Angesichts der beginnenden Saison für Freiluftveranstaltungen und der damit einhergehenden steigenden Nachfrage nach meiner Befähigung als Ballonkünstler sollte ich mir demnächst neue möglichst geistreiche Antworten auf die in dieser Eigenschaft häufigst gestellten Fragen einfallen lassen. Die eine oder andere meiner typischen Reaktionen auf wiederkehrende Fragen nach acht Jahren intensiven Gebrauchs lediglich als abgestanden zu bezeichnen, wäre im Einzelfall unzulässig euphemistisch.
Nehmen wir folgendes Beispiel: Ob das schwer sei. Als klassische Reaktion hierauf habe ich inzwischen ungezählte Male einen Ballon in der Hand gewogen, als ob ich das erste Mal im Leben das Gewicht eines Modellierballons prüfte. Um nach langem Überlegen dann zu erwidern: „Nein, eigentlich sind die ganz leicht. Ein paar Gramm höchstens.“
Billiger Gag? Vielleicht. Aber funktioniert. Zumal vor Kindern und solange ich ihn selbst gut finde. Er gelingt natürlich nicht, sobald mir anzumerken ist, daß ich ihn bereits so häufig wiederholt habe, daß er mir eigentlich zum Hals ´raushängt. Und weil nichts unlustiger ist als unlustig auf andere zu wirken, während man eigentlich lustig sein will, müssen neue Gags her. Nicht nur für die erwähnte, sondern auch für die anderen oft gestellten Fragen.
Kostet das etwas?
Mit einem Augenzwinkern und Verweis auf die Warteschlange: „Ja – einen Augenblick Geduld.“ Das musste ich schon immer mit Bedacht einsetzen, da nach dieser Äußerung schon so manches Kind schon nach dem ersten Wort schneller enttäuscht kehrt machte als ich hinterherschieben konnte, daß es außer Zeit nichts kostet, weil ich vom Veranstalter bezahlt werde. Sicher gibt es auch Tage, an denen es mehr kostet, nämlich mich unendlich viel Nerven. Jahre meines Lebens sozusagen.Aber wer möchte heutzutage schon ehrliche Antworten hören? Geschweige denn geben..?
Wie lange machen Sie das schon?
Die Standardantwort bisher: „Seit 13 Uhr.“ Wahlweise eine andere Zeit, idealerweise die Zeit, zu der ich an dem Tag am Einsatzort begonnen habe. Je nach Gesichtsausdruck und sonstiger Reaktion des Gegenübers kann auch hier das Nachschieben einer gescheiten Antwort notwendig sein.
Das wird schwierig zu ersetzen sein. Ich spüre langsam, daß es auf die Schnelle nichts wird mit neuen Antworten, bei denen sich die Leute einen grinsen. Spricht ja auch irgendwie für die alten Sprüche. Dabei müssen die neuen Sprüche nicht einmal derart beschaffen sein, daß sich die Umstehenden johlend auf die Schenkel klopfen oder das gerade im Rachen befindliche Getränk unfreiwillig durch die Nase entweichen lassen, weil sie sich nicht trauen, es der Einfachheit halber dem Vordermann in den Nacken zu prusten. Sie sollen einfach nur die Situation des Wartens auflockern. Wenn aber die Steuererklärung, die einen nach Feierabend derzeit dummerweise auch noch beschäftigt, nur stark eingeschränkt geeignet ist, einen kreativen Schub zu verpassen, ist vielleicht auch einfach Saure-Gurken-Zeit in puncto Humor. Muss ich vielleicht einfach ´mal akzeptieren.
Wie lange haben Sie gebraucht, um das zu können?
Was ich sage: „Ich probiere das seit 8 Jahren, aber wie Sie ja gerade sehen, kann ich es immer noch nicht richtig gut.“
Was ich meine: Wenn Ihr eine Ahnung hättet, wie schnell das erlernt werden kann. Sofern man natürlich kein kompletter Grobmotoriker ist. Viele andere Dinge sind nicht so leicht zu erlernen. Gags schreiben zum Beispiel. Meine ersten Einsätze diesen Sommer werden eben noch ohne neue Sprüche auskommen müssen. Man ist ja zu Kompromissen fähig. Also werden die nicht en bloc, sondern nach und nach durch neue ersetzt. Allerdings bevor ich wie so manch anderer zur Karikatur meiner selbst degeneriere. Das werde ich in noch höherem Alter ohnehin, das muss ich nicht bereits jetzt schon forcieren.Wie lange will ich das eigentlich noch machen mit den Ballons? Merke ich rechtzeitig, wenn es keinen Spaß mehr macht? Schwere Frage, nächste Frage.
Wie kamen Sie drauf, das zu machen?
„Ich hatte Gelegenheit, einem Clown, der das machte, zwei Stunden lang dabei zuzusehen, als ich bei der selben Veranstaltung eine Hüpfburg beaufsichtigte. Nach diesen zwei Stunden hatte ich eine Ahnung, daß das so schwierig gar nicht sein kann. Und für mich einen ganz klaren Auftrag: Das will ich können!“
Ich werde das in Zukunft nach allen Regeln des Storytelling ausdehnen und um Konflikte und Rückschläge ergänzen, die so gar nicht existierten, die das aber interessanter machen. Ihr wisst schon: Obwohl es genau genommen gar niemanden interessiert hat, was ich da im Begriff war zu lernen, war das komplette Umfeld erstmal dagegen. Nur eine einzige Person auf dem ganzen Planeten, die mich zwar nicht unterstützen konnte, aber an mich glaubte.
Und dann das: Jeder geplatzte Ballon beim Üben ein eigenes Drama, das schnell zum vorzeitigen Ende aller meiner Bemühungen hätte werden können, hätte ich nicht diesen unbändigen Willen gehabt, wenigstens einmal im Leben etwas bis zum Ende durchzuziehen und es damit allen Zweiflern zu zeigen.
Das wird dann in jedem Fall länger. Ob es auch lustiger wird, kann ich leider noch nicht beurteilen. Für jemand wie mich, der auf ein Kompliment wie „Cooles T-Shirt“ auch schon ´mal kurz und knapp mit „Ja“ reagiert, stellt es zumindest eine gewisse Herausforderung dar, freiwillig mehr zu reden als notwendig.
Da müssen Sie sicher sehr kreativ sein…
„Beim Kochen bin ich kreativer.“ Heißt nicht, daß ich in der Küche besonders kreativ bin. Eher daß ich es hier beim Modellieren besonders wenig bin. Es gibt so viele Anleitungen, daß man jahrelang bestehen kann, ohne ein einziges Design entwickelt zu haben. In Zukunft kann ich beim Stichwort Kreativität wenigstens geschickt das Gespräch auf meine Schreiberei lenken, wo ich mit unterschiedlichem Erfolg zwar, aber in der Tat schöpferisch produktiv bin. Unauffällig bis plump Werbung für den Meilensteinbildhauer machen, der ja immer zwei bis drei Leser mehr vertragen kann. Schreiben ist das neue Modellieren.
Können Sie auch ein Eichhörnchen?
Was ich sage: „Ja, aber leider habe ich keine Nüsse dabei. Deswegen kann ich ausgerechnet heute keine Eichhörnchen machen.“
Was ich meine: Ja, will ich aber jetzt nicht machen, weil das mehr Zeit beansprucht als andere Figuren. Und es bleibt ja nicht bei diesem einen Eichhörnchen, sondern ich muss für die nächsten 15 in der Reihe stehenden Kinder genau das Gleiche machen. Und alle, die schon eine Figur erhalten haben, stellen sich nochmal an, um auch ein Eichhörnchen zu bekommen, weil es so niedlich ist. Und so viel Zeit habe ich heute nicht mehr.
Das Kind da hinten hat aber eben ein Eichhörnchen bekommen…
„Das war eine Katze.“
Können Sie auch einen Igel?
„Nein.“ Zugegeben auch keine lustige Antwort. Dafür aber eine ehrliche. Und praktisch. Denn wenn ich bis jetzt keine witzige Antwort hatte, brauche ich auch in Zukunft keine. Kann ich auch noch ein oder zwei Jahre lang als Antwort benutzen. Auch in genau diesem Wortlaut. Noch praktischer.
Um diesem Blogeintrag zu guter Letzt noch eine Botschaft mitzugeben:
- Gut Ding will Weile haben
- Lasst Euch keine grauen Haare wachsen, denn die besten Einfälle kommen so oder so unter der Dusche
-
Vorausgesetzt, Ihr denkt dabei nicht gerade an die anstehende Steuererklärung
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