Es ist ja beileibe nicht so, dass hier im Blog Woche für Woche das Rad neu erfunden würde. Demnach wird auch der nur in Maßen originelle Gedanke, wonach es in den Lebenszielen fast aller Menschen um das Gleiche geht, zurecht nur bescheidene Euphorie auslösen.
Bevor jetzt alle angesichts des vermeintlichen nächsten Beitrags über Geld und Sex gähnend abwinken, löse ich lieber auf: Glück ist das Thema, das uns beschäftigt. Hier im Text wie im alltäglichen Dasein.
Das Thema ist bereits seit einigen Jahrtausenden anhaltend trendy, und als ich diese Woche auf die Schlagzeile aufmerksam wurde, wonach Bier glücklich machen soll, hielt ich das auch erst für verkappte Werbung für die nächste bierselige Trachtenveranstaltung. Ich ließ mich dann aber schnell davon überzeugen, dass hier das Forschungs-Design für einen Zufallsfund sorgte. Zum Timing der Veröffentlichung – ich schätze ´mal, dass der Mitnahme-Effekt der Aufmerksamkeit für Oktoberfest-ähnliche Veranstaltungen wenigstens billigend in Kauf genommen wurde. Kann man ´mal machen.
Bevor jetzt aber alle Welt losrennt und einen Bierlaster kapert, um sich die persönliche Wochenration vors Haus zu stellen – das ist bis jetzt alles Theorie. Es sind zunächst noch weitere Untersuchungen notwendig, ob die enthaltenen Mengen Hordenin, so heißt der Botenstoff, ausreichend sind. Nun hat es natürlich Zeiten gegeben, in denen ich mich ganz spontan in den Dienst der Wissenschaft gestellt hätte, um mitzuhelfen herauszufinden, was und wieviel dran ist am Glücklichtrinken. Da ich aus diesem Alter aber mittlerweile heraus bin, sage ich das, was man in meinem Alter immer sagt, wenn es droht, lustig zu werden: Da müssen jetzt eben ´mal die Jüngeren ´ran!
Wenn mich mein Gedächtnis nicht gar zu sehr trübt, meine ich mich nämlich erinnern zu können, dass ich nach sechs bis sieben Litern Bier nicht immer glücklich gewesen bin. Müde trifft es eher. Viel hilft offenbar nicht immer viel.
Unabhängig vom Ausgang wäre auch noch zu klären, was Glück bedeutet. Wenig überraschend werden wir da keine einheitliche Antwort erhalten. Während es die einen zu schätzen wissen, ihr Telefon für ein paar Stunden ohne schlechtes Gewissen ausgeschaltet zu haben, würden sich bei anderen schon bei dem Gedanken an ein solches Szenario Gefühle breit machen, die von Glückseligkeit weit entfernt sind. Dass Glück zum guten Teil eine Frage der Einstellung ist, war so sicher nicht gemeint, ist aber auf dieses Beispiel auch anwendbar.
Ein tugendhaftes Leben und ausreichend äußere Güter sollen nach Aristoteles grob gesagt den Weg zum Glück weisen. Ich entreiße den Begriff der äußeren Güter hier einmal bewusst seinem Zusammenhang und mutmaße folgendes: Dass nämlich die Frage, welche und wie viele äußere Güter als „ausreichend“ bezeichnet werden können, heutzutage zum Beispiel von Franz-Peter Tebartz-van Elst, formerly known as Bischoff von Limburg, anders beantwortet wird als von einem kambodschanischen Reisbauer. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.
Robert Geiss wäre vermutlich ein weiterer kompetenter Ansprechpartner zu diesem Thema.
Allerdings soll hier nicht mehr als für die Dramaturgie des Textes notwendig ist polarisiert werden. Denn die Wahrheit kennt wie so häufig zwischen Schwarz und Weiß noch andere Schattierungen. Die vormals gültige konsumkritische Lesart lautete bis vor kurzem in etwa: Konsumgüter jenseits der Grundbedürfnisse würden vom wahren Glück eher ablenken. Zwar – Drogen nicht unähnlich – ein kurzes Stimmungshoch erzeugen, welches aber schneller wieder absinkt als das Zeug überhaupt bezahlt ist. Neuere Ansätze unterscheiden zwischen Besitzen und Benutzen: Kritisch wird es hauptsächlich dann, wenn sich unüberlegt Dinge zugelegt werden, man aber nicht dazu kommt, diese auch zu nutzen
Smartphone schlägt Buch
Auch wenn mir das Ergebnis nicht gefällt – so gesehen kann offenbar der Kauf eines Smartphones in der Tat nachhaltig glücklich machen. Während meine stets so hoch geschätzte gefüllte Bücherregalwand diesbezüglich erst dann richtig Sinn macht, wenn ich endlich beginne, die Dinger auch alle zu lesen. Man lernt nie aus.
Weiter in der Bestandsaufnahme. Zu den unumstrittenen Faktoren von Glück zählen folgende Punkte:
- Eine stabile Liebesbeziehung. Wenn meine Vermutung richtig ist, dass stabil hier nicht allein auf die Dauer abzielt, sondern auch solche Nebensächlichkeiten wie Gegenseitigkeit umfasst, wäre Eintracht Frankfurt an dieser Stelle genauso ´raus wie die eine oder andere Frau. Man kann nicht alles haben. Dafür habe ich die Nase beim nächsten Thema vorn, der
- Gesundheit. Immer wenn ich mitbekomme, was Gleichaltrige und manch Jüngere diesbezüglich vorzuweisen haben, überrascht mich wahrhaftig, wie ich trotz langjähriger nicht anders als als ungesund zu bezeichnenden Ernährungsgewohnheiten so lange von so vielem verschont geblieben bin. Fair geht anders, aber solange ausnahmsweise ich davon profitiere, stelle ich die Dinge nicht in Frage.
- Ein den eigenen Fähigkeiten entsprechender Beruf. Bei einem Diplom-Politologen, der als Lagerist arbeitet, wird man nicht drum herum kommen, dass an schlechten Tagen auch schon ´mal die „Was wäre, wenn“-Frage gestellt wird. An guten Tagen wird er dafür auf folgender Sichtweise insistieren: Im Lager brauchst Du nicht nur Krieger. Du brauchst auch einen Häuptling. Nichts spricht dagegen, diese Aufgabe dem Besten zu übertragen.
- Freunde. Deren Bedeutung kann gar nicht genug hervorgehoben werden. Wenn Bier tatsächlich glücklich macht, kann es natürlich im Einzelfall auch daran liegen, dass der Konsum in Gesellschaft guter Freunde vonstatten geht. Kurios: Eine amerikanische Studie ergab, dass 48 Prozent glauben, andere hätten mehr Freunde als sie selbst. Unabhängig davon, ob diese Einschätzung wahr ist oder nicht, waren diese Teilnehmer unglücklich und unzufrieden. Daher folgender Tipp: Wenn Ihr das nächste Mal voller Neid auf die 800 Facebook-Freunde der anderen schaut, vergesst eines nicht: Britische Evolutions-Psychologen behaupten, überdurchschnittlich intelligente Menschen haben weniger Freunde.
- Sport und Bewegung. Setzen Dopamin frei. Also einen Botenstoff, der Glücksgefühle erzeugt. Ganz ähnlich dem eingangs erwähnten Bierbeispiel, nur anstrengender. Kann also nachvollziehen, weshalb viele lieber viele Biere trinken.
Das Gesamturteil nach einer Woche noch intensiveren Nachdenkens als sonst über dieses Thema kann eigentlich nur lauten: Noch reichlich Luft nach oben. Entsprechend habe ich in der mathematischen Berechnung nach der in der Überschrift angegebenen Formel einen Wert von 74 von 100 herausbekommen. In einer Schulnote ausgedrückt, wäre das eine Drei. Befriedigend.
Ich muss gestehen, dass ich mich eigentlich weiter wähnte. Ich finde aber auch, diese Form von Durchschnittlichkeit passt zu mir. Außerdem gibt es ja auch noch Schokolade. In diesem Sinne: Don´t worry, be happy!
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