Irgendwann reicht es auch ´mal. Wir haben lange genug auf besseres Wetter gewartet; der Sommer hat seine Chancen bekommen und nicht genutzt. Jetzt ist der Herbst am Zug und gibt zum Einstand sofort Gas wie ein Bundesliga-Debütant bei seiner Einwechslung in der 70. Spielminute, dem Moment seines Lebens.
Im Gegensatz zum Newcomer steht der Herbst allerdings deutlich besser da, muss er doch längst niemandem mehr etwas beweisen. Da sind die Erwartungen an ihn nicht allzu hoch. Ans Wetter nicht, an die Stimmung nicht, an die Gesundheit schon gar nicht. Jetzt, da die Tage nasser, kälter und dunkler werden und sich also auch niemand mit übertriebener Begeisterung im Freien aufhält, darf man auch ´mal ohne Reue depressiv verstimmt sein. Schnell eine Packung Gewürzspekulatius besorgt, und dann soll sich die Erde draußen allein weiterdrehen. Um die erste Portion dieser Saison zu sein, kommen diese Spekulatius jedoch um Wochen zu spät. Doch Halt! Wetter, Weihnachtsartikel, über die auch der letzte Witz schon erzählt ist – wie tief soll der Text noch sinken?!
Was das Niveau meiner Beiträge betrifft, geht es natürlich immer noch niedriger. Da würde ich mit dem Urteil lieber warten, bis das Ende gelesen wurde. Aber auch was Lebkuchen und Co anbelangt, bleibe ich dabei: Wenn das Zeug mithilft, die Masse an überflüssigen Oktoberfest-Accessoires einzudämmen, mit der man momentan allenthalben konfrontiert wird, hat es seine vornehmste Aufgabe eigentlich bereits erfüllt. Oktoberfest-Kleidung, Oktoberfest-Essen, Oktoberfest-Bier, Oktoberfest-Musik, Oktoberfest-was weiß-ich, nichts bleibt einem erspart. Wie schrieb ich weiter oben noch: Die Erwartungen sind dieser Tage allenthalben im Sinkflug, warum sollte dieser Trend nun ausgerechnet bei der Freizeitgestaltung kehrt machen?!
Bevor mich jemand in einer Tracht auf so eine Veranstaltung gehen sieht, hole ich echt lieber den Frühjahrsputz nach. Und das ist schon sinnlos. Oder ich schraube endlich die Sommerräder aufs Auto. Was sich zwar jetzt definitiv nicht mehr lohnt, aber in meinen Augen immer noch die reizvollere Gegenveranstaltung zu Oktoberfest-Imitaten wäre. Außerdem liebe ich, mich selbst mit Gedanken an nicht erledigte Aufgaben zu quälen.
Gibt´s diesbezüglich noch weitere Versäumnisse? Gern: Bikinifigur! Da könnten die Spekulatius eventuell kontraproduktiv sein. Andererseits macht das den Bock jetzt auch nicht fett. Was soll überhaupt dieser ganze Körperkult? Schönheit vergeht schneller als Intellekt. Gut, hierfür laufen auch ausreichend Gegenbeispiele frei herum. Doch liegt dort eher die Vermutung nahe, dass der Intellekt von vorneherein nie in dem Maße vorhanden war wie es für den Fortschritt der Gesellschaft vielleicht gut gewesen wäre.
Vielleicht komme ich zum Lesen. Also nicht nur als Kontrastprogramm zum Oktoberfest, sondern allgemein im Herbst. Dann komme ich wenigstens wieder auf so dumme Gedanken wie mein ganzes Leben umkrempeln zu wollen, nochmal etwas ganz Neues zu starten oder wenigstens solche Projekte wie letztens als ich Brennesselsamen gesammelt habe. Was für ein Aufwand für ein paar Gramm „Superfood“
Brennesselsamen..! Sicher, die Vitamine sind nicht zu verachten. Vitamine sind wichtig. Gerade im Herbst. Aber die aphrodisierende Wirkung – wozu? Bei Selbstbedienung ist ein Aphrodisiakum so sinnvoll wie ein Kamm für den Skinhead. Und eigentlich ist die Welt sowieso schon voll genug mit Dingen, die sie nicht benötigt. Die Stichworte Bieraufschäumer oder Selfie Brush sollten hier als Hinweis genügen, dass wir offenbar tatsächlich keine dringenderen Probleme haben. Manch einer würde zu diesen Beispielen gern Spekulatius im September ergänzen und hätte vermutlich nicht ganz Unrecht damit. Jedenfalls kann ich beim Rattern auf ein Aphrodisiakum genauso verzichten wie auf die Zigarette danach. Die übrigens tatsächlich ungesund ist im Gegensatz zur stets nur behaupteten schädlichen Wirkung der Selbstbefriedigung an sich. Ich mache das ja jetzt bereits seit einiger Zeit, auch und vor allem weil es dem Stressabbau förderlich sein soll, und ich fühle mich zwar nicht kerngesund, aber meine Wehwehchen stammen mit Sicherheit nicht davon. Trotzdem dürfen die Gefahren nicht verschwiegen werden: So musste diese Woche in Worms die Feuerwehr mit allerhand Werkzeug tätig werden, weil jemand eine 2,5-kg-Hantelscheibe auf ein für diesen Zweck eigentlich nicht vorgesehenes Körperteil geschoben hat. Dumm oder nur dumm gelaufen, wer kann das schon seriös beurteilen?!
Ich weiß gerade nicht, wie ich von „seriös“ zum nächsten Thema überleiten soll, aber in der Men´s Health stand irgendwann die mindestens so überraschende wie schmeichelnde Aussage: „Alle Statistiken belegen es: Die Hinwendung zur Selbstbefriedigung steigt mit dem Bildungsgrad.“
Konsequent zu Ende gedacht erübrigen sich nach dieser Lesart bald die Verwendung mancher Ausdrücke als Schimpfwörter. Wenn man zum Beispiel demnächst den Ausruf „Was für ein Wichser!“ hört, könnte es demnach sein, dass damit niemand beleidigt wird, sondern ihm lediglich Glückwünsche zur bestandenen Doktorprüfung übermittelt werden sollen.
Das schönste an dem ganzen Thema ist jedoch, dass für diesen Vorgang eine Vielzahl an mitunter kreativen Fachausdrücken existiert. Da kann selbst ich ´mal den Überblick verlieren und auf diese Weise für heiterstes Kopfkino sorgen: Indem ich nämlich auf der Arbeit rufe „Wir sind hier alle am Keulen“ und dabei natürlich die mir geläufige Bedeutung „schwer arbeiten“ im Kopf habe. Der Kollege kannte diese Bedeutung nicht, wohl aber eine andere, die wiederum ich vorher nicht kannte.Wir sind schon ein geiles Team! Each one teach one.
Um diesem Blogeintrag auf den letzten Metern doch noch so etwas wie eine tiefgründigere Aussage zu verpassen: Onanieren mag schön, anregend und gesund sein. All das ist die Beschäftigung mit einer guten Lektüre aber auch. Und obendrein abendfüllender. Insofern ist ein gutes Buch allemal vorzuziehen. Jetzt in der dunklen Jahreszeit.
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