Man kann an diesem Land einiges kritisieren – an gruseligen Gestalten hat es ihm jedoch nur in den seltensten Fällen gemangelt. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Entscheidung, Halloween als Thema des dieswöchigen Blogeintrags zu wählen, am Ende schneller gefallen als zunächst befürchtet werden musste, wenn man bedenkt, dass das Alternativthema die Zeitumstellung gewesen wäre und damit ein Thema, dessen Gruselfaktor eigentlich nicht hoch genug eingeschätzt werden kann.
Man tausche einmal Narren gegen gruselige Gestalten und merke an, diese bereits das ganze Jahr über in ausreichender Anzahl um sich herum zu haben. Schon hat man Halloween analog zu Fasching zur ganz und gar überflüssigen Veranstaltung erklärt. Auf diese Weise könnte man sich halbwegs passabel in den Text kalauern. Doch dieser Spruch kam auf der Arbeit schon nicht so gut an wie eigentlich beabsichtigt, als ich ihn diese Woche dort platzierte.
Dabei hatte ich damit ausnahmsweise nicht einmal explizit meine Kollegen beleidigen wollen, sondern die Zombies, die einem auf der Straße, beim Einkaufen oder anderen Alltagssituationen über den Weg laufen. Auf die Gefahr hin, wieder ungerecht zu erscheinen, ein Beispiel zur Illustration: Männer, denen der Zahn der Zeit nicht mehr als einen Haarkranz am Hinterkopf gelassen hat, retten diese unvorteilhafte Situation mitnichten, indem sie ihre Sonnenbrille nach oben auf die Halbglatze schieben. Mit Verlaub: Das sieht gespenstisch aus, um nicht zu sagen haarsträubend, und ich musste es einfach gesagt haben, bevor in den nächsten Tagen jemand die gelungene Maske lobt.
In solche Verlegenheiten kommen unsere meist sehr jungen Aushilfskollegen noch früher als ihnen lieb sein kann, auch wenn sie aktuell noch nicht damit rechnen. Doch so klar im Grunde ist, dass weder Alter noch Äußerlichkeiten wie die Haarpracht Indikatoren für die Grausigkeit eines Individuums sein können, so unheimlich ist auf der anderen Seite, zahlreichen Gesprächen unter eben jenen jungen Kollegen zu entnehmen, dass bei ihnen an den meisten Tagen nach 20 Uhr außer Berieselung auch nicht mehr allzuviel stattfindet. Wollte man Lebendigkeit am Aktivitätsgrad jenseits der Tagesschau messen, sind die Untoten wohl in jeder Generation in der Mehrheit. Ein Befund mindestens so grauenhaft wie die Blini, welche die Klitschko-Brüder auf der Universität immer essen mussten, bevor sie die Milchschnitte entdeckten.
Auf der anderen Seite steht die jüngere Generation für einen fast beneidenswerten Umgang mit Halloween, resultierend aus dem Umstand, dass es dieses Ereignis für sie einfach immer schon gegeben hat. Insofern dreht es sich für sie lediglich um die Frage, in welchem Umfang man daran teilnimmt. Und nicht wie bei manchen Älteren um den Glauben daran, dass der Spuk irgendwann auch wieder vorüber gehen könnte.
Dass das Gruselfest unter den heute Über-Vierzig-Jährigen besonders beliebt wäre, will wahrscheinlich in der Tat niemand ernsthaft behaupten. Ursprünglich erstmals 1991 wegen Faschings-Ausfall mit größerem Nachdruck promotet, halten die Widerstände gegen das hierzulande traditionslose Fest teils bis heute an. Zu amerikanisch, lautet die Argumentation mitunter bis in die Gegenwart. Nicht immer war amerikanischer Kulturimperialismus in Deutschland so unwillkommen. Aber auch bei den Jeanshosen, dem Kaugummi und speziell dem Rock´n´Roll der Nachkriegszeit hat es skeptische Stimmen der damals älteren Generation gegeben. Wie man hinterher immer besser weiß, auch in diesen Fällen nicht besonders erfolgreich. Und angesichts der ganzjährigen Penetranz von Coca Cola und McDonalds kann man Halloween wohl gerade noch verkraften.
Auf Deutsch: Man kann es auch scheiße finden, aber man wird sich kaum dagegen wehren können, dass sich eine signifikante Anzahl an Menschen findet, die es feiern. Erst recht nicht wird man den Handel dazu drängen können, auf diese Umsatzquelle zu verzichten. Denn es geht ja längst nicht mehr bloß um ein paar Kostüme zusätzlich, sondern um Dekoration, Süßigkeiten und noch einiges mehr. Die Supermärkte haben schon seit Wochen entsprechend aufgerüstet, und wahrscheinlich ist der Absatz von Eiern zur Zeit in der Tat erkennbar höher als sonst. Die Veranstaltungsbranche reibt sich ebenfalls die Hände. Im Endeffekt gibt es halt einen Vorwand mehr, sich zu besaufen und ´rumzupöbeln. Zwei Dinge, die in diesem Land immer funktionieren.
Selbst wenn man sich eigentlich noch von der Zeitumstellung erholen muss.
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