Bärte waren hier im Blog schon Thema gewesen. Nasen auch. Ärsche oder Frisuren hatten wir dagegen noch nicht. Die Gemeinsamkeit zwischen diesen Dingen: Bei manchen Menschen befinden sich alle eben genannten Dinge im Gesicht, höre ich da jetzt einige murmeln. Das mag zutreffend sein, jedoch wollte ich auf etwas anderes hinaus. Und zwar dass sie sich, sofern sie in einer entsprechend attraktiven oder wahlweise schrägen Ausprägung vorhanden sind, vortrefflich als Markenzeichen eignen. Als Beispiel soll die Haarpracht eines aktuellen Präsidenten einer Weltmacht genügen. Dieser würde in seiner Funktion ja an sich kein Wiedererkennungsmerkmal benötigen, hat mit seiner Frisur aber dessen ungeachtet ohne Zweifel eines, das schon mindestens genauso viel Spott hervorgerufen hat wie etliche seiner unbeholfenen Äußerungen.
Erinnert sich jemand an Wolfgang Petry? Mit Vokuhila-Mähne, Popelbremse sowie einem Arm voller Freundschaftsbänder hatte er an Markenzeichen gleich drei. Bei den Stichworten Hut, Sonnenbrille und Nuscheln weiß jeder, dass nur Udo Lindenberg gemeint sein kann. Wer sich an Thomas Anders noch erinnern kann, kann auch wie aus der Pistole geschossen den Namen seiner früheren Ehefrau nennen, weil auf jedem Bild von ihm auch die berühmte „Nora“-Kette zur Schau getragen wurde.
Man ahnt schon: Man muss diese Leute nicht alle gut finden, um die Wirkung gewisser Merkmale anerkennen zu können, ja müssen.
Künstler dürfen aber sogar noch weiter gehen. Wer zum Beispiel leise daran zweifelt, dass sein künstlerischer Ausstoß für genügend Wiedererkennungswert sorgt, wird sich zur Sicherheit für den Anfang eine Maske besorgen.
Prominenz ist aber keine Voraussetzung, ein Markenzeichen zu haben. Prinzipiell kann sich jeder eines zulegen. Das können Dinge sein, die man sowieso immer bei sich hat: Von den bereits erwähnten Nasen und Bärten über Tattoos und Muskeln hin zum Bierbauch. Wenn es nur auffällig genug ist, taugt grundsätzlich fast alles als Markenzeichen. Wenn es nicht ohnehin permanent am Körper befindlich ist, muss es in einer nervenden Penetranz getragen werden. Nora lässt grüßen. Übertrieben konsequent umgesetzt hatte dieses Prinzip auch der Hausmeister eines Mitschülers, in dessen Hof wir in der 7. und 8. Klasse stets abhingen. Der hatte tagein, tagaus dieselbe Malerhose an. Zumindest wurde er über all die Jahre niemals in einer anderen als dieser einen Hose gesehen.
Kurze Zeit später begann ich selbst ganz zaghaft, Charakteristika zu entwickeln, die im weiteren Verlauf zu meinen Markenzeichen werden sollten. Im gleichen Maß wie die bevorzugt konsumierte Musik lauter, härter und ungestümer wurde, wucherten die Haare. Irgendwann kam ein zweites Erkennungszeichen dazu: das obligatorische Bier. Aus Dose oder Flasche, was halt gerade so greifbar war. Diese beiden Eigenschaften erfüllten ihren Zweck. Die meisten wussten sofort: Ja, ich weiß, wen Du meinst.
Natürlich begriff ich auch seinerzeit schon, was da vorging. Spätestens als die Bierflasche und ich als siamesische Zwillinge bezeichnet wurden, ging mir ein Licht auf. Bloß hatte ich das alles nicht unter dem Stichwort Markenzeichen reflektiert. Vorgenommen hatte ich mir das erst recht nicht, sondern es ist einfach so passiert. Wie meistens im Leben halt. Dass ein Markenzeichen authentisch und glaubwürdig zu sein hat, wenn es wirken soll, half mir in dem Moment nur bedingt weiter. Nachdem ich mir dann, fast 20 Jahre ist das inzwischen her, die Haare hatte abschneiden lassen, hatte ich das erste Mal so etwas wie ein Bewusstsein, dass ich mich da gerade selbst eines Markenzeichens beraubt hatte. Mein Bruder immerhin tröstete mich mit dem vollkommen unsentimentalen Rat, dass dann eben ab sofort die kurzen Haare mein neues Markenzeichen werden könnten.
Der mit dem kleinen weißen Hund
Was die Haare betrifft, bin ich sehr skeptisch, ob sie es wurden. Aber seitdem ich dann kurze Zeit später irgendwann auch mit dem Biertrinken aufgehört hatte, weiß ich zwei Dinge sehr sicher. Erstens: Überhaupt keinen Alkohol zu trinken ist definitiv ein Markenzeichen! Zweitens: Leider keins, das besonders sexy ist, das muss ich wohl langsam zugeben.
Wassermann haben sie mich genannt. Damit konnte ich noch leben. Wenn man aber ein Auge auf die gutaussehende Nachbarin einer Bekannten geworfen hat und von genau dieser dann als „der mit dem einen (!) Wasser“ bezeichnet wird, muss man bekennen: Es gibt schmeichelhaftere Wiedererkennungsmerkmale.
Was bin ich heute noch? Für manche aus dem Viertel der mit dem Westie. Gehe ich ohne den Hund auf die Straße, werde ich von denen nicht einmal erkannt. Farbloser als ein Hund. Das muss mir auch erst ´mal jemand nachmachen. Ist die vollkommene Durchschnittlichkeit selbst schon ein Markenzeichen? Oder muss ich mir was besseres ausdenken?
Experten zufolge ist der Ausgangspunkt eines gelungenen Markenzeichens immer der Markenkern. Nach meinem Empfinden ist der Versuch, sich so etwas vom Flipchart weg zu kreieren schon deshalb von vorneherein zum Scheitern verurteilt, weil das Ergebnis ja den gleichen Experten zufolge auch noch echt authentisch zu sein hat, um erfolgreich zu sein. Nun gibt es wahrscheinlich wenig Unglaubwürdigeres als ein mittels Brainstorming ermitteltes Markenzeichen für eine Persönlichkeitsmarke. „Ich bin dann ´mal cool!“ Der Erfolg gelungener Markenzeichen ist sehr wahrscheinlich dann am größten, wenn gerade keine verkopfte Marketing-Überlegung dahinter steckt, sondern es einfach organisch entstanden ist. Kann sich, zum Beispiel, irgendjemand vorstellen, wie vor ein paar Jahren irgendein Berater zu Angela Merkel gesagt hat: „Formen Sie mit Ihren Händen eine in etwa solche Raute, das symbolisiert Besonnenheit, Ruhe und Kraft“? Auch wenn gerade im Politikbetrieb schon seit einiger Zeit exakt solche Vorgehensweisen eine große Rolle spielen – ein Stratege, der ihr so etwas geraten hätte, wäre vermutlich nicht lange in ihren Diensten geblieben. Sie selbst erklärte dazu, diese Geste helfe ihr, den Rücken gerade zu halten. So einfach kann die Welt sein..!
Zeit also, ´mal wieder etwas Unüberlegtes zu tun.
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