Nach allem, was ich bis jetzt über mich weiß, kann davon ausgegangen werden, dass die Teilnahme an einem Osterbrauch, bei dem Eier mittels mehr oder weniger ausgefeilter Wurftechnik über eine möglichst große Distanz befördert werden müssen, mein Gefallen fände.
Generell habe ich eine gewisse Schwäche für Brauchtümer, bei denen Gegenstände, die zunächst nicht dazu entwickelt wurden, um sie durch die Gegend zu werfen, ihres ursprünglichen Zwecks entbunden werden, um sie – durch die Gegend zu werfen. Da wird einem einiges geboten: Von Mobiltelefonen über Gummistiefel bis zu Weihnachtsbäumen gibt es neben besagten Eiern eine gewisse Vielfalt unterhaltsamer Wettbewerbe. Der Weltrekord im Handtaschen-Weitwurf liegt übrigens bei äußerst respektablen 46 Metern, der im Erdnuss-Weitwurf bei 37.
Zugegeben sehen die wenigsten Menschen bei der Ausübung solcher Tätigkeiten so anmutig aus, dass man sie sich in dieser Pose bei Gunther von Hagens Körperwelten direkt neben dem Speerwerfer vorstellen kann. Doch ging es bei diesen Randsportarten noch selten um Ästhetik, sondern vielmehr um Spaß. Und der Spaß lässt sich – allen ethischen Grundsätzen zum Trotz – noch steigern, sobald Lebensmittel zum Einsatz kommen. Als jemand, der sogar das Schleudern von Salat am liebsten zeitsparend mit Übungen im Poi-Schwingen kombinieren würde, schlussfolgere ich: Falls ich irgendwann einmal eine ausgewachsene Depression entwickeln sollte, wäre vermutlich ein relativ erfolgversprechender Therapieansatz, mir ein Katapult und dazu einen Sack Kartoffeln zu verschreiben.
Von Therapie zum jährlichen Zeltlager der Katholischen Jugend überzuleiten, klingt schwieriger als es letztendlich tatsächlich ist. Dort haben wir vor gut 20 Jahren nach der Abreise der zu betreuenden Kinder unsere eigene Tradition entwickelt: Mit Honigmelonen haben wir Rugby gespielt; Salatköpfe, Tomaten und andere Lebensmittel mit guten Flugeigenschaften wurden mit dem Baseballschläger eher klein- als weggeschlagen. In der Szene der Lebensmittelsportler galt ich zu dieser Zeit als alter Hase. Nichts war uns heilig; Berührungsängste waren – wie insgesamt in der Katholischen Kirche – nur schwach ausgeprägt. Man weiß ja, wie der Hase läuft: Heute wären viele Kirchenfunktionäre selig, wenn eine Steige verschwendeter Äpfel der einzige Skandal wäre, mit dem sie sich auseinanderzusetzen hätten.
Noch dazu können ein paar Hände voll vorsätzlich zertrümmerter Grundnahrungsmittel in puncto Scheinheiligkeit Gott sei dank mit folgender Praxis nur schlecht als recht mithalten: Man nehme ein in Deutschland millionenfach verbreitetes niedliches Haustier, baut es über die Jahre zu einem Markenrepräsentanten für das Osterfest auf, lässt ihn Eier bunt bemalen und verstecken und zieht ihm als Belohnung nach getaner Arbeit das Fell über die Ohren, um ihn der versammelten Familie als Festtagsmahl aufzutischen.
Dass die Kaninchen inzwischen vermehrt „aus Bodenhaltung“ angeboten werden, macht den Braten auch nicht fett: Die Tiere haben ihr gewünschtes Gewicht nach etwa drei Monaten Lebenszeit erreicht, werden also zu einem Zeitpunkt geschlachtet, zu dem ihre Kollegen, die fürs Kinderzimmer bestimmt sind, überhaupt erst von der Mutter getrennt werden. Ein lebendiges Kaninchen beim Züchter oder im Zoofachgeschäft gibt es für 50 Euro aufwärts. Ihre tiefgefrorenen Artgenossen gibt es in der Osterwoche für 7,99 Euro bei Netto. Niemand muss also befürchten, dass sich die Tiermastbetriebe bei der Produktion dieser Kaninchen in besondere Unkosten gestürzt hätten. Wie rohe Eier werden die Jungtiere dort jedenfalls mitnichten behandelt. Dies sollte man sich gelegentlich vor Augen halten, wenn Eier und Hasen wie an Ostern als Symbole für immerhin nicht weniger als Fruchtbarkeit und Entstehung des Lebens benutzt werden. Nach allem, was ich bis jetzt weiß, kräuseln sich mir da regelmäßig die Haare.
Auch von hier ist die Überleitung zum nächsten Thema maximal einen Eierwurf weit entfernt. Den Schaumfestiger meiner Wahl gibt es neuerdings „wieder mit Lieblingsduft“. Das steht tatsächlich exakt so drauf.
Die erste Frage ist dabei natürlich: Wessen Lieblingsduft? Meiner ist es jedenfalls nicht. Soviel kann ich, nach allem, was ich bis jetzt über mich weiß, bereits sagen. Was nicht tragisch ist, denn ich hielte es auch in vielen Alltagssituationen für nicht angemessen, wenn meine Haare nach Pizza riechen würden.
Theoretisch könnte sogar der Lieblingsduft eines Hundes gemeint sein. Inwieweit man dann als Mensch davon profitiert, bleibt fraglich. Als Arbeitshypothese würde ich folgende Annahme in den Raum stellen: Wenn man in einer Metzgerei arbeitet, ist es in Ordnung, wenn das Haupthaar nach Fleischwurst riecht. In jeder anderen Situation würde ich einen etwas weniger aufdringlichen Duft vorziehen.
Die Probleme sind jedoch weitaus komplexer als diese oberflächliche Annäherung andeutet. Wenn der Schaumfestiger nämlich jetzt endlich wieder mit Lieblingsduft erhältlich ist, muss ja als produktpolitische Maßnahme irgendwann vorher einmal die Entscheidung gestanden haben: Okay, das ist zwar jetzt der Lieblingsduft (von wem oder was auch immer), aber wir arbeiten ab jetzt trotzdem mit einem weniger beliebten Duft weiter. Meistens sind solche Angelegenheiten ja keine einsamen Entscheidungen eines einzelnen Akteurs. Im Normalfall muss das ja in irgendeinem Gremium zur Sprache gekommen und diskutiert worden sein. Was war da der Grundgedanke?
Ich kenne mich in solchen Fragen nicht wirklich aus, beanspruche für mich aber eine gewisse Kompetenz, wenn es darum geht, Bewährtes in Zukunft schlechter zu machen. Mein Vorschlag wäre daher gewesen, wenn man einen sinnfreien Spruch auf der Packung überhaupt für nötig hält, diesen hier zu nehmen: „Das kannst Du Dir in die Haare schmieren!“
Nach allem, was ich bis jetzt über mich weiß, kann davon ausgegangen werden, dass ich einen mit einem solchen Slogan beworbenen Schaumfestiger sofort kaufen würde.
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