Zu den wahrscheinlich letzten unerforschten Gebieten menschlichen Verhaltens gehört das intervallweise Vorwärtsrollenlassen des eigentlich wartenden Kraftwagens. Zwei Varianten können hierbei unterschieden werden:

a) das millimeterweise Rollen in sehr kurzen Abständen. Die naheliegende Vermutung: hier könnte Ungeduld im Spiel sein. Die These konnte jedoch nicht bestätigt werden. Beobachtungen beim Anfahren haben nämlich ergeben, daß diese scheinbar hektischen Fahrer sich auf die Gesamtzahl aller Wartenden bezogen überproportional viel Zeit lassen, wenn der Verkehr wieder ins Rollen gerät.

b) das Stoppen ungefähr zwei Fahrzeuglängen vor dem Hindernis und anschließende Aufrücken in drei bis vier Schüben, bis sie dann endlich in normalem Abstand hinter beispielsweise einem anderen wartenden Automobil stehen bleiben ohne zu zappeln. Der nächste Schub wäre schließlich auch das Heck des Vorderen.

Mein Zwangsabonnement der ADAC Motorwelt hilft da nur bedingt weiter. Leider steht die Zeitschrift auf meiner Ungunst-Skala gleich unter den Briefen, bei denen schon auf dem Umschlag die frohe Botschaft steht, daß ich gewonnen habe, ohne jemals an irgendetwas mit Bezug dazu teilgenommen zu haben. Das bedeutet, sie wandert unbesehen in die Tonne. Demnach kann es durchaus sein, daß mir entscheidende Erkenntnisse entgangen sind. Jedenfalls kann ich mir nicht vorstellen, daß das außer mir niemand wissen will. Klar kosten solche Studien. Und man muß natürlich akzeptieren, daß in der Automobilbranche das Geld nicht in dem Maße vorhanden ist wie vielleicht anderswo. So daß nur Nützliches erforscht und entwickelt wird. Hoffnung macht, daß Fahrerassistenzsysteme solche Unsitten vielleicht in nicht mehr allzu ferner Zukunft unterbinden könnten.

Womöglich muss auf der Suche nach dem Warum aber auch in medizinischen oder psychologischen Publikationen gesucht werden.

Ich will solches Verhalten nicht verurteilen, ich will es nur erklärt haben. Rational zu deuten ist es nämlich nicht. Sollte sich dabei herausstellen, daß diese Handlungen Ursachen haben, die nicht krankhafter Natur sind, sondern vom Fahrer zu beeinflussen sind, kann ich immer noch drüber lästern.

So wie über beispielsweise folgende Gebräuche und meine jeweiligen Erklärungsversuche dazu:

Zu schnelles Fahren zum Beispiel lässt sich in geschätzt vier von fünf Fällen in letzter Konsequenz auf zu spätes Losfahren zurückführen. Der Rest fährt einfach deshalb zu schnell, weil er es kann. Weitere Aufreger: Das Verlassen eines Kreisels ohne den Einfahrbereiten Blinkzeichen zu geben dürfte in aufsteigender Häufigkeit folgende Ursachen haben: 1. Fahrtrichtungsanzeiger defekt , 2. Fahrtrichtungsanzeiger vergessen, 3. Überforderung durch gleichzeitiges Lenken und Blinken, 4. es ist dem Fahrer schlicht egal, solange es für ihn selbst flüssig weitergeht.

Während der Fahrt zwei Spuren benutzen müssen, aber trotzdem nicht vom Gas gehen: Überschätzung des eigenen Könnens. Vor dem Abbiegen ausscheren, als ob sich der Fiesta zehn Meter vor der Kurve schnell nochmal in einen Omnibus verwandelt hätte: Überschätzung der Abmessungen des eigenen Gefährts. Ich will jetzt nicht direkt behaupten, daß es ein reines Männerphänomen wäre, aber gewisse Analogien drängen sich auf, ob man will oder nicht.

Alternativtitel: „Was ich schon immer einmal loswerden wollte oder: ich glaube, ich schreibe mich gerade in Rage“

Ein wichtiges Element beim Thema Problemfahrer wurde bis hierhin noch nicht einmal erwähnt. Wie gezeigt, haben etliche Fahrzeuglenker mit Momenten der Überforderungen bereits dann zu kämpfen, wenn sie dabei nicht telefonieren. Warum zum Teufel glaubt alle Welt, der Fahrstil würde sich substanziell bessern, wenn das Handy ans Ohr gehalten wird, sobald man den Zündschlüssel gedreht hat?

Pathologische Phänomene bietet aber auch bereits der ruhende Verkehr. Aus der heutigen Gesellschaft nicht mehr wegzudenken ist beispielsweise das hier im Blog schon einmal thematisierte Parken bis maximal drei Meter vom Ziel entfernt ohne besondere Nachsicht gegenüber allem, was an dieser Stelle anderes sein könnte außer einem Parkplatz. Hier ist eindeutig die evolutionäre Entwicklung hin zum sitzenden Wesen ursächlich. Die Stichworte zur Kausalkette lauten hierbei: zuviel sitzen – durch die Haltung bedingte schlechtere Atmung – Sauerstoffunterversorgung des Hirns – Nachlassen der geistigen Leistungsfähigkeit. Und am Ende kann man schon mal übersehen, daß fünfzehn Schritte weiter ein regulärer Parkplatz frei wäre. Nachdem ich lange Zeit den Verdacht hegte, es handele sich dabei um pure Bequemlichkeit oder reinen Egoismus oder um beides gleichzeitig, ein trotz allem irgendwie beruhigender Befund.

Wenn über gutes und schlechtes Autofahren geredet wird, darf über das besondere Verhältnis von Fahrern aus OF und Fahrern aus F nicht geschwiegen werden.

Meine natürlich selektiv wahrgenommenen Beobachtungen mindestens der letzten 25 Jahre lassen sich in nur einem Absatz zusammenfassen: wenn ein Fahrzeugführer mit F-Kennzeichen in OF unterwegs ist und sich nicht auskennt (was vorkommen darf) – er wird mindestens genauso oft sein Tempo verringern wie jemand aus OF mit nur rudimentären Ortskenntnissen in der größeren der beiden Städte. Denn er weiß ja nicht genau wohin. Er wird eventuell abrupt anhalten, die Spur riskant in letzter Sekunde wechseln, weil er annimmt, nun wisse er wohin. Sprich: er wird exakt alles das tun, wofür er einem Offenbacher in Frankfurt schon tausend Vögel, Finger oder andere Gesten der Missbilligung gezeigt hätte. Der entscheidende Unterschied ist nun der, daß die schönere der beiden Städte ein gutes Stück überschaubarer ist. Weshalb an vielen Orten der Verkehr weniger dicht, die Chance, einen Parkplatz zu finden, größer ist und infolgedessen die Anlässe für unüberlegte Fahrmanöver weniger sind. Wenn es also Grund zum Generalverdacht gibt, eine bestimmte Bevölkerungsgruppe könne sich mit dem Lenken eines Automobils leicht schwerer tun als andere, dann wohl doch eher diejenigen, die in vergleichsweise übersichtlichen Verkehrslagen schon teilweise so überfordert sind, daß sie einem beinahe leid tun könnten.

Weiß der F-Fahrer allerdings wieder, wo es langgeht, ändert sich das Bild. Dann wird gedrängelt, geschimpft, gehupt und vor allem gerast. Umso schneller sind sie wieder draußen aus der lässigeren der beiden Städte. Was im Grunde einen Gewinn für beide Seiten darstellt.

Das alles ändert natürlich nichts an der Tatsache, daß drüben der gediegenere Fußballverein zuhause ist.