Ein kurzes Anwerfen der Suchmaschine bestätigt, was erstaunen müsste: Daß diese Parole nicht eben selten nach wie vor mit ernsthaften Absichten verwendet wird. Alleine das sollte an und für sich zu denken geben.
Daß ich nach guten 30 aktiven Jahren mit dem Thema Schießen durch war, lag nicht oder jedenfalls nicht ausschließlich daran, daß ich zwei Dinge nach all den Jahren zum Schluss nicht mehr hören wollte. Zum einen war das exakt der Slogan, der hier als Überschrift den Gegenstand des folgenden Beitrags ankündigt; zum anderen waren das angebliche Versprecher sowie sämtliche Wortspiele, die den Akt des Schießens durch Platztausch des vierten mit dem fünften Buchstaben durch einen anderen, nicht minder hohe Konzentration erfordernden Vorgang ersetzten.
In wenigen Wochen ist dann also die Saison vorbei. Das erste Jahr ohne mich, nachdem ich voriges Jahr eine Angelegenheit über Bord warf, die ich seit meinem 14. Lebensjahr ausgeübt hatte und damit bis dato eine der wenigen Konstanten in meinem Leben darstellte.
Habe ich das bis jetzt bereut? Eher nicht.
Wer denkt, daß das Schießen sowieso nie zu mir gepasst hat, dem sei gesagt, daß das Schießen mit dem Luftgewehr auf eine Distanz von gerade fünf Metern eine Offenbacher Eigenart ist, die bundesweit sonst nur noch in einer weiteren Region gepflegt wird oder wurde. So gesehen ist es fast schon wieder konsequent, daß ich so lange Zeit mittendrin statt nur dabei gewesen bin.
Weil wir praktisch nichts anbieten können, was sich nicht jeder sowieso legal beschaffen kann, hatten wir auch nie mit fragwürdigen Personen zu tun. Wenigstens nicht mehr als der Durchschnitt der Gesellschaft.
Zur Traditionspflege der seit 1914 bestehenden Schützenvereinigung als Dachverband gehört die Erwähnung, daß man sich seinerzeit in expliziter Abgrenzung zu den militaristischen übrigen Schützenvereinen gegründet habe. Es gibt unsympathischere Szenarien. Daß die geistige Verwurzelung im obrigkeitsstaatlichen Denken dennoch bis ins späte 20. Jahrhundert nachwirkte, kann anhand einer der skurrilsten Geschichten, die ich in diesen 30 Jahren erlebt habe, nachgezeichnet werden. Weil ich nämlich irgendwann einmal den Präsidenten der Vereinigung nach einem zugegeben etwas ausgearteten Disput über die Auslegung der Schießbestimmungen unter anderem als Affen bezeichnet habe, bin ich bis heute das einzige Mitglied der Vereinigung, dem gegenüber jemals ein Verweis ausgesprochen wurde. Das ist bis jetzt natürlich noch nicht so außergewöhnlich. Das eigentlich Unfassbare war das Setting: In einer Präsidiumssitzung wurde dieser Verweis beschlossen, ohne daß mir als Betroffenem Gelegenheit gegeben wurde, mich zu der Sache zu äußern, während andererseits Zeugen geladen wurden, die das gar nicht mitbekommen haben können, weil sie zum Zeitpunkt der Eskalation auf dem Stand gewesen sind, während draußen ein Wort das andere gab und es schließlich in dieser Majestätsbeleidigung gipfelte.
Daß ich nicht nach diesem Vorfall schon Schluss gemacht habe, unterstreicht den Stellenwert, den das Schießen für mich lange Zeit hatte. Auch sonst – sollte man meinen – hätte ich ja gerade in jüngeren Jahren freitagabends eigentlich besseres zu tun gehabt als zum Ballern zu gehen. Worin also besteht der Reiz?
Muppets meet Volkssturm
Die Vereinsfreunde? Ich glaube, ich war ungefähr fünfzehn Jahre lang der mit weitem Abstand Jüngste im Verein. Was streng genommen schon alles, aber auch wirklich alles über die Attraktivität des Schießens in der Stadt aussagt. Alte Herren, die freitags einen Grund benötigen, den Abend nicht zuhause mit ihrer Gattin verbringen zu müssen. Oder von ihrer Gemahlin zum Schießen geschickt werden, damit diese auch ´mal ihre Ruhe haben. Wer kann das schon so genau sagen? Irgendwann ist dann konsequenterweise auch das Ergebnis zweitrangig. An Trainingsabenden wurde manchmal nicht einmal mehr das Licht im Stand eingeschaltet, weil ohnehin niemand trainierte.
Ich glaube, es waren einzelne Momente wie auf dem Stuhl eingeschlafene Standaufsichten, die mich bei der Stange gehalten haben. Augenblicke, welche ich sicher auch an jedem beliebigen anderen Ort gehabt hätte, aber durch Zufall eben im Kontext des Schießens in Hinterzimmern von Schankwirtschaften. Unvergessen auch der Schützenbruder, der als Angehöriger des sich manchmal selbst so bezeichnenden Volkssturms und also wenigstens in Sachen Selbstironie Treffsicherheit beweisend eigentlich für Ergebnisse jenseits von Gut und Böse prädestiniert ist. Dieser hatte an einem Abend ein Ergebnis für die Ewigkeit erzielt, das er vorher nie erreicht hatte und hinterher mutmaßlich auch nie mehr. Jeder normale Mensch hätte auf dem Tisch gestanden, die Fäuste nach oben gereckt, in Gedanken „One Moment in Time“ abgespielt und sich feiern lassen. Der aber kam ´raus wie immer mit einem der beiden Gesichtsausdrücke, die er in seinem Repertoire bereithält, hat das eben Vollbrachte abgehakt als wäre es sein durchschnittliches Resultat und ist, wie sonst jeden Freitag auch, ein paar Minuten danach und noch vor der Auswertung seines Ergebnisses gegangen, als ob nichts gewesen wäre. Coolness-Faktor 11 von 10!
In Zeiten, in denen der Erhalt der Arbeitsfähigkeit oberstes Gebot jedes Einzelnen ist, muss dringend noch diese eine Frage geklärt werden, die alle sich stellen, nämlich: Ist diese Form der Freizeitgestaltung nicht sehr gefährlich?
Im Prinzip überhaupt nicht. Schließlich ist das Schießen ein Sport, der ohne jeglichen Körperkontakt auskommt.
Klar könnte ich mein Sportgerät auch dazu benutzen, es dem Gegner über den Schädel zu ziehen. Aber das macht man nicht. Das ist so selbstverständlich, daß es in keinem Regelwerk extra erwähnt wird.
Ein gewisses Restrisiko besteht allerdings trotz alledem. Es nützt auch niemandem, das hier zu unterschlagen zu versuchen. Und zwar ist natürlich jederzeit damit zu rechnen, daß angesichts der Altersstruktur jemand während des Schießens einfach ´mal umkippt. Ist zum Glück nie geschehen, wäre aber keine Überraschung gewesen. Genau andersherum folgender Vorfall: Ist tatsächlich passiert, aber niemand konnte damit rechnen.
Was wir wissen: Ein Schütze hat sich in den Finger geschossen.
Was überliefert ist: In der Annahme, das Geschoss würde irgendwo klemmen, habe er die Hand vor den Lauf gehalten und gaaanz laaangsaaam den Abzug betätigt.
Worüber wir nichts wissen: Die Reaktion des behandelnden Arztes.
Worüber wir froh sind: Daß er um der genaueren Feststellung wegen, an welcher Stelle genau es klemmt, nicht in den Lauf hineingeschaut hat, während er abdrückte.
Was wir daraus für die Zukunft ableiten können: „Wir können nichts dagegen tun, daß wir älter werden, aber wir können verhindern, daß es langweilig wird.“ (Unbekannter Verfasser)
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