Das mache ich jetzt immer so. Wenn sich der Kater wieder einmal aufdringlich auf den Schreibtisch zwischen mich und die Tastatur legt, dabei gern betont lässig mit einem Teil seines Leibes auf meinen Unterarmen herumlümmelt, was mir ein geordnetes Tippen verunmöglicht, spiele ich ein Video mit Katzeninhalt ab und stelle den Ton an. Die ersten Katzenlaute, die aus den Lautsprechern kommen, veranlassen meinen Pauli nämlich, aufzustehen und hinter dem Monitor nachzusehen, wo seine Kollegen sich versteckt halten. Nicht fair. Aber das ist seine Methode, meine Aufmerksamkeit zu erlangen, auch nicht.

Der Grund für sein Verhalten ist ja auch nicht auf den ersten Blick ersichtlich. Ob er ein echtes Schmusebedürfnis hat, ist nämlich erst erkennbar, wenn ich mich in die Küche zu seinem Futternapf begebe. Dort stellt sich meistens recht schnell heraus, dass er keine Streicheleinheiten benötigt, sondern sich einfach nur bei mir einschleimen will, weil er am Verhungern ist. Sein Napf ist schließlich nur noch halbvoll. Weil der Kater aber auch nicht leben soll wie ein Hund, mache ich oft trotzdem frisches Futter in den Napf. In drei Viertel aller Fälle ereilt das Futter dann allerdings das gleiche Schicksal wie so ziemlich jedes Spielzeug oder Möbel, das man im Laufe eines Katzenlebens für den Stubentiger angeschafft hat: Es wird demonstrativ missachtet. Könnten Katzen sprechen, wäre ihre meist gestellte Frage: „Was soll ich mit dem Scheiß?“

Literweise Katzenmilch habe ich deswegen schon wegkippen müssen. Weil er stets so gern den Rest Milch aus meiner Müslischüssel schleckt, denke ich immer ´mal wieder: Wenn er es doch so gern mag.

Während Nicht-Katzenhalter sich bereits bei dem Geständnis angewidert abwenden, dass Muschi, Gizmo und Co. das selbe Geschirr benutzen wie ihre Menschen, reagiert der Katzenhalter auf Katers Vorlieben, indem extra etwas mehr Milch fürs Frühstück in die Schüssel kommt, damit hinterher für das Samtpfötchen mehr übrig bleibt.

Weil aber Katzenliebe nicht so weit gehen sollte, dass man dem grundsätzlich laktose-intoleranten Tier den bei Konsum größerer Mengen unvermeidbaren Dünnschiss bereitwillig hinterherwischt, ist das mit der Milch so eine Sache. Durchfall bei einer Katze ist nicht so tragisch wie bei einem Hund, weil sich das Klo wenigstens in der Wohnung befindet. Unangenehm für das Tier ist es trotzdem. Unappetitlich für den Mensch natürlich auch. Auch ohne Durchfall habe ich ja seit des Katers Einzug eine ungefähre Ahnung, woher die Redewendung „Scheiß´ die Wand an“ ursprünglich stammen könnte.

Also lieber laktosereduzierte Katzenmilch für einen Literpreis von 4 Euro gekauft, hingestellt und einen Tag später – natürlich unangetastet – ins Becken gegossen. Irgendwas hat Milch also, was Katzenmilch nicht hat. Oder umgekehrt.

Wer es nicht ohnehin schon wusste, merkt an dieser Stelle: Katzen sind seltsam. Was natürlich niemand so direkt über seine Katze sagen würde. Viel eher heißt es: Katzen sind eigensinnig. Während man beim menschlichen Partner keine Probleme damit hat, ihn als zickig zu bezeichnen, ist eine Katze niemals zickig. Die hat einfach nur ihren eigenen Kopf. Das erste Mal, dass mir das so richtig bewusst wurde, war bei folgender Begebenheit: Ich war gerade frisch bei meiner nunmehrigen Exgattin eingezogen, als wir einen Kater retten mussten, der einer ihrer Kolleginnen zu lästig geworden war. Es war nicht das letzte Tier, das wir vor irgendwas retten mussten, aber zu dieser Zeit hatten wir damit zwei Tiere: Eine Perserkatze so alt wie Methusalem und dieses Monster. Es begab sich, dass wir zu Bett gehen wollten, und zu diesem Zweck mussten die Katzen aus demselben. (Ich habe oben nicht behauptet, dass Geschirr das einzige ist, das man sich mit den Tieren zu teilen hat.) Also als erstes die Omakatze ´rausgetragen. Im Wohnzimmer abgesetzt, um den jungen Wilden abzuholen und mit ihm den gleichen Ortswechsel vorzunehmen. Auf dem Weg mit dem Kater heraus spazierte mir in der Tür zum Schlafzimmer die gerade erst dort heraus geholte Katze wieder entgegen, als wenn es das normalste von der Welt wäre. Da habe ich gemerkt, dass wir von Katzen in ihren Wohnungen im Prinzip nur geduldet werden.

Sitz! Platz! Bleib´!

Die alte Katze ist inzwischen lange Geschichte. Obwohl ich seinerzeit immer den Eindruck hatte, dass sie sich wahrscheinlich hin und wieder sorgt, was sie denn bloß machen soll, wenn wir alle, also meine damalige Gattin und ich, einmal nicht mehr sind. Zumindest hatte ich manchmal dieses Gefühl, dass sie sich diese Frage stellt, wenn ich sie auf ihrem Lieblingsplatz beobachtete, wie sie melancholisch in die Gegend blickte wie nur eine Katze melancholisch in die Gegend blicken kann. Neben der Einsicht, dass selbst die sieben Leben einer Katze irgendwann aufgebraucht sind, bleibt zweierlei:

Zum einen Oka, der eigentlich Feivel heißt, aber Speedy genannt wurde, bevor er von meiner seinerzeitigen Noch-Gattin gerettet wurde, weil er ansonsten ins Heim abgeschoben worden wäre. Das war drei Tage nachdem besagte Omakatze über die Regenbogenbrücke gegangen war. Ein West Highland Terrier. Für Hundeanfänger wie wir es waren, kann man sich fast keinen besseren Einstieg vorstellen. Zum anderen der bereits vorgestellte Pauli.

Letzterer, obwohl heute nicht mehr so jung und auch nicht mehr so wild, kann etwas, das der Hund nicht kann, man von diesem aber eher erwarten würde: Apportieren.

Zugegeben – eigentlich apportiert er nur Kronkorken. Das aber so ausdauernd wie kein zweiter. Er legt mir einen vor die Füße und wartet darauf, dass ich ihn werfe. Wenn ich den Flaschenverschluss in die Ecke gepfeffert habe, wird hinterhergehechtet und das Spielgerät ein paarmal mit der Pfote durch die Gegend gedroschen. Nach einer halben Minute merkt er dann, dass das Spiel auf diese Weise sehr einseitig ist. Also ab in den Mund damit und seinem Zweibeiner vor die Füße gelegt und zur nächsten Runde Werfen aufgefordert.

Der Hund dagegen: Ich habe ihm extra einen Snack Dummy gekauft, um mit ihm das Apportieren zu trainieren. Einen Snack Dummy kann man sich so vorstellen wie eines dieser Schlampermäppchen, nur dass sich darin statt Stiften und anderer Schreibutensilien eben Futter befindet. Wenn der Hund das Teil artig zu seinem Menschen gebracht hat, bekommt er von ihm Futter aus ebendiesem Behältnis. Nachdem ich mich über einen Zeitraum der Länge eines Arbeitstages in allen Hundeforen, die es online gibt, über richtige und falsche Vorgehensweisen aufklären lassen habe, konnten wir dann auch relativ spontan ins Training einsteigen. Das erste Erfolgserlebnis ließ auch nicht lange auf sich warten. Denn als ich den prall gefüllten Beutel durchs den Flur warf, ist Oka umgehend hinterhergewetzt und hat das Mäppchen sogleich lehrbuchmäßig mit seinem Fang aufgenommen. Kein schlechter Start. Alsdann schaute er mich an und wartete, was als nächstes passieren würde. Da ich gelesen hatte, dass man schon euphorisch Party machen soll, wenn der Hund bis zu diesem Punkt alles richtig macht, habe ich ihn angefeuert wie ich selbst meinen favorisierten Fußballverein höchstens am letzten Spieltag 1999 angefeuert habe, als es um Alles oder Nichts ging. Voller freudiger Erregung ließ Oka daraufhin den Snack Dummy auf der Stelle fallen und eilte ohne das Säckchen zu mir.

Süß! Böse sein konnte ich ihm deswegen jedenfalls nicht. Aber es entsprach eben nicht ganz dem Trainigseffekt, den ich mir erhofft hatte.

Immerhin: Andere berichteten davon, dass ihr Hund es gelernt hat, den Reißverschluss des Apportierspielzeugs selbst zu öffnen, was auch nicht im Sinne des Erfinders gewesen sein dürfte.

Ich verbrachte anschließend noch einen weiteren Arbeitstag lang vor dem Rechner, um die Internet-Foren und Hunderatgeberseiten erfolglos nach einer Lösung für mein Problem zu durchsuchen. Danach war dann klar, dass der Hund das in diesem Leben nicht mehr lernen würde und sämtliche meiner Bemühungen für die Katz´ gewesen waren. Der Snack Dummy fand einen Platz in dem Schrank, wo das ganze niemals benutzte Katzenzubehör aufbewahrt wird. Immerhin habe ich ja noch einen Kater, der apportieren kann.

Wir müssen das oben bereits angeführte Kernproblem nochmal thematisieren, dass die meisten Hunde und Katzen älter werden als eine durchschnittliche Beziehung hält. (Die normalerweise lebenslange Beziehung zum favorisierten Fußballklub soll hier nicht als Beziehung in diesem Sinne verstanden werden.) Wahrscheinlich ist die Anzahl der Kreaturen, die wegen eines Wechsels des Beziehungsstatus´ ihres Menschen ihrerseits den Besitzer wechseln müssen, ähnlich hoch wie die derjenigen, bei denen die Ausdauer ihrer Halter für ein Tier einfach nicht gereicht hat. Speziell Katzen ziehen ein, wenn sich speziell eine Frau darauf einstellt, für eine gewisse Dauer ohne festen Partner zu verbringen. Katzen ziehen aus, wenn man es sich anders überlegt hat, der neue Partner aber nicht unbedingt glücklich mit dem Streichelzoo ist und sich als Endgegner entpuppt, gegen den selbst eine sonst mit allen Wassern gewaschene Katze nur tragisch verlieren kann.

Katzen sind demnach perfekte Gefährten für Singles, die das auch bleiben wollen oder an diesem Zustand aus anderen Gründen nichts ändern können. Sie sind verschmust, machen aber bei weitem nicht so viel Aufriss wie ein Hund oder ein Partner, wenn man ´mal feiern war oder länger arbeiten musste und relativ spät nach Hause kommt. Beide, Hunde wie Partner, sind ja offenbar allein nicht überlebensfähig. Nur dass es beim Hund als Rudeltier eben stimmt. Das alles wiederum macht einen Hundehalter für eine Partnerschaft schwer vermittelbar. Im Prinzip maximal für einen Partner, der ebenfalls einen Hund hat. Eine nächste Hürde könnte sein: Beide haben Hunde, die sich allerdings nicht vertragen. Auch keine gute Grundlage für eine sich anbahnende Beziehung. Das ist der Treppenwitz daran, dass mir die Tiere bei der Trennung mit der Begründung überlassen wurden, damit ich nicht so allein bin.

Ich habe aus diesem Grund auch beschlossen, mir keinen Ersatz zu beschaffen, wenn diese beiden dereinst in die Ewigkeit abberufen werden. Auch keine zusätzlichen Tiere bis dahin. Lieber eine menschliche Partnerin zur Abwechslung.

Vorausgesetzt, sie kann apportieren.

Weiterhin vorausgesetzt, dass nirgendwo in meinem Umfeld wieder irgendein Tier gerettet werden muss.