Papiertüten sind es. Elektrofahrräder ebenfalls. Dauerwellen sollen es wieder werden. Entschleunigung ist es gefühlt ständig, die AfD dagegen erst seit kurzem. Bärte und Tattoos hingegen sind es seit Jahren angeblich schon nicht mehr, behaupten sich entgegen dieser Voraussage jedoch erstaunlich lange im Stadtbild und fungieren dadurch gewissermaßen als Antithese zu der Idee, jemand könne ´mal eben bestimmen, was im Trend ist und was nicht.

Regelmäßiger Urheber besonders bizarrer Moden ist und bleibt selbstverständlich die Textilbranche. Für diese gibt es ganz offensichtlich nichts, was unbedeutend genug wäre, um in der wohl verdienten Versenkung belassen zu werden. Die Modebranche kramt irgendwann jeden Mist aus, wie folgende drei besonders irritierende Beispiele aus der jüngeren Zeit belegen:

So galten vor zwei oder drei Jahren plötzlich gymsacks als chic. Bei näherer Betrachtung stellte sich schnell heraus, dass es sich bei gymsacks um ordinäre Turnbeutel handelt.

Ich sag´s ´mal, wie es ist beziehungsweise war: Wer früher nach der 4. Klasse noch mit einem Turnbeutel aufgefallen ist, war für seine Mitschüler alles, aber ganz bestimmt nicht hip. Wer einen Turnbeutel trug, würde später auch an der Tür des Clubs abgewiesen werden, selbst wenn damals noch niemand eine Disco als „Club“ bezeichnete. Keineswegs war ein Turnbeutel eine Eintrittskarte in die Welt der Coolen und Schönen, sondern im Gegenteil ein Ausschlusskriterium aus dieser. Ein Turnbeutelträger wurde auf Jahre dazu verdammt, entweder als Einzelgänger sein Dasein zu fristen oder – kaum besser – als Angehöriger der Freaks und Außenseiter, für die man irgendwann später die passende Bezeichnung „Opfer“ fand.

Als mir ein Schulwechsel nach der 9. Klasse die Gelegenheit gab, meine Kredibilität als Stilikone zurechtzurücken und meine sozialen Beziehungen neu zu sortieren, wurde ich allerdings prompt erneut Opfer des Modediktats: Niemand hatte mir mitgeteilt, dass die Zeiten, in denen ein Aktenkoffer das trendige Behältnis für Stifte, Zettel und Pausenbrot gewesen ist, nach den Sommerferien endgültig und unumstößlich vorbei waren. Der einzige außer mir, der das ebenfalls nicht geschnallt hatte, war der Typ drei Jahrgänge tiefer, der schon dadurch auffiel, dass er den Koffer tatsächlich am dafür vorgesehenen Griff trug statt wie alle anderen lässig unterm Arm. Und der sah auch sonst aus wie ein Mobbing-Opfer und ist folgerichtig später Stadtverordneter für die Republikaner gewesen und abends mit seinem Schäferhund Patrouille durch den Stadtteil gelaufen. Ich befand mich also in Gesellschaft eines Wahnsinnigen, für den der Aktenkoffer kein modisches Statement gewesen ist, sondern eine Überzeugungstat.

Als Überzeugungstat galt lange auch das Tragen eines Fischerhutes. Zwar mit unbestritten praktischem Nutzen ausgestattet, scheiterte der modische Durchbruch dieses Accessoires allerdings an seiner über die Jahre etablierten Funktion als Erkennungszeichen der Dauercamper-Szene. Was Leuten wie mir, die so ein praktisches Teil hin und wieder als Abwechslung zur Basecap tragen würden und das platzsparende Aufbewahren nach Sonnenuntergang zu schätzen wissen, das unbefangene Tragen nicht eben erleichtert.

Dass es den Fischerhut auch unter der Bezeichnung Sonnenhut gibt, hat sein Image genauso wenig verbessern geholfen wie der Versuch, ihn unter seiner – zugegeben nur mäßig schmeichelhaften – englischen Bezeichnung Bucket Hat als zeitgemäßes Must-have zu vermarkten. Entsprechend hatten die ansonsten sehr geschätzten jungen und hippen Aushilfskollegen die Lacher auf ihrer Seite, als ich es vergangenen Sommer gewagt hatte, mit einem khakifarbenen Exemplar dieser Kopfbedeckung auf der Arbeit zu erscheinen. Aber die haben ja auch gelästert, weil ich über all die Jahre beharrlich an Socken mit langem Schaft festgehalten habe. Und wer das tat, galt ja lange Zeit als Botschafter des schlechten Geschmacks.

Und inzwischen tragen viele von ihnen selbst lange Socken.

Tennissocken.

Um deshalb in Genugtuung zu verfallen, ist die Lage jedoch zu ernst.

Denn die Rückkehr der langen Socken ist die eine Sache. Dass sie jetzt allerdings unter hochgekrempelten Hosenbeinen zur Schau gestellt werden wie ein vergoldetes Steak, wäre auch höchst albern gewesen, wenn die Dinger nie weg gewesen wären. Das sieht teilweise peinlicher aus als es sämtliche Tennissockenträger der letzten Jahre zusammen nicht sein konnten. Sicher muss der Pfau seine Federn zeigen. Aber wenn so etwas dabei herauskommt, bin ich lieber aus Überzeugung Außenseiter statt Modeopfer.