Dieser schöne Spruch hat es irgendwann einmal geschafft, mich so zu beeindrucken, dass ich ihn in meine Ideen-Datei aufgenommen habe, um ihn zu gegebener Zeit in einem möglichst geistreichen Blogeintrag unterzubringen. Ob der folgende Text jetzt besonders gehaltvoll ist, mag ein jeder für sich entscheiden, aber zumindest die Einleitung steht schon einmal. Und klingt auch nicht ganz schlecht.
Genau damit fangen die Probleme dann allerdings an. Sollte ein Sinnspruch wie dieser wirklich allein an seinem Klang gemessen werden? Oder nicht doch eher daran, wie die Umsetzung im Alltag gelingt? Dieser Herausforderung freilich muss sich dieser Spruch keineswegs allein stellen. Hunderte andere Weisheiten stehen vor ähnlichen Dilemmata. So zum Beispiel auch der folgende, den ich mir seit etwa zwei Jahren zum Leitspruch gemacht habe:
„Ein Tag ohne Lächeln ist ein verlorener Tag“
Wenn auch der Erfolg des Ganzen bis jetzt nur so mittelmäßig ist, wie ich zugeben muss, bleibt immerhin positiv zu vermerken, dass ich überhaupt das erste Mal im Leben über solche Dinge nachgedacht habe. Bestimmt habe ich auch zu früheren Zeiten schon ein Leitmotiv gehabt. Wahrscheinlich sogar mehrere gleichzeitig. Bewusst gemacht und mit schön ausformulierten Zitaten in Stein gemeißelt hatte ich sie mir jedoch nicht. Was ja auch nicht schlimm ist. Ich habe ja trotzdem überlebt. Bis heute fehlte es allerdings an einer Aufarbeitung, was in welchem Alter mein Lebensmotto gewesen sein könnte. Überschneidungen mit den Mottos anderer Menschen im gleichen Alter sind nicht beabsichtigt, werden aber gern in Kauf genommen.
„Hauptsache, es ist Zucker drin“
Genau so wie man sich ein Kind vorstellt, das nach dieser Maxime verfährt, habe ich dann auch ausgesehen. Da ich nicht weiß, wie weit die Phantasie der Leser reicht, habe ich eventuell auch noch schlimmer ausgesehen. Damit wäre die Kindheit aber auch schon erzählt. Später ergänzte ich meine ernährungstechnischen Leitsätze noch um „Hauptsache Maggi dran“ oder – bis heute übrigens – „Hauptsache Pommes dabei“.
Dank des sinnlosesten aller Lebensabschnitte wurde mein Repertoire an lebensphilosophischen Grundeinstellungen bald ergänzt um den weisen Ausspruch „Einen Scheiß muss ich!“ Weshalb man sich in der Pubertät trotzdem so ungeheuer reif fühlt, hat auch noch niemand gescheit beantworten können. Trotz allem eine spannende Zeit mit den mutmaßlich häufigsten Wechseln meiner Lebensmottos.
Anders als vorgesehen und von meinen Eltern erhofft, wurde es nach den Flegeljahren nicht besser. Am treffendsten beschreibt die darauf folgende Phase wahrscheinlich der Spruch
„Ist der Ruf erst ruiniert, lebt´s sich völlig ungeniert“
Dieser sowie weitere Sprüche, nach denen wir als angehende Erwachsene lebten, gab es nirgends als Wandtattoo zu kaufen. Brauchten wir auch nicht, wir haben das in Türkis und Hellblau an Wände gesprüht. Nicht nur an die eigenen übrigens. Aber das wäre ein anderer Blogeintrag.
Irgendwann in dieser Pöbel- und Provozier-Phase liefen dann etliche mit T-Shirts herum, auf denen „Träume nicht Dein Leben, sondern lebe Deinen Traum“ stand. Weil man über den Tellerrand der eigenen Szene nur höchst selten blickte, ahnte niemand, dass dieses Motto so was von Konsens war, dass ein Karrierist ihn mit der gleichen Berechtigung verwenden würde wie wir. Die Esoteriker sowieso. Haben halt andere Träume. Individuell geht auf jeden Fall anders. Oder ging es darum schon gar nicht mehr?
Ganz grundsätzlich sollte natürlich jedes Leitmotiv mit Leben gefüllt werden. Vom Sprüche-Aufsagen allein ist noch niemand eine bessere Version seiner selbst geworden. Wenn sie im Praxistest versagen, können diese Sätze noch so toll klingen und Wände und Kalender zieren. Zwischen YOLO und Gar-nichts-auf-die-Kette-bekommen ist nur ein relativ schmaler Grat.
Zumal die Sprüche heutzutage ja inflationär gebraucht werden, es auf der anderen Seite aber nur etwa 25 wirklich gute Zitate gibt, besteht zumindest die Gefahr, dass die Dinger auf solche Weise etwas werden, das sie in ihrer ursprünglichen Absicht nie werden sollten: Oberflächlich.
Zurück zum Wesentlichen – also zu mir. In der Auseinandersetzung mit dem Thema bin ich irgendwann tatsächlich auf ein Leitmotiv gestoßen, das mein Leben nicht nur eine kurze Phase lang geprägt hat. Kurz war allenfalls der Abschnitt meines Lebens, in dem ich diesen Leitgedanken durch übertriebenen Konsum alkoholhaltiger Erfrischungsgetränke vorsätzlich außer Kraft gesetzt habe. Man müsste es nur in ein wohlklingendes Zitat übersetzen, weil
„Erst denken, dann reden“
jetzt gerade nicht so geil klingt, dass es sich irgendjemand auf den Unterarm tätowieren würde. Falls sich doch irgendwo auf dieser Erdkugel jemand mit exakt diesem schnörkellosen Spruch unter der Haut befindet, so würde ich ihn gerne einfach nur kennenlernen. Und beglückwünschen zu dieser Entscheidung. Das ist wenigstens ´mal eine Aussage. Als Tattoo potentiell lebenslang. Obwohl das Leben lang ist und sich, wie hier gesehen, ein Lebensmotto auch schon nochmal ändern darf.
Je älter man wird, umso stärker reduziert sich jegliche Lebensphilosophie sowieso auf „Hauptsache gesund“. Dafür, dass wir irgendwann einmal mit „Hauptsache, Zucker drin“ gestartet sind, hat sich also im Laufe der Jahre am Ende doch mehr geändert als eigentlich erwartet.
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