Zuhören. Ausreden lassen. Auch oder vielleicht gerade wenn es die eigene Partnerin ist, die gerade spricht. Das erfordert kontinuierliches Training, das kommt nicht von selbst. Neulich zum Beispiel verselbstständigte sich mein Hirn ab dem unvollständigen Satz „Heute früh dachte ich, der Hund kotzt gerade, dabei warst Du…“, und ohne das Ende ihrer Ausführungen abzuwarten, sah ich mich gedanklich zu einem Verteidigungsplädoyer genötigt: Erstens habe ich heute früh nicht gekotzt, zweitens höre ich mich dabei mit Sicherheit anders an als der Hund.
„… auf dem Klo…“, so meine Herzdame weiter im Text, und in meinem Kopf empörte ich mich: Das hört sich hoffentlich erst recht anders an.
Mir wurde plötzlich bewusst, dass ich mir in mittlerweile 50 Jahren nie die Zeit dafür genommen habe, einmal bewusst auf den Klang zu achten, wenn ich auf der Keramik sitze. Natürlich hat man eine Ahnung, dass sich das nicht wesentlich von den Geräuschen unterscheidet, die andere Menschen beim gleichen Vorgang verursachen, aber woher genau nehme ich eigentlich die Gewissheit, dass mein Stuhlgang sich nicht eventuell doch genauso anhört wie das Erbrechen eines 17-jährigen West Highland Terriers?
Schließlich die Aufklärung: „… mit Deiner Podusche am Werk.“
Sag´ das doch gleich, dachte ich mir so. Zuhören kann echt anstrengend sein.
Da das Wissen, was eine Podusche ist, mutmaßlich nicht zum bundesdeutschen Bildungskanon gehört, ist an dieser Stelle eine kurze Erläuterung unter Umständen hilfreich. Bis vor ein paar Monaten wusste ich selbst nicht, dass es solche Dinger überhaupt gibt. Dann wurde mir in meinem liebsten sozialen Netzwerk Werbung dafür angezeigt, und ungefähr seit diesem Zeitpunkt nenne ich nicht nur ein solches tool mein Eigen, sondern suche auch nach einer schlüssigen Antwort darauf, welche meiner beim Surfen im www hinterlassenen Spuren dafür gesorgt haben mögen, dass bei mir Werbung ausgerechnet für Poduschen aufploppt.
Die Podusche jedenfalls besteht aus einem Kunststoffbehältnis, welches mit Wasser befüllt wird. Um eine Sache schonmal zu spoilern: Diesen Part erledigt man am besten, bevor man sich setzt und der Sache freien Lauf lässt. Verschlossen wird das Gerät mit einem kleinen Duschkopf. Ist das Geschäft erledigt, hält man die Flasche unter die zu reinigende Körperöffnung, drückt sachte zu, und dann heißt es „Wasser Marsch!“ – fertig ist das Bidet für Arme! Das soll untenrum ein angenehmeres, weil reines Gefühl verschaffen. Und obwohl ich vordergründig mehr Wasser verbrauche, soll ich dabei Wasser sparen, weil ich nämlich weniger Papier verbrauche, für dessen Herstellung Wasser benötigt wird. Damit haben sie mich gekriegt, und vermutlich war Wassersparen auch das Schlüsselwort für die Anzeige dieser Werbung. Doch schon hatten mich auch die Zweifel wieder gepackt, denn Werbung verspricht ja wesentlich öfter lieber erst ´mal zu viel als dass sie die Sache realistisch einordnet. Man weiß zum Beispiel inzwischen, dass der Verzehr einer Büchse eines bestimmten Energy Drinks das Wachstum von Flügeln in weitaus geringerem Maß beeinflusst als vom Hersteller stets behauptet. Um also herauszufinden, was von solchen Versprechungen zu halten ist, musste ich mir selbst eine Podusche zulegen. Und für einen ansonsten überzeugten Gebrauchtkäufer wie mich war die erste zu überwindende Hürde die Akzeptanz, dass der volle Preis für ein neues Teil bei solchen Artikeln eventuell doch die bessere Wahl ist.
Die nächsten Schwierigkeiten ließen nicht lange auf sich warten: Es galt herauszufinden, wo genau im Drogerie-Markt meiner Wahl diese Dinger stehen. Fragen wäre natürlich eine Option, doch als Mann muss ich das anders lösen, selbst wenn es dadurch unangemessen länger dauert. Beim Regal mit den Gesichtspflegeprodukten musste ich zwar spontan an drei bis vier Menschen denken, allerdings brachten mich Überlegungen, wie viele Arschgesichter mir einfallen, an dieser Stelle nicht weiter. Bei der Mundhygiene das gleiche Spiel: Im Sekundentakt ploppten vor meinem geistigen Auge Zeitgenossen auf, bei denen für gewöhnlich einfach nur Scheiße ´rauskommt, sobald sie ihren Mund aufmachen. Doch auch diese Assoziationen – so aufschlussreich sie vielleicht sein mochten – waren wenig zielführend.
Auch wenn der tatsächliche Lagerplatz der Podusche für die Dramaturgie des Textes weit weniger Relevanz besitzt als die beiden genannten Nicht-Fundorte: Relativ unspektakulär neben dem Klopapier wird man in der Regel fündig.
Unmittelbar nach dem Kauf regte sich in mir ein Gefühl, das ich so noch nicht kannte und auch danach bis jetzt nicht wieder hatte: Ich habe mir gewünscht, zu müssen. Nicht auf der Stelle. Bis zuhause hätte das in jedem Fall noch Zeit gehabt, aber dann asap bitte! Und am liebsten wie nach dem Verzehr einer haushaltsüblichen Menge Spinat. Das sonst in solchen Situationen gebräuchliche „Müssen“ wäre in jenem Moment völlig unangebracht gewesen, denn in Wahrheit habe ich mir gewünscht, zu „dürfen“. Ich war wieder ein kleines Kind. Zwar nicht so klein, dass ich mich plötzlich wieder in meiner analen Phase wiedergefunden hätte. Auch nicht so klein, dass ich die Werbung mit dem „Blubb“ im Spinat noch verkehrt interpretieren und nicht ahnen würde, dass dieser „Blubb“ eine recht unzweideutige Anspielung auf das ist, was sich anschließend in der weißen Schüssel abspielt. Aber so klein, dass ich wie nach dem weihnachtlichen Auspacken der Geschenke darauf brenne, alles davon so schnell wie möglich austesten zu wollen. (Den Aspekt, dass manches davon noch am selben Abend kaputtgetestet wurde, ließ ich selbstverständlich außer Acht, aber sonst war alles wie früher.)
Aber was geschieht, wenn man einmal darauf wartet, nach Herzenslust aufs Klo zu können? Richtig: Es geschieht gar nichts.
Lange Zeit nicht.
Am Abend begann ich mich zu sorgen, dass das Austesten vor Ablauf der gesetzlichen Gewährleistung gar nicht möglich sein würde.
Irgendwann später am Abend beschloss ich, es mit Duschen zu probieren. Denn unmittelbar danach kommt üblicherweise recht zuverlässig der Druck aus dem tiefsten Innern, damit die gerade vorher blitzeblank geputzte Ritze möglichst schnell wieder eingeschmiert wird. Man kann demnach nicht behaupten, dass es eine perfekte Ausgangssituation für die Anwendung der Podusche nicht gäbe. Weil das dringende Bedürfnis weiter auf sich warten ließ, sich aber gerne auch ankündigt, wenn man gerade unterwegs ist, drehte ich mit dem 17-jährigen West Highland Terrier eine Runde. Ergebnis: Hauptsache, der Hund konnte kacken. Bicolor, wie so oft. Gut, dass es noch Dinge gibt, auf die man sich verlassen kann.
Wieder daheim angekommen, überbrücke ich die Zeit bis zum großen Moment mit dem Googeln von ´mal mehr und hauptsächlich aber weniger interessanten Sachverhalten. Zum Beispiel gibt es ganz offenbar außer mir noch weitere Menschen, die die Erfahrung kennen, dass sie mit dem großen Geschäft eigentlich fertig sind, der Darm das aber noch nicht mitbekommen hat und daher just in dem Moment, in dem die Öffnung und ihre unmittelbare Umgebung frisch abgewischt wurde, die Nachhut schickt. Schöne Scheiße! Wenn man diese Problematik weiterverfolgt, landet man irgendwann bei dem ultimativen Tipp, wie sich die grundsätzliche Performance beim Stuhlgang entscheidend verbessern lässt: Die Hocksitzhaltung.
Da es evolutionär zunächst nicht vorgesehen war, dass man das Kacken im Sitzen und mit der Zeitschrift in den Händen erledigt, ist die Anatomie auch nicht entsprechend darauf ausgerichtet. Wer sich schon ´mal hinter einem Busch versteckt fast auf die heruntergelassene Hose gemacht hat, war dabei am von der Natur vorgegebenen Vorgang wesentlich näher dran. Das war in aller Regel nicht sonderlich bequem, dafür aber gesünder. Um nun das Beste aus beiden Welten zu vereinen, wird geraten, die Füße auf dem Klo auf spezielle Erhöhungen und dadurch den Winkel zwischen Oberkörper und Oberschenkel spitzer zu stellen. Leuchtet ein.
Was nicht einleuchtet: Warum man 50 Euro oder mehr für solche Höckerchen bezahlen sollte, wenn man sich streng genommen auch beim Woolworth für 2 Euro ein Paar Dosenstelzen besorgen und damit den gleichen Effekt erzielen könnte. Zugegeben – manches davon sieht nett aus. Jedoch ist mir bei etwas, das neben dem Klo steht, im Zweifel ein leicht abwaschbarer Werkstoff definitiv lieber. Auch eine Massagefunktion erschließt sich mir auch nicht auf den zweiten Blick. Das könnte allerdings auch daran liegen, dass das Scheißen bei den Anbietern solcher Hocker und das Scheißen hier bei mir zuhause ganz offensichtlich zwei komplett unterschiedliche Vorgänge sind. So jedenfalls mein Eindruck nach Ansicht der Videos, mit denen die Hocker teilweise beworben werden: Es fängt schon damit an, dass das große Geschäft dort generell jederzeit so kontrolliert abläuft, dass man in jeder Situation noch die Zeit hat, mindestens Schuhe und Strümpfe auszuziehen, besser aber gleich die komplette aktuelle Garderobe gegen einen Bademantel auszutauschen, bevor es losgeht. Ich kann dazu nur sagen, dass solche Szenarien mit meinem Alltag nicht deckungsgleich sind. Meistens nämlich kommt das dringende Bedürfnis aus heiterem Himmel an einem Unort mindestens 45 Minuten von einer annehmbaren Gelegenheit entfernt. Um auf dem Weg dorthin wenigstens ein paar Sekunden gutzumachen, würde man, wenn man könnte, Hindernisse wie Haustüren, Passanten oder 17-jährige West Highland Terrier ohne größere Hemmungen über den Haufen schießen oder wegsprengen. Das ist die Wahrheit, nicht diese Heile-Welt-Wellness-Simulation.
Um endlich zum Punkt zu kommen: Ich habe zwei neue Geräte im Haushalt. Eins davon ist für´n Arsch. Das andere wenigstens nur für die Füße. Ob mich das unterm Strich glücklicher macht als wenn ich mir für das gleiche Geld gleich Schokolade, Chips oder einen weiteren gebrauchten Hut gekauft hätte, wird sich mit der Zeit zeigen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind beides keine Gadgets, die man sofort mit ins Bett nehmen möchte. Wenn das der alleinige Maßstab wäre, hätten Schokolade, Chips oder ein weiterer gebrauchter Hut eindeutig die Nase vorn.
Mit der Podusche kann man arbeiten. Der Unterschied ist spür- und, wenn man die Bremsspuren in der Unterhose als Indikator für Erfolg oder Misserfolg nimmt, auch sichtbar. Bei den Hockern finde ich die Anwendung inzwischen recht entspannend. Vorausgesetzt, ich trage lange Hosen mit engerem Hosenbein als kurze Hosen. Außerdem habe ich, seitdem ich sie benutze, weder Verstopfung noch Entzündungen noch Reizdarm. Allerdings hatte ich all das auch vorher nicht. Von daher: Wegen des medizinischen Nutzens fragt jemand Betroffenen oder meinetwegen auch einen Arzt oder eine Apothekerin.