Wenn man unterstellt, dass dieser Blog hier mein Innenleben einigermaßen korrekt abbildet, könnte man versucht sein, angesichts der Nicht-Präsenz des Themenkomplexes Glück/Zufriedenheit in den letzten Monaten zu schließen, ich hätte mit der Zeit eventuell das Ziel ein wenig aus den Augen verloren. Die Stille ist selbst dann höchst verdächtig, wenn berücksichtigt wird, dass ich manche Themen wegen der Gefahr der Wiederholung bewusst auslasse. Schließlich würden nur wenige hier Woche für Woche lesen wollen, wer der geilste Fußballclub der Welt ist oder warum das Leben speziell zu mir ausgesprochen ungerecht ist, obwohl ich doch so ein feiner Kerl bin. Dass diese edle Absicht diesen Blog nicht davor bewahrt hat, auch so wie er ist nur von wenigen Menschen gelesen zu werden, fällt unter die Rubrik „Der Plan war jedenfalls ursprünglich ein anderer gewesen“.

Dieses Scheitern von an und für sich ganz guten Plänen wiederum zieht sich dermaßen penetrant durch mein bisheriges und – so die Prognose – vermutlich auch mein zukünftiges Leben, dass ich meine, darin eine der Ursachen zu erkennen, weshalb die Frage nach Glück oder wenigstens Zufriedenheit stets von neuem gestellt wird. Der Gegenentwurf dazu könnte ja lauten, es einfach zu sein, ohne jedes Mal erst darüber nachzudenken, wie man es am besten anstellt, glücklich oder wenigstens zufrieden zu sein.

Und mag besagtes Scheitern auch einzigartig sein – in der Verarbeitung der Misere befinde ich mich in bester Gesellschaft. Dass ich dort niemals hin wollte? Umschreiben wir es so: Der Plan war jedenfalls ursprünglich ein anderer gewesen.

Keine Frage: Innerhalb unserer Gesellschaft ist deren Reichtum äußerst ungerecht verteilt. Ich sehe auch die soziale Isolation, den in Frage gestellten Selbstwert der Betroffenen und weitere Probleme, wenn man beim Verteilen des Kuchens nur die übrig gebliebenen Krümel abbekommt. Aber in 99 Prozent der Fälle hat ein hierzulande als arm geltender Mensch fließend Wasser, ein Dach über dem Kopf samt Heizung darin und muss nicht täglich um sein Leben fürchten. Noch dazu muss man im Normalfall nicht einmal besonders begabt, fleißig oder klug sein, um daran teilzuhaben. Man muss sich im Gegenteil fast schon anstrengen, am Wohlstand so überhaupt nicht teilzuhaben. Aus der Sicht eines pakistanischen Bauern leben wir hier im Paradies. Aber anstatt das auch ´mal zu würdigen, empfinden wir es als Katastrophe, wenn die Bahn sich verspätet. Man stellt sich Fernsehgeräte von der Größe eines Kleiderschranks ins Wohnzimmer und beklagt sich darüber, dass nur Schrott gesendet wird. Man bekommt Tobsuchtsanfälle, weil der Vordermann abbremst anstatt durchzustarten und wie schon die anderen drei Fahrzeuge vor ihm ebenfalls noch bei Gelb über die Ampel zu huschen. Wenn ich es nicht ohnehin schon wüsste, bekäme ich in solchen Momenten durch den Rückspiegel immerhin anschaulich vermittelt, wie hässlich Menschen sind, wenn sie nur wütend genug sind. Zugegeben: Mein ausgestreckter Mittelfinger ist in einer solchen Konstellation kein effektiver Beitrag zur Deeskalation der Situation. Das muss ich in einer kritischen Nachbetrachtung hinterher meistens anerkennen. Ich will an dieser Stelle nicht behaupten, der Plan sei ursprünglich ein anderer gewesen, aber das ist nicht State of the Art.

Es sind aber solche Begebenheiten, die mir beweisen: Im Haben und Verbreiten von schlechter Laune bin ich bestenfalls Mittelmaß. Wenn ich mir allein schon ansehe, bei wie vielen Menschen die Antwort darauf, was sie den ganzen Tag über machen, offensichtlich lautet: Das Wetter hassen. Wie so ein Schlumpf: „Ich hasse Sommer“ hier. „Ich hasse Regen“ dort. Und egal was kommt – am meisten hassen sie den ab dem folgenden Tag gemeldeten Wetterumschwung. Ich hasse solche Berufsnörgler.

Das U des Lebens

Da kommen Erklärungsansätze gerade recht, wonach der Grad der Zufriedenheit vor allem eine Frage des Alters ist. So sollen nach dieser Theorie Menschen im Alter von 20 Jahren am zufriedensten sein, während danach das Wohlbefinden allmählich sinkt. Erst ab etwa 50 Jahren kriegen wir wieder die Kurve und werden zufriedener. Der Verlauf der Kurve beschreibt ein U.

Ich habe da natürlich im Laufe meines Lebens auch ganz andere Typen kennengelernt. Menschen, die in jungen Jahren schon so deprimiert von allem waren, dass wir uns sehr sicher waren, dass sie sehr alt sehr sicher nicht werden. Andererseits Menschen, die noch mit Mitte 30 ständig wider besseren Wissens mit einer verdächtigen und beinahe ans Widerliche grenzenden guten Laune daherkamen. Entsprechend geriet ich angesichts dieser Studienergebnisse spontan in Versuchung, mich dem Chor der Kritiker anzuschließen und von unseriöser Forschung zu sprechen.
Allerdings hat ja niemand behauptet: Jeder. Sondern: Durchschnitt.
Jedenfalls klingt so unplausibel das alles nicht: Mit 20 hat man das Gefühl, die Welt stehe einem offen. Darauf folgt wenige Jahre später entweder Ernüchterung, denn der Plan war schließlich ursprünglich ein anderer gewesen. Oder es kommt die Phase der Routine: Man steht in etwa dort, wo man sich hingearbeitet, in selteneren Fällen auch hingevögelt hat. Da man auch im privaten Bereich danach strebt, irgendwann einmal wo auch immer „anzukommen“, herrscht in beiden Sphären oftmals ab einem gewissen Alter Stillstand. Das Gefühl, dass ab jetzt nicht mehr viel passieren werde, setzt sich durch. Da sind Winner und Loser wieder vereint. In ihrer Unzufriedenheit. Geht es dann in Richtung Ruhestand, werden Erwartungen an das Leben wieder etwas größer; die Zufriedenheit steigt.

Jetzt kann man sich natürlich darüber beklagen, dass bezogen auf die durchschnittliche Lebenserwartung eines Menschen eine 30 Jahre währende Phase der Unzufriedenheit übertrieben ungerecht ist.. Sollte es stimmen, dass das Lebensalter und nicht etwa die Einstellung zum Großen und Ganzen die Zufriedenheit determiniert, kann man proaktiv nur wenig machen, sondern nur zuschauen. Freiwillig schneller als geplant älter werden wäre eine Option, aber wer will das schon?! Und auch wenn man manchmal schwierige Menschen (Kollegen, Freunde, Ehegatten) in seiner Umgebung hat, die einem das Gefühl vermitteln, man würde schneller altern, weil sie einem permanent Zeit von der Uhr nehmen, bleibt es ja eine Illusion, dass die Zeit dadurch tatsächlich schneller vergeht.

Auf der anderen Seite: Wenn das alles stimmt, könnte man zwar eine Zeit lang nichts machen, müsste dann aber auch nichts mehr tun, wenn es so weit ist, dass es wieder aufwärts geht. Mit meinen 46 Jahren könnte ich mich demnach langsam zurücklehnen, denn so lang bis zum Umschwung ist es nicht mehr. Wenn das mal kein Anlass ist, jetzt schon ein ganz klein wenig zufriedener zu sein.
Obwohl der Plan ursprünglich natürlich ein anderer gewesen ist.