Die Steuererklärung hat mit dem Geburtstag der Schwiegermutter mehr Gemeinsamkeiten, als man oberflächlich betrachtet vermutet. Offensichtlich ist zunächst: Beides findet einmal im Jahr statt. Reicht auch. Häufiger fände ich unangebracht. Es geht aber noch weiter. Beides rangiert in der Beliebtheit nur knapp über Wurzelbehandlungen oder Magenspiegelungen. Die Vorfreude ist – sagen wir – überschaubar.
Weil man also im Grunde ohne weiteres gut bis sehr gut leben könnte, wenn es beides nicht gäbe, werden sie zunächst bis kurz vor Ultimo gekonnt ignoriert. Und am Ende macht man aber doch mit, um größeren Ärger zu vermeiden. Ich würdige eigentlich zu selten mein Glück, dass ich seit einiger Zeit nur noch einen dieser beiden Pflichttermine beachten muss.
Es ist im Falle der Steuererklärung das Unerquickliche daran ja nicht nur die wertvolle Lebenszeit, die einem dadurch unnötigerweise von der Uhr genommen wird. Als besonders lästig empfinde ich persönlich vor allem auch, dass sie mir meine nicht zufrieden stellende finanzielle Gesamtsituation vor Augen führt, obwohl ich darüber in dieser Ausführlichkeit eigentlich gar nicht Bescheid wissen wollte. Sie erinnert mich einmal im Jahr daran, dass ich im Leben auch ´mal Entscheidungen getroffen habe, die damals sicherlich richtig gewesen sein mögen, die ich mit dem Wissen von heute allerdings nicht mehr exakt so treffen würde. Wer konnte denn zum Beispiel ahnen, dass Geld irgendwann eine doch sehr viel größere Rolle spielen würde als man sich das in jungen Jahren erträumt hatte. Da kommt dann auch wieder die Schwiegermutter ins Spiel, die ja von Beginn an skeptisch war ob meiner Erklärung, dass es zu viel mehr als einer Stehplatzkarte ja auch nicht ausreichen müsse.
Ihre Skepsis hätte mich natürlich meinerseits skeptisch machen müssen. Ein Gedanke sicher lohnenswert, ihn weiter zu verfolgen. Stattdessen soll aber die Aufmerksamkeit auf eine andere Stelle gelenkt werden, an der ich wohl definitiv verkehrt abgebogen bin.
Irgendwann im Mai 2005, die Beziehung zu meiner heutigen Ex-Gemahlin war gerade ein knappes Jahr jung, ersteigerte ich aus der dunklen Ahnung heraus, dass ich ihr wohl etwas mehr bieten müsste als eine Dreiviertel-Stelle als ungelernter Lagerhelfer, in einer Nacht-ohne-Nebel-Aktion bei ebay eine gebrauchte Hüpfburg. Fortan arbeitete ich mit Hochdruck nebenher an meiner nunmehrigen Bestimmung, mir ein Imperium an Mietartikeln für Veranstaltungen aufzubauen. Der Hüpfburg folgten bald eine zweite und eine dritte, Glücksräder, Torwand, Kickertische, aber auch weniger sinnvolle Anschaffungen wie eine mobile Umkleidekabine und allerhand Dekoration. Das Inventar meines Allerlei-Verleihs füllte bald drei Garagen, und irgendwann war mein gesamtes Erspartes aufgebraucht. Es zeigte sich sehr schnell, dass ich vom Geschäftemachen in diesem Leben keine rechte Ahnung mehr bekommen würde. Aber mein Traum lebte weiter. Ein Traum, in welchem es hieß „Frag´ doch ´mal bei Mickys Welt“, wann immer für irgendeine Veranstaltung etwas Nützliches oder besonders Absurdes benötigt würde.
Gescheit gescheitert
Hätte ich zu jener Zeit einfach meine wöchentliche Arbeitszeit bei meiner normalen Anstellung aufgestockt, hätte dies mit Sicherheit zuverlässiger Geld in die Haushaltskasse gespült. Aber darum ging es längst nicht mehr nur. Irgendwie wollte ich was eigenes. Lieber ab und zu mit anstrengenden Kunden zu tun haben als täglich mit speziell einer anstrengenden Kollegin. Um die Verluste des Vermietungs-Geschäfts auszugleichen, versuchte ich mich kurz, aber erfolglos als LR-Berater im Multi-Level-Marketing. Als das nicht funktionierte, wurde ich Süßwarenhändler mit einem Snack Box Service. Weil schließlich nur wenige Menschen glaubwürdiger Süßwaren unter die Leute bringen können als ich. Dass ich mich mit allem hoffnungslos überladen hatte, ging mir erst sehr viel später auf.
Eine Kultur des Scheiterns existiere hierzulande nicht, wird allenthalben geklagt. Damit ist relativ sicher nicht gemeint, dass sich etliche gescheiterte Existenzen in guten und sehr guten Positionen befinden. Das gehört im Gegenteil fast schon zur Leitkultur dieses Landes, wenn ich mich so umschaue. Da passt es schon fast wieder, dass mein persönlicher Beitrag zum Thema äußerst unspektakulär daherkommt. Verbrannte Erde habe ich jedenfalls nirgendwo hinterlassen. Gut, ich habe mein weniges Erspartes verbrannt, aber außer mir selbst habe ich niemandem geschadet. Das Gewerbe besteht sogar bis heute. In abgespeckter Form und reduziert auf Luftballondienstleistungen. Und inzwischen sind meine Steuerbescheide auch nicht mehr nur vorläufig, weil eine Gewinnerzielungsabsicht nicht zu erkennen sei. Demnach könnte man zu dem Urteil gelangen, dass ich nicht ´mal für ein ordentliches Scheitern richtig gut zu gebrauchen bin.
Weil diese Überlegung zwar zulässig, als Schlussgedanke für diesen Blogeintrag allerdings unpassend wäre, muss ein positiv stimmender Abschluss her. Einer, der idealtypisch mit dem vorangegangenen Text und nicht mit dem DFB-Pokalsieg zusammenhängt. Nehmen wir doch das hier: Abgesehen von der LR-Episode waren alle Bemühungen trotz allem irgendwie typisch Micky.
Ein zumindest ansatzweise versöhnlich stimmender Gedanke. Noch eine Sache, die bei dieser jährlichen Pflichtübung eventuell zu wenig von mir gewürdigt wird.
Schreibe einen Kommentar