Als ich noch ein kleiner Junge war, hörte ich meinen Bruder und dessen Kumpel gelegentlich leidenschaftlich über die Frage streiten, ob die Eintracht oder die Kickers den lauteren Fanblock haben. In diesen Momenten lernte ich: Offensichtlich gibt es Fragen, bei denen sich mindestens einer der Kontrahenten dem Brauch, für die Beantwortung objektive Kriterien heranzuziehen, erfolgreich entzieht.

Was ich damals nicht ahnte: Dass diese Beobachtung keine Ausnahme darstellt, sondern vielmehr bereits den späteren Standard jedweder Kommunikation, Argumente durch Glaubenssätze zu ersetzen, aufzeigte. Zu studieren bei politischen Debatten, nach wie vor bei Fragen den Fußball betreffend, und nicht zuletzt bei der Diskussion, ob Hunde oder Katzen die intelligenteren Wesen sind.

Irritierend ist dabei schon folgende Überlegung: Welchen vorstellbaren Nutzen könnte die Beantwortung dieser Frage überhaupt für irgendjemanden haben? Als ob sich auch nur ein einziger Mensch bei der Frage Hund oder Katze umentscheiden würde, wenn objektiv geklärt wäre, dass eines der beiden Geschöpfe tatsächlich klüger ist als das andere. Vor allem: Es mag arrogant klingen, aber wer in solchen Diskussionen Sätze wie „Ich denke Erinnerungsvermögen hat nichts mit intiligents zu tuhen“ absondert, hat sich nur in seiner eigenen Welt als Experte qualifiziert, über die Intelligenz anderer Lebewesen zu urteilen.

Die meisten sind in diesem Punkt ohnehin befangen. Kaum jemand, der sich zuhause eine Katze oder wahlweise einen Hund hält, wird zuzugeben bereit sein, dass das eigene Tier dümmer ist als ein anderes. Die Gruppe der Verfechter der These, Katzen seien intelligenter, ist nicht zufällig beinahe deckungsgleich mit den Haltern von Katzen.

Dabei ist es im Prinzip so einfach: Wer einmal eine Katze bei dem Versuch beobachtet hat, den leuchtenden Punkt eines Laserpointers zu fangen, ahnt, dass das mit Intelligenz nicht ganz so viel zu tun hat.

Katzen fliegen vom Balkon, weil sie eine Fliege fangen wollen. Zweifel an der Intelligenz habe ich inzwischen aber auch bei ihren Besitzern, die es trotz der Verfügbarkeit von entsprechenden Netzen zulassen, dass so etwas auch ein zweites Mal passiert. Ein solches Nicht-Verhalten torpediert ganz nebenbei Studien, die ernsthaft behaupten, Katzenbesitzer sind intelligenter als Hundebesitzer.

Katzen haben nur drei Gesichtsausdrücke. Daran, dass das wenig Auswahl ist, ändert auch nicht, dass es Menschen gibt, die mit der gleichen oder einer geringeren Anzahl durchs Leben gehen.

Katzen lassen sich nichts sagen. So wird aus einer Charakterfrage plötzlich eine der Intelligenz, und selbst die hält nicht stand, wenn ich mir die nicht allzu große Mühe mache, die Argumentation einmal auf den Menschen zu übertragen. Kollegen, die sich nichts sagen lassen, habe ich ja einige. Daher kann ich zweifelsfrei belegen, dass solcherlei Renitenz mitnichten ein grundsätzlicher Ausdruck von Intelligenz ist.

Unterm Strich bleiben also nicht allzu viele gute Argumente, einer Katze eine hohe Intelligenz zu attestieren.

Ein Hund ist natürlich komplett anders. Als ich einmal die Wohnungstür etwa zwei Sekunden nach meinem Verabschieden wieder aufschloss, weil ich etwas vergessen hatte, begrüßte mich der Hund als wäre ich zwei Wochen weg gewesen.

Auch würde ich meinen Hund nicht unbedingt mit einem 50-Euro-Schein ausstatten, um diesen am Bahnhof bei den Hütchenspielern zu vermehren. So präzise Hunde sonst beim Beobachten anderer Menschen sind – hierbei versagen sie regelmäßig.

Am Ende des Tages gelangt man zwangsläufig zu dem Urteil: Beide doof. Und zwar jeder auf seine Weise.

Doch was spielt das überhaupt für eine Rolle?! Mein Kater stellt sich in sein Klo und plaziert sich so, dass der Haufen außerhalb landet. Und wenn er aus Protest in die Badewanne kackt, scharrt er an der Emaille, als ob da irgendwas Geeignetes wäre, seine Spuren abzudecken. Intelligent geht anders. Aber er bleibt trotzdem eine der coolsten Säue unter der Sonne.

Mein Hund hat wie viele andere seiner Artgenossen die Angewohnheit, sich so geschickt in den Weg zu legen, dass er dauernd wieder aufstehen muss, um aus dem Weg zu gehen. Aber wenn jemand glauben sollte, dass er sich beim nächsten Mal eine Ecke sucht, in der er liegenbleiben kann, hat dieser Jemand die Intelligenz dieser Tiere schwerstens überschätzt. Intelligent geht auch in diesem Fall anders. Aber er bleibt natürlich trotzdem der beste Hund aller Zeiten.

Ich bin mir nicht sicher, wie ich reagieren werde, wenn meine beiden tierischen Mitbewohner einmal nicht mehr sind, vermute aber, dass ich nicht unbedingt die scharfsinnige Gesellschaftsanalyse des Katers oder die philosophischen Ausführungen des Hundes vermissen werde. Eher schon das penetrante Wecken durch erstgenanntes Tier oder die stürmische Begrüßung durch den Hund nachdem er mich vier Wochen – pardon: zwei Stunden – nicht gesehen hat.

Es beginnt doch schon bei der Anschaffung. Wer bitteschön hat sich anstelle „ist der süüüß“ jemals gedacht, „der ist bestimmt blitzgescheit“, als er einen Wurf Welpen zur Auswahl beobachtet hat?!

Apropos Anschaffung: Wir brauchen nicht noch mehr Tiere in Zwingern, weil ihre ursprünglichen Halter bei deren Erwerb so intelligent gewesen sind, nicht einmal bis zum nächsten Urlaub gedacht zu haben. Wenn Ihr Euch ernsthaft ein Tier zulegen wollt – geht in die Tierheime! Dort gibt es super Tiere, die zuvor lediglich das Pech hatten, zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen zu sein. Sie sind deswegen keine schlechteren Tiere.

Wenn Ihr Platz habt, legt Euch Alpakas oder Erdmännchen zu. Meinetwegen einen Hottentotten-Graumull. Gebt den Tieren die Aufmerksamkeit, die sie verdienen. Aber hört auf, jeden Purzelbaum, den der Vierbeiner schlägt, als Ausdruck besonderer Intelligenz zu betrachten.

Das hat schließlich schon bei Euren Kleinkindern nicht funktioniert.