Einmal als Überlegung in den Raum gestellt: wäre meine formale familiäre Situation heute noch dieselbe wie vor drei Jahren – es gäbe diesen Blog höchstwahrscheinlich nicht. Wenn es ihn doch gäbe, handelte er von anderen Themen. So weit, so banal. Doch musste ich auf den Zufall des Erblickens der ersten blühenden Vorboten des anstehenden Frühjahrs warten, um mir dessen so recht bewusst zu werden. Denn einige Jahre lang dominierte in dieser Jahreszeit die Vorfreude aufs anstehende Gartenjahr alle anderen Themen. Hätte ich also den Garten noch und dieses Werkzeug hier, mein zumindest latentes Mitteilungsbedürfnis auszuleben, dann wäre dies hier ein Gartenblog.
Wer mich kennt, kann sich eines sicher sein: es wäre natürlich auch unter den genannten Voraussetzungen kein Blog wie jeder andere, sondern einer mit seiner ganz eigenen Note. Bilder von prächtigen Fleischtomaten, welche aufgrund ihrer Größe gern als überreife Zierkürbisse durchgehen könnten. Texte über farbenfrohe meterhohe Stauden und fein komponierte, farblich aufeinander abgestimmte Beete, in denen eines zum anderen passt und mindestens von Februar bis Oktober jeden Monat etwas anderes blüht. Das sind Beispiele, was alles einem solchen Blog eher nicht stattfände. Weil ich nämlich am besten über das schreiben kann, was ich selbst gesehen, gefühlt und erlebt habe, würde sich mein Gartenblog lesen wie ein Reisebericht durch die Kasachische Steppe.
Das nämlich hat mich dieser Garten bald gelehrt: solche Gärten wie in den dafür vorgesehenen Zeitschriften oder in den Gartenschauen gibt es nicht. Jedenfalls nicht ohne Investition von sehr viel Zeit, noch mehr Geld und viel Geduld. Weil in einem Garten die Dinge sich Zeit lassen, bis sie funktionieren. Wenn sie funktionieren. Es ist schon kein Zufall, daß sich Garten auf Warten reimt.
Wenigstens wenn die Dinge nicht funktionieren, merkt man das meist schnell. Wenn nämlich die 100%-winterharte Pflanzenrarität mit Anwachsgarantie von einer Woche auf die andere in diesem botanischen Bermuda-Dreieck einfach verschwunden ist, mag der Plan vielleicht gut gewesen sein, die Umsetzung jedoch… lassen wir das! So oder so ähnlich fühlt sich wohl der Fußballtrainer, wenn nach dem Spiel eingestanden werden muss, daß die Taktik, keinen Gegentreffer zuzulassen, nur bis zur dritten Spielminute gehalten hat.
Stellvertretend für viele: Lampionblumen. Pflegeleicht, anspruchslos. Schnelle Ausbreitung durch Rhizome. Demgemäß sind sämtliche Foren zum Thema voll mit Beiträgen von Menschen, die das Zeug nicht mehr wegbekommen. Allein: Das ist nicht das Problem, dessen Lösung ich gesucht habe. Bei uns nämlich sind etliche Versuche, diese Pflanzen erfolgreich zu etablieren, fehlgeschlagen. Das einzige, das sich etablierte, war „Einen Versuch können wir ja noch ´mal machen“ als jährlicher running gag.
Daß die Frage Unkraut oder Nutzpflanze Ansichtssache ist, wissen wir nicht erst seit dem Comeback von Rucola, aber der Eindruck bleibt bestehen: Das Gestrüpp gedeiht schneller: die Disteln und alles andere, was man nicht möchte, weil es stinkt, sticht oder auch einfach nur scheiße aussieht. Oder weil es allen anderen Gewächsen in der Umgebung keinen Raum zum Entfalten lässt. Weil selbst die ekligsten Insekten beim Anflug darauf angewidert abdrehen.
Mit sehr viel Wissen und Erfahrung kann man manche Fehler womöglich vermeiden. Aber wer hat das schon nach gerade mal vier, fünf Jahren Beschäftigung mit dem Thema?
Manche Sachen sind auch gar nicht wegzubekommen. Die Hunds-Rose am Zaun hätte vermutlich sogar einen Atomkrieg überlebt. Unerschrocken wie Herakles stellte ich mich dem Kampf gegen diese Hydra. So tief wie die verwurzelt war, konnte ich allerdings gar nicht buddeln, ohne Gefahr zu laufen, in einem anderen Erdteil wieder herauszukommen. Zum Schluss hat es jemand besonders gut mit mir gemeint und das Wurzelwerk mit dem Bagger aus der Erde geholt. Das war in dem Sommer, der mein letzter in und mit diesem Garten sein sollte. Was ich freilich zu der Zeit noch nicht ahnte.
Die Überleitung der Woche
Die Natur macht, was sie will oder wovon sie denkt wofür sie geschaffen ist. Pflanzen suchen sich ihren Standort nach objektiv kaum zugänglichen Gesichtspunkten aus. Nicht wesentlich anders verhält es sich bekanntlich mit der Partnerwahl der Frauen
Ein Freund musste mir den Mechanismus nochmal erläutern, damit ich nicht vergesse, wie simpel die Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind: „Sieht man in jeder Dokumentation des Tierreichs, Männchen machen den Affen, die Damen suchen aus.“ Als Ergänzung meinerseits dazu höchstens noch das in vielen Fällen vorweggenommene Ergebnis: Der dümmste Bauer hat die dicksten Kartoffeln. Lassen wir die Frage beiseite, ob und wieviel Neid in dieser Äußerung steckt, bleibt als Essenz: Die Partnerwahl folgt nicht immer nachvollziehbaren Gründen.
Ich komme auch überhaupt erst drauf, weil ich heute den Spessartring überqueren musste. Als Fußgänger hat man dort nach Betätigen des Tasters nämlich ausreichend Zeit, sein komplettes Leben Revue passieren zu lassen, bis die Ampel irgendwann für etwa vier Sekunden grün zeigt. Einen ähnlich guten Effekt hat man ja sonst nur an der Baumarkt-Information oder bei der Hotline der Telekom beim Warten auf den nächsten freien Mitarbeiter. Da kommt einem halt so was in den Sinn. Die Taste signalisiert wohl einfach nur irgendeiner Maschine, die in irgendeinem Leitstand von irgendeinem Menschen überwacht wird: okay, da steht jetzt wieder jemand. Weitere Konsequenzen: nicht zu erwarten.
Die Launen der Natur
Um nach diesem Exkurs die Kurve wieder zu kriegen: Erwartungen beziehungsweise deren Enttäuschung ist ja das Band, das die Themen Stehen an der Ampel, Arbeit im Garten sowie Zweierbeziehungen zusammenhält. Also ein Zustand nicht sehr viel anders als vor Tausenden von Jahren schon. Die Sache mit der Ampel freilich ausgeklammert. Speziell bei der Brautwerbung gilt: Die Evolution kann mit der soziokulturellen Entwicklung eben nicht ansatzweise Schritt halten.
Und am Ende steht die Erkenntnis, daß viele Frauen den Widerspruch nicht einmal wahrnehmen, eigentlich einen wertschätzenden, interessierten und aufmerksamen Partner zu suchen, während das Unterbewusste sich schon auf der Suche nach dem nächsten Neandertaler befindet. Als ob es noch heute darauf ankäme, die Sippe regelmäßig mit bloßen Händen vor Feinden verteidigen zu müssen. Und dabei so dumm zu sein, daß es selbst für das zum Vergleich herangezogene Brot einer Beleidigung gleichkäme.
Im Gegensatz zum tierischen Balzverhalten können wir dann allerdings doch ein klein wenig mehr differenzieren. Aber alles reduziert sich im Grunde auf die Formel „nett“ oder „anziehend“.
Zur Illustration: Wenn ich aus Modellierballons den schönsten Blumenstrauß forme, zu dem meine Hände in der Lage sind, ist das nett. Wahlweise dürfen die Blumen gern durch Erdmännchen oder Eulen ersetzt werden. Aber – beachtet bitte das im Zusammenhang mit Ballonmodellage nicht anders als subtil zu bezeichnende Wortspiel – wie man es dreht und wendet, es bleibt eben nur nett. Alternativ: süß.
Früher war das Aufnehmen von Kassetten für die Umworbene eine vergleichbare verzweifelte Aktion. Nett. Aber eben nicht anziehend. Anziehend wäre ein Kontostand, der den Auftritt eines kompletten Orchesters anstelle des Anhörens einer Kassette ermöglicht. Oder eine Reise nach Südafrika, um echte Erdmännchen zu sehen statt dieser Ballonfiguren.
Meine bescheidene Lösung für die Vegetationsarmut in unserem Garten war gewesen, verstärkt auf Windspiele zu setzen. Diese setzen farbliche Akzente unabhängig von der Beschaffenheit des Bodens. Gut – solange kein Wind weht, ist auch das auch nur nett, aber sei´s drum. Für meine Anziehungskraft auf Frauen fehlt mir noch eine kreative Entsprechung dieser Maßnahme. Auch wenn böse Zungen behaupten, daß Wohnung und Seele bei mir ohne Frau erst wieder richtig aufgeblüht sind – ich warte hierzu auf Inspiration aus den wie immer massenhaften Kommentaren auf diesen Blogeintrag.
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