Gibt man in der Suchmaschine seines Vertrauens Begriffe ein, die in etwa dem Sinn von „Ideen“ und „Text“ entsprechen, bekommt man – nicht ganz unerwartet – etliche Treffer, deren Gebrauchswert ich jetzt nicht prinzipiell in Abrede stellen möchte, die aber mitunter ein doch recht hohes Maß an kreativer Begabung voraussetzen, sollte daraus am Ende in der Tat ein guter Text entstehen. Echte Perlen findet man wie meistens im Leben zufällig.
„Schreibe über den Inhalt Deiner Tasche!“
Ich gebe zu, daß ich diesen Tipp zunächst zu den ganzen anderen in die Kategorie „Schrott“ einordnen wollte. Auf den zweiten Blick offenbarte sich jedoch ein gewisses Potential, also nicht lange gezögert, ich präsentiere: das Innere meiner Tasche:
Drei Jonglierbälle. Letztes Jahr im Sommer hatte ich nach etlichen Jahren wieder angefangen, Bälle zu werfen. Seitdem sind die Bälle immer dabei. Und wie ich gerade darüber nachdenke, bemerke ich, daß das letzte Mal Üben ebenfalls letztes Jahr gewesen ist, nur eben ein bißchen später im Sommer. Ich könnte die Bälle also wieder ´rausnehmen, ohne daß es mir wehtäte.
Alternativ könnte ich die Bälle natürlich auch einfach gelegentlich benutzen. Aber das gehört jetzt nicht hierher.
Das Buch „Vrouwen in de tijd van de Bijbel“. Für den Fall, daß ich in der Arbeitspause ´mal nicht das Bedürfnis habe, die Abläufe nach der Pause gedanklich durchzugehen, sondern auch ´mal etwas für mich zu tun. Das Niederländisch-Lernen-Wollen gehört zu den running gags meines Lebens. Und in aller Regel läuft das ja wie folgt ab: Man befindet sich gerade in der Pause oder man sitzt im Auto. Plötzlich ist das Verlangen da, genau jetzt in diesem Moment endlich weiterzumachen mit dem Lernen. Aber außer der Tasche im Spind respektive auf dem Rücksitz hat man einfach nichts dabei, um sofort loslegen zu können. Und da später zuhause der Impuls dann bereits wieder verflogen ist, weil man nicht asap loslegen konnte, bleibt dieses Buch neben den Bällen in meiner Umhängetasche und begleitet mich jeden Tag zur Arbeit und von dort zurück. Für den Fall der Fälle.
Eine weitere Lektüre befindet sich seit dem Tag des Kaufes auf dem Bücherflohmarkt in der Tasche: Ein Werk über Emotionale Intelligenz. Schließlich will ich nicht in jeder Pause jonglieren oder Niederländisch lernen. Und da der Begriff auch im Dating-Kontext momentan en vogue ist, könnte es eher von Vorteil sein, hierüber Bescheid zu wissen als einigermaßen gut Niederländisch zu können. Zumindest solange ich in der näheren Umgebung und nicht im lässigsten Nachbarland von allen meine Herzdame zu finden gedenke.
Und weil man ja von Zeit zu Zeit erfahren möchte, wo genau man steht, habe ich vor etwa einem halben Jahr sogar einen Test gemacht. Dessen Ergebnisse besonders aufschlussreich zu nennen, wäre vielleicht etwas zu viel der Euphorie. Doch abgesehen davon, daß runde 10 Prozent komplett daneben und weitere ca. 25 Prozent zwar sehr wohl zutreffend sind, mir aber nicht gefallen können, kann man die Auswertung immerhin als amüsant bezeichnen. Ungefähr so als ob ein relativ guter Freund mir etwas über mich erzählt, der viel, aber zum Glück nicht alles von mir weiß.
Fangen wir mit dem Offensichtlichen an. Zusammengefasst habe ich einen durchschnittlich hohen Emotionalen Quotienten mit einigen Dingen, die verbesserungswürdig sind. Zwar kann man sich sicher sein, daß das so ähnlich auch dort geheißen hätte, wenn ich jede einzelne der 100 Fragen anders beantwortet hätte, aber wenigstens ein bißchen beruhigend klingt dieser Befund schon. Denn man kennt sich ja und hat daher eine gewisse Vorahnung, daß das nicht alles sein wird, sondern da noch etwas Unangenehmes folgt.
Und so wirklich lange lässt der erste Hammer auch nicht auf sich warten: „Allerdings kommt es schon öfter einmal vor, daß Sie die Fassung verlieren. Und das seltsamerweise gerade bei Kleinigkeiten“, heißt es da vielsagend. Da kommt dann letzten Endes wohl doch der gute Einfluss meines älteren Bruders zum Tragen. So mancher gegnerische Verkehrsteilnehmer und ebenso der eine oder andere Paketbote hat hiervon schon eine Kostprobe genießen dürfen. Ob das dann Kleinigkeiten sind oder nicht – wer vermag das schon seriös zu beurteilen..?!
„Sie haben allzu oft schlechte Laune“
Das mag sein, aber das beginnt nicht unmittelbar nach dem Aufwachen, da bin ich im Normalfall noch positiv gestimmt, weil jeder Tag zunächst ganz unvoreingenommen mein bester Tag sein wird. Die singenden Vögel meines Lichtweckers noch zehn weitere Minuten ruhig gestellt, schnurrt mich der Kater allmählich wach. Der Hund ist noch zu müde, um ans Randalieren überhaupt zu denken. Wenn schlechte Laune, dann gewiss nicht aus Prinzip. Im Grunde beginnt sich die Stimmung erst mit den ersten Aufeinandertreffen mit anderen Menschen nach und nach zu verschlechtern. Wie passend, daß das nur wenige Absätze später in der Testauswertung auch entsprechend gewürdigt wird, wenn es heißt: „Tatsächlich sind Sie eine absolute Stimmungskanone. Diese permanent gute Laune ist wirklich ansteckend.“
Ich überlege, welche Antworten ich überhaupt gegeben habe, um ein derart widersprüchliches Bild von mir abzugeben. Doch bevor ich mir die Antwort geben kann, stolpere ich über den nächsten denkwürdigen Satz: „Die Gesellschaft anderer Menschen empfinden Sie manchmal als unangenehm.“ Ich weiß nicht, was ich davon nun wieder halten soll und frage mich, was verstörender ist: Der Gebrauch des Wortes „manchmal“ in diesem Zusammenhang oder daß ich wiederum nur wenige Zeilen weiter hiermit konfrontiert werde: „Auch eine größere Menschenmenge schreckt Sie nicht. Damit hätten Sie eigentlich das Zeug dazu, ein echter Entertainer zu werden.“
Geahnt hatte ich das schon länger.
Wechseln wir das Thema einmal ohne angestrengtes Bemühen um eine gelungene Überleitung. „Besonders schätzen Kollegen an Ihnen allerdings die Fähigkeit, Routinearbeiten sehr gründlich, exakt, rasch und auch noch fehlerfrei zu erledigen“, ist eine Bewertung, die für mich bei weitem nicht so negativ klingt, wie es der Subtext eigentlich suggerieren möchte. Schließlich ist es doch lediglich das, was man von einem nur halbwegs normal tickenden Individuum erwarten können sollte. Kaum auszudenken, auf welchem Niveau sich unsere Gesellschaft befände, wenn jeder einzelne wenigstens das hinbekäme und nicht an exakt solchen Routineangelegenheiten bereits regelmäßig scheiterte.
Da jede Schreibwerkstatt als Tipp im Standardrepertoire bereithält, gerne ´mal mit Erwartungen zu brechen, folgt hierauf gerade nicht die obligatorische Kollegenschelte. Es bedarf eines solchen Rekurses auf frühere Blogeinträge auch gar nicht, denn mangelnde Fitness in Routineangelegenheiten ist allerorten zu beobachten. Da ist etwa eine Hausverwaltung nicht in der Lage, Betriebskostenabrechnungen erstens korrekt und zweitens fristgerecht zu erstellen, ohne dabei – drittens – ein Jahr zu unterschlagen. Da verschwinden in der Finanzbehörde, bei denen ich gesteigerte Sorgfalt einfach ebenso voraussetze wie es dort umgekehrt auch von mir und allen anderen erwartet wird, zwei von drei eigenhändig eingeworfenen Dokumenten auf dem Weg zwischen Briefkasten und zuständigem Sachbearbeiter. Wer mag, ergänzt diese Aufzählung jetzt durch eigene Beispiele. Das Wochenende ist definitiv zu kurz, um sich vorsätzlich in Rage zu schreiben, nur weil irgendwelche als Paketfahrer nur mäßig getarnte Einzeller… lassen wir das!
Und weil Wochenende ist, benötige ich noch etwas Aufbauendes. Zwei „sehr positive Eigenschaften“ hätten sich bei mir verfestigt. „Nämlich eine gehörige Portion Selbstvertrauen und dazu noch eine Prise allerfeinster Humor.“ Nun, damit kann ich arbeiten. „Sie sollten sie deshalb ganz besonders pflegen und nach Möglichkeiten suchen, diese Talente weiter zu vervollkommnen.“
Sehr viel besser hätte ich es selbst nicht formulieren können. Aber das nenne ich ´mal eine Arbeitsanweisung. Fürs Wochenende und fürs Leben. Fürs Schreiben wie fürs Brautwerben.
Ob es aber allein für diese Erkenntnis vonnöten gewesen ist, einen 100 Fragen umfassenden Test zu machen oder ob das ähnlich ineffizient war wie die Suche nach Anregungen für Texte über Google und Co, lasse ich an dieser Stelle unkommentiert.
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