Was nicht ist, kann zwar noch werden, aber bis jetzt war dieser Winter beileibe kein ausgesprochen strenger. Klar, wer im Norden Amerikas lebt, wird dazu unter Umständen eine andere Meinung haben, aber in der dortigen Gegend dürfte die Anzahl meiner Leser überschaubar sein. Und im Grunde soll es auch weder ums Wetter noch um Geographie gehen, sondern um Eichhörnchen.
Bevor der Winter Einzug hält, verbuddeln diese nämlich gewöhnlich irgendwo ihre Nahrungsvorräte. Das Irgendwo kann dabei durchaus wörtlich genommen werden, denn das Eichhörnchen merkt sich viele, aber nicht alle seiner Vorratskammern. Einige der vergessenen Nüsse und Eicheln keimen im nächsten Jahr und verjüngen als Nebeneffekt der Vergesslichkeit den Wald.
Dass nicht alles nachahmenswert ist, wofür die Natur erfolgreich Modell steht, möchte ich an einem Beispiel verdeutlichen:
Ich bin ja im Lager eines Onlinehändlers neben anderem hauptsächlich dafür verantwortlich, dass wir ein bestimmtes Teil idealtypisch dort auffinden, wo wir es erwarten können, weil wir sie ja zu exakt dem Zweck des besseren Wiederfindens an exakt einer bestimmten Stelle deponiert hatten. Die Ware dorthin zu räumen, wo sie auch hingehört, ist demnach immer noch das bestgeeignete Mittel, sie wiederzufinden, wenn sie benötigt wird. Die mit einigem Abstand zu diesem Optimum nur zweitbeste Möglichkeit: Man räumt es falsch weg, kann sich aber immerhin noch daran erinnern, wo genau oder wenigstens wo ungefähr das gewesen sein könnte. Gar keine Option ist jedoch die Eichhörnchen-Praxis: Erstmal irgendwohin mit dem Zeugs, zu etwa 85 Prozent finden wir es schon wieder.
Ein Elefant hingegen kann selbst auf 50 Kilometer Entfernung noch zielsicher ein bestimmtes Wasserloch ansteuern. Heißt deshalb von Elefanten lernen auch siegen lernen? Eher nein: Leider ist die Haltung von Elefanten mit größeren Kosten verbunden als die einer Schar Eichhörnchen. Das Geld ist aber nicht der einzige Einwand gegen eine Herde Elefanten: Die Breite der Regalgassen müsste gegenüber dem jetzigen Zustand massiv erhöht werden. Ohne Umzug wäre das gar nicht zu bewältigen. Und wenn man schon die einzigartige Gelegenheit hat, in Dietzenbach arbeiten zu dürfen, gibt man die ja nicht so ohne weiteres auf.
Man ahnt vielleicht schon, dass sich derzeit einige Eichhörnchen unter meine Kollegen gemischt haben. (Die für Eichhörnchen typische Geschwindigkeit muss man sich dabei freilich wegdenken.) Und mittendrin statt nur dabei: Ich, der Betriebs-Panda.
Der Panda ist ja eher so ein „Ach Gott, wie süüüß“-Wesen. Seine Zugehörigkeit zur Familie der Bären ist ihm allerdings eher weniger anzumerken, sondern er lässt sich eher auf die Attribute gemütlich, gefräßig, etwas dabbisch reduzieren. Ein Bär, immerhin, ein Bär, der täglich 10 Stunden und länger mit der Nahrungsaufnahme beschäftigt ist. Ein Bär, dessen Schilddrüse im Normalmodus so aktiv ist wie die eines Schwarzbären beim Winterschlaf! Den wiederum ein Panda gar nicht benötigt, weil er sich ohnehin permanent im Beinahe-Winterschlaf befindet. Besser geht’s nicht. Als reichte das alles nicht schon aus, bietet der Panda für mich persönlich ein weiteres tolles Identifikationsmerkmal obendrauf, weil: Einzelgänger. Das Beste kommt aber erst noch: Ein Bär. Also Fleischfresser. Der zum Veganer mutiert ist. Würde die Story jemand erfinden, alle fänden es unglaubwürdig. Die Realität aber macht aus dem Panda eine Comic-Figur erster Güte. Genauso wenig ernstzunehmen wie Delfine, deren Ruf, letzten Endes nichts anderes als schwule Haie zu sein, sie sich ja ebenfalls hart erarbeitet haben.
Ein bisschen hinkt der Vergleich natürlich noch. Es gibt Situationen, da ähnele ich eher dem Stier in der Arena, aber man weiß ja:
Was nicht ist, kann noch werden
Ich war auch nicht in jeder Phase meines Lebens auf den Panda festgelegt. Streng genommen habe ich lange Zeit gar keinen Gedanken daran verschwendet, welches Tier ich wäre oder welches ich gern wäre. Im Kontext mit meiner Alkoholentgiftung saß ich vor etlichen Jahren in einer Gruppe mit einigen anderen Psychos, als mir diese Frage das erste Mal seit meinen Kindheitstagen wieder begegnete. Meine Antwort seinerzeit: Adler. Die Leiterin der Gruppe hatte in dieses Bild einiges hineininterpretiert: Sich die Welt gleitend von oben ansehen, über den Dingen schweben, eine andere Perspektive einnehmen und all solches Zeugs. Die hatte sich da so ´reingesteigert, dass ich anschließend selbst nicht mehr wusste, ob ich das Tier aus den von ihr vorgetragenen Gründen genannt hatte oder doch einfach nur, weil ich von der Frage überrumpelt wurde und in dem Moment wie sonst auch so häufig einfach nur an den Fußballverein meines Herzens gedacht hatte, dessen Wappentier nun ´mal der Adler ist.
Viele Jahre später, wieder war es mehr Zufall als dass ich mir die Frage ernsthaft gestellt hätte, habe ich dann die Hummel extrem gefeiert. Das hat sicher auch mit einer schwer zu leugnenden figürlichen Ähnlichkeit zu tun. Hauptsächlich aber bin ich der teils bis heute überlieferten Legende auf den Leim gegangen, wonach die Hummel fliegt, obwohl sie nach Gesetzen der Aerodynamik eigentlich gar nicht fliegen könne. Gegen alle Gesetze, das war irgendwie Punk, das hatte Identifikationspotenzial! Never mind the eagle, here´s the bumblebee!
Die Begeisterung für die Hummel hielt nicht allzu lange an. Genau genommen war es in dem Moment vorbei, als ich mir die Zeit nahm, das einmal etwas genauer zu recherchieren. Dank des world wide web ja kein großer Auftrag mehr. Ernüchterung. Längst widerlegt. Da ihre Flügel nicht steif sind, sondern durch ihre Bewegung einen Unterdruck erzeugen, geht alles mit rechten Dingen zu. Trotzdem ist die Geschichte bis heute Bestandteil etlicher Motivationsseminare. Ich gönne es ihr. Weil 200 Flügelschläge pro Sekunde auch eine respektable Leistung sind, von der wir alle nur träumen können. Doch wäre es auch nicht redlich, ums frei nach Einstein zu sagen, einen Fisch danach zu beurteilen, wie schnell er auf einen Baum klettern kann. Und beim Thema Baumklettern sind wir wieder bei den Eichhörnchen sind wir wieder auf der Arbeit und der Frage, welches Tier geeignet ist, mich im Lager zu unterstützen.
Die Antwort könnte eine Hunderasse sein, auf die ich vor einiger Zeit in anderem Zusammenhang gestoßen bin: Der Leonberger, über den es heißt, er sei „meist gelassen, lärmunempfindlich und ausgeglichen und lern- und arbeitswillig“. Damit lässt sich doch schon ´mal arbeiten. Lärmunempfindlich wäre nicht ganz unwichtig, weil bei uns ja den ganzen Tag das Radio läuft und ab und zu auch Sender mit eher fragwürdiger Musikauswahl laufen. Bewegungsfreude und starke Nerven sind in keinem Lager der Welt Nachteile, im Gegenteil. Die Bereitschaft, sich unterzuordnen, wird gern noch zu seinen Eigenschaften erwähnt. Auch da hätte er manch menschlichem Kollegen gegenüber die Nase vorn. Die Kosten für so ein Rudel Leonberger – schwer zu sagen, grob geschätzt jedenfalls irgendwo zwischen Eichhörnchen und Elefant. So gesehen ein guter Kompromiss. Die Reaktion der Bosse auf diesen Vorschlag? Ich formuliere es ´mal so: Euphorisch kenne ich anders. Zögernd trifft es vielleicht eher.
Aber was nicht ist, kann ja noch werden.
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