„Er macht das Gesicht strahlend, er vermehrt das Sperma, und er tötet Kleinwesen in den Därmen.“ Wo andere Männer an dieser Stelle müde abwinken und behaupten würden, sie hätten das alles nicht nötig, kann ich persönlich in noch mehr Glanz und Frische in meinem Antlitz zumindest keinen Nachteil erkennen. Andererseits darf man nicht erwarten, dass ein 48 Jahre alter Mensch mit durchschnittlich geschultem Misstrauen gegenüber solchen marktschreierischen Äußerungen sofort aufspringt und sich beim Rewe gegenüber ein Kilo Knoblauch holt, bloß weil er irgendwo gelesen hat, dieser würde die Quantität des Ejakulats positiv beeinflussen. Schließlich wird gerade bei sogenanntem Superfood schon seit einigen Jahren regelmäßig eine neue Sau durchs globale Dorf getrieben. An der gesunden Skepsis gegenüber Werbebotschaften ändert auch nichts, dass die obige nicht der Apotheken Umschau entnommen wurde, sondern dem Talmud.
Was wurde dem Knoblauch nicht alles schon nachgesagt: Er beuge Herz-Kreislauf-Erkrankungen vor und hemme das Wachstum von Bakterien und Pilzen. Gegen zu hohe Cholesterinwerte wurde er genauso eingesetzt wie gegen die Pest. Selbst Haarausfall wird seit dem Mittelalter bis heute mit der weißen Wunderknolle behandelt. Und seine blutdrucksenkende Wirkung ist meine tägliche Lebensversicherung im Straßenverkehr, beim Wocheneinkauf sowie auf der Arbeit.
Wie bei fast jedem beliebigen anderen Thema mischen sich auch bei diesem Superfood knallharte Fakten mit Aberglauben und fake news: In der Seefahrt war Knoblauch aufgrund seiner Haltbarkeit und seines Vitamin-C-Gehaltes ein unverzichtbarer Bestandteil des Kampfes gegen Skorbut. Dass er die Mannschaft auch vor Schiffbruch bewahren könne, gehört dagegen eher in die Kategorie Unbestätigte Gerüchte. Wohingegen wiederum die Annahme, Knoblauch würde das korrekte Arbeiten der Kompassnadel beeinträchtigen, immerhin nach einigen Jahrhunderten als Missverständnis beziehungsweise Übersetzungsfehler korrigiert wurde.
Wen wundert es da noch, dass auch etliche der behaupteten positiven Wirkungen auf die Gesundheit bis heute noch nicht durch seriöse Forschung ernsthaft bestätigt wurden?! Vielleicht noch tragischer: Die tatsächlich nachgewiesenen gesundheitsfördernden Effekte sind allesamt nicht unter zwei Zehen täglich zu haben. Eine Menge, die selbst manchen Fan des weißen Goldes zurückschrecken lässt.
Immerhin: Solange man unterhalb der in einer weiteren Untersuchung genannten Höchstmenge von vier Zehen bleibt, hat der Konsum des populären Zwiebelgewächses wenigstens keine gesundheitlichen Nachteile. Und wie wir alle wissen, ist das, was beim Thema Knoblauch polarisiert, nicht die Frage nach dem gesundheitlichen Nutzen, sondern der verräterische Geruch, der den Genießer nach dem Verspeisen noch eine gewisse Zeit lang begleitet.
So etwas musste ja kommen. In einer Welt, in der es nichts umsonst gibt, kann man nicht einmal von der Natur erwarten, ohne jedwede Gegenleistung ein gesundes, wohlschmeckendes Universalheilmittel zu erhalten. Die besondere Tragik liegt darin, dass der gleiche Inhaltsstoff, der antibakteriell wirkt und Bluthochdruck vorbeugt, Allicin nämlich, auch für den nicht eben beliebten Geruch verantwortlich zeichnet, den der gesundheitsbewusste Konsument nach der Mahlzeit wieder an seine Umwelt abgibt.
Knoblauch macht einsam. Auch wenn objektiv betrachtet von allen Gerüchen, denen wir im Laufe eines Tages ausgesetzt sind, die Wurzelknolle definitiv nicht das größte Problem darstellt, würden manche Menschen einen stark danach riechenden anderen Menschen deswegen nur allzu gern in eine Gefängniszelle stecken lassen, wenn der Geruch schon im Raum zu vernehmen ist, bevor der dazugehörige Mensch diesen überhaupt betreten hat.
Dabei hat der Geruch zweifelsohne seine Vorteile. Wer beispielsweise darunter leidet, dass seine Mitmenschen die in Zeiten neuartiger Viren gebotenen 1,5 bis 2 Meter Abstand partout nicht einzuhalten in der Lage sind, nehme morgens einfach eine angemessene Extraportion Knoblauchbutter auf den Toast. Danach funktioniert das. Gern geschehen.
Aber wenn das alle machen?! Dann hebt sich der Effekt zwar wieder auf, doch eine Sache bleibt: Schwedische Forscher haben herausgefunden, dass Knoblauchgeruch nicht nur Kollegen, Vampire und andere Nervensägen auf Distanz hält, sondern auch Zecken. Hat man sich erst einmal an den Gedanken gewöhnt, dass selbst diese würdelosesten aller Lebewesen sich einen kleinen Rest Anspruch bewahrt haben, kann man sich diesen Effekt zunutze machen. Eine durfte Sache. Bevor Deutschland jetzt allerdings die Nudeln beiseite schiebt, um Platz für größere Mengen Knoblauch zu schaffen, sollte noch zweierlei beachtet werden: Zum einen lässt sich die Anzahl der eingefangenen Parasiten dadurch nur reduzieren und nicht völlig vermeiden. Zum anderen muss unbedingt beachtet werden, dass Knoblauch für Hund und Katzen hochgiftig bleibt und deshalb auf gar keinen Fall als Impfstoff gegen Zecken missbraucht werden darf!
Eine immens wichtige Frage, die viele Menschen umtreibt, wäre noch zu klären. Um die Antwort vorwegzunehmen: Ja. Männer, die Knoblauch gegessen haben, werden von Frauen attraktiver eingestuft. Um dies herauszufinden, haben Wissenschaftler der Universität Prag vor einigen Jahren Männern Pads unter die Achseln geklebt und von Frauen beschnuppern lassen. Das hört sich pervers an und ist es vermutlich auch irgendwie, passt aber immerhin in Zeiten, in denen Textilien, die man zuvor an den Füßen getragen hat, zu Mund-Nasen-Masken umfunktioniert werden. Obwohl also die Grenzen des guten Geschmacks gerade neu ausgelotet werden, könnte man nachvollziehen, wenn das Vertrauen in solche Untersuchungen nicht bei allen so ausgeprägt ist wie man sich das eventuell wünschte. Daher seien hier Milch und Petersilie als zwei der bewährtesten Maßnahmen gegen Knoblauchgeruch genannt, falls man wieder ´mal nicht auf die Portion Tsatsiki vor dem Date oder dem Zahnarztbesuch verzichten konnte. Auch diese Angaben sind jedoch ohne Gewähr.
Alle, die vor einem wichtigen Treffen noch Gelegenheit haben, über ihr Mittagessen nachzudenken, kann als Alternative der inzwischen in den Mainstream der deutschen Küche gelangte Bärlauch ans Herz gelegt werden, bei dem die Ausdünstungen hinterher nicht so extrem sind. Die Knoblauchsrauke wird ebenfalls gern als Ersatz genannt, wobei man davon schon acht komplette Pflanzen essen muss, um von dem typischen Aroma überhaupt etwas zu spüren. Nicht zuletzt gibt es wohl noch mindestens eine weitere Alternative, über die ich jedoch gar nicht viel sagen kann außer dass mir bei einem Gewürz, dem man den Namen „Teufelsdreck“ gegeben hat und über das man in der Wikipedia lesen kann, dass es in der frühen Neuzeit als übelriechendes Kampfmittel eingesetzt wurde, dann doch irgendwie das Grundvertrauen fehlt, in die Materie ´mal so eben ´reinzuschnuppern.
Zum Schluss noch eine gute Nachricht für alle, denen der Knoblauch hier unterm Strich trotz allem zu schlecht wegkommt: Knoblauch kann beitragen, den Klimawandel zu verlangsamen. Zu diesem Zweck entwickelte eine Schweizer Firma einen Futterzusatz für Rinder mit Allicin als wesentlichem Bestandteil. Mithilfe dieses Zusatzes würde das Rülpsen von Kühen und damit zugleich der Ausstoß des klimarelevanten Gases Methan deutlich verringert. Zudem halte der Knoblauchgeruch die Fliegen fern, was für die Tiere weniger Stress bedeute. Auch hier gelingt es also, mittels Knoblauch mehrere Fliegen mit einer Klappe zu schlagen.
Irgendwie scheint sich der Kreis hier zu schließen.
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