Sie waren nie weg. Sie hielten sich nur gut versteckt. Um dann zuzuschlagen, als ich am wenigsten mit ihnen rechnete. Arglos wollte ich einfach nur eine Banane sowie ein Dutzend Weinbeeren bereitlegen und sah mich plötzlich mit Myriaden von Fruchtfliegen und damit einer Situation konfrontiert, die sofortiges Handeln erforderte.

Mir ist natürlich bewusst, dass kein Tag ohne weitere Schlagzeilen zum Thema Insektensterben vergeht. Auf der anderen Seite ist meine Wohnung kein Zeltplatz, weshalb ich in solchen Fällen regelmäßig ohne jegliche Skrupel den Staubsauger zur Hand nehme, um die Invasion effektiv zu bekämpfen.

Ähnlich den Küchenschaben oder Stechmücken fällt es auch bei Fruchtfliegen schwer, mit ihnen irgendeinen Nutzen für ein Ökosystem in Verbindung zu bringen. Ein fehlender Nutzen freilich wird noch kein Lebewesen jemals davon abgehalten haben, trotzdem das zu tun, was es eben für richtig hält. Das könnte man so stehen lassen und gut damit leben. Da man – andererseits – auch nicht schlechter damit lebt, wenn man die Frage nach dem Sinn weiter verfolgt, wird man irgendwann unweigerlich auf das Stichwort Nahrungskette stoßen. Die Preisfrage wäre in diesem Fall, ob man die Eigenschaft eines Lebewesens, für ein anderes Lebewesen ein gefundenes Fressen zu sein, als eigenständigen Sinn gelten lassen möchte. Ich jedenfalls würde dies als meinen Beitrag zur Aufrechterhaltung einer natürlichen Ordnung als ein wenig zu bescheiden empfinden. Woraufhin sich natürlich umgehend die nächste Frage anschließt: worin genau jetzt mein ungleich weniger bescheidener Beitrag besteht, das natürliche Gleichgewicht aufrechtzuerhalten. Vorsicht, Spoiler: Die Frage wird bis zum Ende des Textes unbeantwortet bleiben. Als erste Annäherung würde ich mein Dasein als zur Unterhaltung anderer Menschen dienend interpretieren. Womit ich im Prinzip keinen anderen Auftrag erledige als ein x-beliebiges Haustier. Selbst die besagte Fruchtfliege hat einen edleren Auftrag. Und zwar beschleunigt sie den Zersetzungsprozess von Bioabfällen.

Was sie auch gern weiterhin tun darf. Aber nicht in meiner Küche. Was bei mir herumliegt, will noch gegessen werden. Jedenfalls das meiste davon. Das Letzte also, das ich hier gebrauchen kann, sind Tiere, die zur Verringerung der Haltbarkeit von Gegenständen beitragen, die ich bezahlt habe. Wenn die Viecher Sachen zersetzen wollen, finden sie im Hof eine eigene Tonne. Wenn ihnen die nicht reicht, laufen zur Not draußen auch jede Menge älterer Leute ´rum, denen sie gern beim Zersetzen helfen können. Ist das Stadium des „Geht das auch leiser?“-Pöbelns nämlich erst einmal überwunden, ist vom Leben sowieso nicht mehr gar zu viel zu erwarten. Was einschließt, dass es bei den Betreffenden eine Zeit gegeben hat, in der etwas zu erwarten gewesen war. Das wiederum ist nicht bei jedem Vertreter der menschlichen Gattung selbstverständlich.

Hunde können so trainiert werden, dass sie Dinge tun, die von ihnen in einer bestimmten Situation verlangt werden. Die Intelligenz von Papageien soll in etwa der eines vierjährigen Kindes entsprechen. An einem Bonobo wollen Forscher einen aktiven Wortschatz von 500 Wörtern erkannt haben. Mir sind schon erwachsene Menschen begegnet, die selbst nüchtern das zu unterbieten imstande waren.

Vielleicht sollten gerade wir Menschen ´mal ganz ruhig sein, wenn nach einem sinnvollen Beitrag für eine funktionierende gesellschaftliche Formation gefragt wird. Manche Menschen verbrauchen den ganzen Tag über hauptsächlich Sauerstoff und andere Ressourcen, und vor dem Scheiß, den sie währenddessen absondern, schützen weder Gesetz noch Naturgewalten. Generell ist der Mensch ja eine der größten Belastungen für die Erde. Nehmen wir an, eine Tierart würde seine Umgebung so lange ausbeuten, bis eventuell irgendwann nicht mehr genug zum Überleben für alle vorhanden ist. In der Regel reagieren die Tiere auf eine Veränderung der Lebensgrundlagen, indem weniger Nachkommen gezeugt werden. Trotzdem könnte es geschehen, dass der angestammte Lebensraum erweitert oder verlassen werden muss. Gegebenenfalls stirbt eine weitere Art aus. Wirklichen Einfluss auf die Geschehnisse hatten und haben die Tiere in den seltensten Fällen.

Der Mensch dagegen ist in der Lage, halbwegs realistisch einzuschätzen, welche Konsequenzen dieses oder jenes Handeln oder Unterlassen haben wird. Doch obwohl man weiß, was einen erwartet, wird achselzuckend so getan als wüsste man von nichts. Intelligent geht anders.

Es ist absurd: Wir entwickeln erfolgreich Mittel, um durchschnittlich immer länger leben zu können, und arbeiten zur gleichen Zeit daran, die Welt zu einem Ort zu machen, an dem man sich nicht länger als unbedingt notwendig aufhalten möchte.

Das Schöne an alledem ist ja, dass sich nach einem Einkauf bei einem Discounter an einem Samstagvormittag und der dort zwangsläufigen Begegnung mit allerhand Verrückten die Vorstellung eines Planeten ohne Menschen fast zu einer wünschenswerten Option entwickelt.