Es wäre nicht das erste Mal, dass in meinem Leben etwas gehörig schiefgeht, aber wenn alles ansatzweise nach Plan läuft, werde ich in einer Woche genau seit einem Jahr wieder in einer festen Beziehung sein. Und so sehr ich verstehen kann, dass sich Einige jetzt für mich und mit mir freuen – ich erwarte dafür keinen Applaus. Eher Mitleid. Schließlich kann ich seitdem hier nicht mehr über fahrlässig oder vorsätzlich versemmelte Dates schreiben, wenn mir ansonsten kein vernünftiges Thema einfallen mag. Über derlei Konsequenzen macht man sich ja üblicherweise keine Gedanken, bevor man eine Partnerschaft beginnt. Und ehe man sich versieht, schreibt man dann wieder über kuriose Beobachtungen aus der Tierwelt.
Wenn beispielsweise Pinguine ein Date haben, ist das Männchen gut beraten, einen Kieselstein mitzubringen. Dekoration hat auf Frauen eine magische Wirkung. Da unterscheiden sich Mensch und Tier praktisch überhaupt nicht, und das erklärt nebenbei auch den Erfolg von Männern, die mit Hundewelpen posieren. Bei Flusspferden dagegen kann Mann mit beidem nicht punkten. Dort geht die Beziehungsanbahnung deutlich rustikaler vonstatten: Zwar halte ich es nach wie vor für unangemessen, im Zusammenhang mit einem bis zu vier Tonnen schweren Koloss einen Diminutiv zu gebrauchen, aber jedenfalls markiert das „Männchen“ sein Revier durch möglichst weiträumiges Verteilen seiner Exkremente. Dies geschieht, indem der Schwanz während der Entleerung des Darms propellerartig rotiert und die einzelnen Brocken tendenziell unkoordiniert durch die Gegend schleudert. Als ob Leben am Fluss nicht schon seit jeher seinen ganz eigenen Charme hätte, benötigt man für maximalen Eindruck bei der Flusspferd-Dame von Welt zusätzlich solchen fäkalen Klimbim. Angesichts solcher eindrucksvollen Performances muss es einem als Mensch eigentlich fast schon peinlich sein, dass bei uns inzwischen der erste Schritt zum Paarungsglück eine ordinäre Wischbewegung auf dem Smartphone ist.
Doch wenn man möchte, kann man andernorts auch wieder Gemeinsamkeiten zwischen Mensch und Tier erkennen. Denn scheinbar geht auch bei manchen Tierarten Liebe durch den Magen. So bringen zum Beispiel männliche Listspinnen zum Date Beute zum Fressen mit. Dass man bei solchen Gastgeschenken kaum noch glaubwürdig von einem tierfreien Nichtraucherhaushalt sprechen kann, wenn man als Spinnenpaar irgendwann einmal in ein gemeinsames Netz zieht und überflüssige Einrichtung verscherbeln will, ist dabei nicht einmal das größte Problem. Eher schon dass die Dame des Herzens während des Aktes an dem Mitbringsel knabbert und dass ohne den mitgebrachten Snack womöglich der Verehrer selbst auf dem Speiseplan landen würde. Kurzum: Das Interesse an dem Verehrer ist nicht so gewaltig, dass man schon die Hochzeitsglocken klingen hören könnte. Bevor jedoch das Mitgefühl mit dem Männchen allzu groß wird, sei darauf hingewiesen, dass mitunter der Rest des unromantischen Abendessens vom Männchen ganz pragmatisch wieder eingepackt und zur nächsten Verabredung mit einer anderen Dame mitgenommen wird.
Man bemerkt spätestens hier: Man muss die Tierwelt nicht idealisieren. Sicher gibt es Beispiele von monogamen Beziehungen, die einen dunkel an folgendes erinnern: Dass auch der Mensch häufig schon ewige Treue geschworen hat, bevor er allabendlich neben dem Adressaten dieses Schwurs liegt und nicht einschlafen kann vor lauter Grübeln, ob sich nicht eventuell doch noch irgendwo dort draußen etwas besseres finden ließe. Genauso sicher ist aber auch: Wenn es der Arterhaltung dient, sind Fremdgehen oder Vergewaltigungen unter Tieren akzeptable Verhaltensweisen – zumindest bei einem der Beteiligten.
Und dann gibt es die Bonobos. Während sich zum Beispiel Schimpansen als deren enge Verwandte eher das Motto „Bloß keinen Streit vermeiden“ auf ihr Familienwappen geschrieben haben, erinnert bei den Bonobos vieles daran, wie man sich – ganz gleich ob als Klischee oder als Ideal – eine Hippie-Kommune vorstellt: Sex dient seltener zur Fortpflanzung und eher zum Vergnügen, wahlweise auch zur Konfliktvermeidung. Küsse, Zärtlichkeiten und Oralsex mit wechselnden Partnern sind an der Tagesordnung, gleichgeschlechtlicher Sex vor allem unter Frauen ist komplett normal. Einzig dass unter Bonobos die Mütter ihren Söhnen auch bei der Brautschau helfen, beispielsweise indem sie andere männliche Bonobos vertreiben, wirkt auf den menschlichen Betrachter leicht verstörend. Wenn es eine Person gibt, deren Hilfe ich in solchen Fragen gerade nicht gebrauchen könnte, dann wäre das Mama. Aber gut – andere Länder, andere Sitten.
Homo- und Bisexualität sind allerdings kein Alleinstellungsmerkmal der Bonobos, sondern bei – je nachdem, wen man fragt – zwischen 500 und 1500 Arten bereits beobachtete Verhaltensweisen. Bei Delfinen sollte von diesem Befund niemand sonderlich überrascht tun, aber auch Pinguine gehören zu den Beispielen, die man zu diesem Thema gern erwähnt. Bei Flamingos ist es fast schon klischeehaft unwirklich, aber wahr. Giraffen, Seepferdchen – man merkt es ja beinahe schon anhand der Art, wie sie sich bewegen. Bisons fand ich in diesem Zusammenhang etwas überraschend, aber – wo die Liebe eben hinfällt…
Der Vollständigkeit halber darf das Thema unglückliche oder unerwiderte Liebe nicht verschwiegen werden. Spätestens als im Jahr 2006 im westfälischen Münster eine schwarze Schwänin eine recht einseitige Beziehung zu einem schwanenförmigen Tretboot begann, ist man zu diesem Thema einigermaßen sensibilisiert. Weiß der Geier, was sie sich dabei gedacht hat, aber diese Liaison hielt immerhin eineinhalb Jahre.
Dokumentiert ist eine weitere Beziehung zu einem artfremden, immerhin aber echten Schwan, bevor sie schließlich verschwand und später ausgemergelt in einer Tierauffangstation abgegeben wurde. Ohne größeren Widerspruch zu ernten, könnte man demnach behaupten, dass auch im Leben dieser Schwänin einiges gehörig schiefgegangen ist. Man kann aber auch von einem Happy End sprechen, weil sie dort nicht nur wieder gesundgepflegt wurde, sondern auch auf ihren neuen Partner traf. Sie hat einen Nachkommen ausgebrütet, der zumindest eine Zeitlang – Achtung, Pointe – eine Ente als ständige Begleiterin hatte.
In diesem Sinn bleibt nur zu sagen: Es spielt keine Rolle, was Eure Partner darstellen, woher sie kommen, welche Sprache sie sprechen, ob sie dick sind oder kurz oder meinetwegen sogar OFC-Fan. Solange Ihr über den gleichen Mist lachen könnt, ist es wahrscheinlich, dass Ihr eines Tages sagen könnt: Ente gut, alles gut!
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