeden Sonntagmorgen einen neuen Blogeintrag abzuliefern. Vielmehr sollte der Sonntag in seiner kompletten Länge dazu genutzt werden, dem jeweiligen Text seinen letzten Schliff zu verpassen und ihn im Laufe des Tages zu veröffentlichen. Erst als ich zwei- oder dreimal hintereinander sonntags früh die Dinger bereits fertig hatte und in Folge dessen die ersten Stimmen à la „meine liebste regelmäßige Sonntagmorgenlektüre“ zu vernehmen waren, musste ich umdisponieren, ohne es gewollt zu haben.

Nach gut zweieinhalb Jahren regelmäßigen wöchentlichen Veröffentlichens von Texten mit durchschnittlich recht hohem Unterhaltungswert brauche ich auch niemandem mehr, nicht einmal mir selbst, irgendetwas beweisen. Weil in den letzten Monaten allerdings zu viele Veröffentlichungen auf den letzten Drücker entstanden sind, war der Schritt eigentlich überfällig. Da jetzt zufällig das erwähnte Happy End mein zum Schreiben zur Verfügung stehendes zeitliches Budget weiter einschränkt, weil diesem einen Abend noch viele weitere schöne, magische Momente mit derselben attraktiven und inzwischen offiziell zur Partnerin erklärten Frau folgen sollen, wird aus einem wichtigen Schritt ein dringlicher Schritt. Auch wenn diese Frau meine Blogeinträge liebt, habe ich mich entschieden, bis auf weiteres den Rhythmus der Veröffentlichungen einem gesunden Maß anzupassen und die Öffentlichkeit lediglich noch vierzehntägig mit meinen gesammelten Werken zu belästigen. Man lebt schließlich nur einmal.